Gesundheit, Markt | Autor/in: Jürgen Wolff |

Soziodemografische Herausforderungen im Zweiten Gesundheitsmarkt

Die Bevölkerungsstruktur in Deutschland ändert sich: Die Menschen werden immer älter und die Geburtenrate stagniert. Gleichzeitig manifestiert sich der Trend zur Selbstverwirklichung. Diverse Lebensstile, Wertevorstellungen und verschiedene Subkulturen beeinflussen die Menschen und das, was sie wollen. Der demografische Wandel und die Individualisierung stellen Dienstleister im Zweiten Gesundheitsmarkt vor spezielle Herausforderungen. Wie können sich Fitness- und Gesundheitsanbieter angesichts dieses Strukturwandels erfolgreich und zukunftssicher positionieren?

Soziodemografische Herausforderungen im Zweiten Gesundheitsmarkt

Ein Satz, der wohl wie kein Zweiter den demografischen Wandel in Deutschland markiert: „Die Rente ist sicher.“

Spätestens am 10. Oktober 1997, als der damalige Bundesarbeitsminister Dr. Norbert Blüm (CDU) im Deutschen Bundestag diese Worte sagte, hatten die Menschen verstanden, dass eine große Aufgabe auf die Gesellschaft zukommt (Deutscher Bundestag, Online-Dienste, 2022).

Strukturwandel betrifft Gesundheitssektor

Die Herausforderung der alternden Gesellschaft bleibt seitdem für Politik und Gesellschaft bestehen. Im Jahr 2021 war jede zweite Person in Deutschland älter als 45 und jede fünfte Person älter als 66 Jahre (Destatis, 2023). (Lesen Sie auch: 'Fitness im Alter')

Geburtenrate, Sterberate und Migration prägen die Bevölkerungsstruktur Deutschlands seit vielen Jahren: Es kommen weniger Kinder zur Welt, die Lebenserwartung und das Durchschnittsalter der Menschen steigen, das Land wird vielfältiger.


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Der Strukturwandel, der mit dieser Entwicklung einhergeht, wird unsere Gesellschaft verändern. Die Politik, das Sozialversicherungssystem, die Arbeits- und Freizeitwelt – hier vor allem der Dienstleistungs- und der Gesundheitssektor – stehen vor großen Schwierigkeiten.

Unternehmen, die für den Umgang mit sich ändernden soziodemografischen Herausforderungen effiziente Lösungen finden, kann eine nachhaltig erfolgreiche Positionierung gelingen. (Auch lesenswert: 'Wie geht Generationenmix?')

Der demografische Wandel als Chance?

Die steigende Lebenserwartung bietet den Menschen die Perspektive, noch viele Jahre aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, nachdem die Kinder aus dem Haus sind und ihr Berufsleben endet. Voraussetzung dafür ist, dass diese Jahre in einem möglichst guten Gesundheitszustand erlebt werden können (RKI, 2016).

In einer zunehmend alternden Bevölkerung steigt die Nachfrage nach medizinischen Leistungen ebenso wie die Nachfrage nach individuellen Gesundheitsdienstleistungen, die eigenverantwortlich erbracht werden – insbesondere Präventionsmaßnahmen.

Das Gesundheitsbewusstsein der Menschen ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen und der Trend zu einem gesunden Lebensstil, der bereits jetzt alle Alters- und Gesellschaftsschichten beeinflusst, wird sich weiter ausbreiten. Die Erfahrungen während der Corona-Pandemie haben diese Entwicklung beschleunigt.

Diese Kombination führt zu einer höheren Nachfrage nach Leistungen sowohl des Ersten als auch des Zweiten Gesundheitsmarktes und bietet für Fitness- und Gesundheitsdienstleister ein enormes wirtschaftliches Potenzial.


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Die Aufgabe für die Fitness- und Gesundheitsbranche besteht darin, die positiven Synergien zwischen dem Ersten und Zweiten Gesundheitsmarkt zu nutzen und sie auszugestalten, indem passende Angebote für die steigende Nachfrage entwickelt werden.

Gelingt das, kann sich die Branche nachhaltig als relevante Schnittstelle für Prävention und Rehabilitation zwischen beiden Märkten positionieren.

Lifestylefaktor Gesundheit

Der Zweite Gesundheitsmarkt bietet nicht nur aus gesundheitspolitischer, sondern auch aus gesamtgesellschaftlicher Sicht viele Perspektiven. Die Bereitschaft der Menschen, eigenverantwortlich in ihre Gesundheit zu investieren, wächst, weil sich die Erkenntnis durchsetzt, dass ein Zugewinn an Gesundheit größere Zufriedenheit bietet und insbesondere im Alter Unabhängigkeit gewährleistet.

Trotz des demografischen Wandels darf die Gruppe der jüngeren Mitglieder bei der Entwicklung von Trainingsangeboten jedoch nicht vernachlässigt werden, weil in deutschen Studios (noch) die Jüngeren dominieren. Zwei Drittel der Mitglieder sind laut „Eckdaten der deutschen Fitnesswirtschaft 2023“ zwischen 20 und 50 Jahre alt.

Das Durchschnittsalter der Mitglieder liegt bei 40,6 Jahren (DSSV, 2023). Das macht deutlich, dass die Nachfrage nach Fitness- und Gesundheitsangeboten und der Wunsch nach einem aktiven Lebensstil über alle Altersgruppen hinweg relevant sind (Thum, 2023).

Schubladendenken funktioniert nicht mehr

Anbieter können ihre Kundschaft im Jahr 2023 nicht mehr nur anhand des Alters kategorisieren. Durch eine zunehmende Individualisierung der Lebensentwürfe in Deutschland sind pauschal zugeschnittene Standardangebote immer weniger angemessen.

Insbesondere für die Ansprache potenzieller Kundinnen und Kunden funktionieren die Kanäle und die Ansprache von vor zehn Jahren heute nicht mehr.

Für Studios ist entscheidend, wie gut sie ihre Kundschaft kennen. Werbung wirkt über die Vermittlung von Lebensgefühl und positiven Werten effektiver als über vermeintlich altersgerechte Motive, in denen sich eine Zielgruppe eventuell heute nicht mehr wiedererkennt oder überhaupt nicht wiedererkennen will.


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Themen wie Achtsamkeit und Nachhaltigkeit sind generationsübergreifend wichtig. In Kursen trainieren heute verschiedene Altersgruppen miteinander. Was zählt, ist das gemeinsame Ziel.

Wie erfolgreich eine individualisierte Kundenansprache sein kann, zeigen Google, Facebook und Amazon. Sie tracken das Nutzungsverhalten ihrer Kundinnen und Kunden und erstellen daraus Angebote, die an deren Wünschen und Bedürfnissen ausgerichtet sind – das Alter spielt dabei eine untergeordnete Rolle (Sörensen & Wolff, 2023). (Lesen Sie mehr: 'Digitaler Marketingmix')

Der Markt kreiert Lösungen

Die Nachfrage nach individualisierten und gesundheitsorientierten Trainingsangeboten wächst gleichermaßen. Auf der FIBO 2023 in Köln präsentierten Unternehmen der Branche Lösungen, die unabhängig von Alter oder Trainingsziel für nachhaltige Trainingsmotivation sorgen:

Elektronische Zirkel bieten heute neben dem bewährten geführten Training für Einsteiger herausfordernde, kompetitive Module sowie Trainingsoptionen für Kraftsportler. Und auch Bildungsanbieter haben reagiert: Der duale Studiengang Sport- und Bewegungstherapie liefert Know-how, mit dem Gesundheitsanbieter die Schnittstelle zwischen Therapie und Training in ihrem Unternehmen ausgestalten können.

Konzept fokussiert Individualität aller Menschen

Wie können Unternehmen des Zweiten Gesundheitsmarktes sich in diesem Spannungsfeld clever positionieren? Welche Dienstleistungen sprechen die Kunden von heute und morgen an und wie bekommt man beides unter einen Hut? Welche Angebote wirken gleichermaßen auf Trainingseinsteiger und Ältere sowie leistungsorientierte Trainierende?

Im Präventionszentrum Saar gehen die Betreiber erfolgreich neue Wege in der ganzheitlichen Betreuung des Menschen. Das Präventionszentrum ist einer der drei Unternehmensbereiche des Gesundheitszentrums Körperglück in Saarbrücken, das aus der Physiotherapie „Praxis KörperGlück Doht & Morsch“, dem Präventionszentrum Saar und der logopädischen Praxis „Sprech:Zeit – Logopädie Doht“ besteht.


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Die Trainingsphilosophie des Präventionszentrums Saar legt den Fokus „auf die Individualität aller“, indem über Kurse, individuelles Training, Rehasport, Präventionskurse und Personal Training für jeden Trainingswunsch oder -bedarf ein passendes Angebot entwickelt wird.

Dabei setzt das Team auf alltagsnahe komplexe Bewegungsabläufe, die auf die Individualität der Kundinnen und Kunden zugeschnitten werden, und berücksichtigt qua Konzept ein sehr breites Spektrum möglicher Zielgruppen.


Interview zum Thema

Die medical fitness and healthcare hat Jesper Morsch, Geschäftsführer der Physiotherapiepraxis und des Präventionszentrums, gefragt, wie dieses Konzept entstanden ist und wie es in der täglichen Praxis umgesetzt wird.

Indem Sie auf das Bild oberhalb dieses Textes klicken, gelangen Sie direkt zum Interview.


Literaturliste

Deutscher Bundestag (Hrsg.) (2022). Vor 25 Jahren: Bundestag verabschiedet Rentenreformgesetz. Zugriff am 06.04.2023.
DSSV e. V. – Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (Hrsg.). (2023). Eckdaten der deutschen Fitnesswirtschaft 2023. Hamburg: Hrsg.
Robert Koch-Institut. (2016). Gesundheitsmonitoring: Gesundheit im Alter. Zugriff am 06.04.2023.
Sörensen, A. & Wolff, J. (2023), „Up to age“: Zielgruppen versus Lifestyle. fitness MANAGEMENT international, 1 (165), 24–33.
Statistisches Bundesamt (Destatis) (2023). Bevölkerung nach Altersgruppen. Zugriff am 06.04.2023.
Thum, B. (2023). Generationsübergreifend begeistern. fitness MANAGEMENT international, 1 (165), 84–87.

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