Die Bedeutung der Konsumverhaltensforschung
Die Fitnessbranche ist auf einem guten Weg, sich von der Krise zu erholen. Während sich wichtige Kennzahlen wieder in eine positive Richtung entwickeln, zeigt sich gleichzeitig, dass insbesondere ältere Mitglieder dem Training auch nach Wegfall der Corona-Beschränkungen fernbleiben. Nicht nur das Kommunikationsverhalten der Fitnessanlagen kann hierfür verantwortlich sein. Auch fehlt es an einem tiefgehenden Verständnis für die Mitglieder. Nur aber wenn diese ganzheitlich in ihrem Denken, Fühlen und Handeln verstanden werden, können Betreibende von Fitnessanlagen zielgruppenadäquat und erfolgreich am Fitnessmarkt agieren.
Die Eckdatenstudien zur deutschen und auch zur Schweizer Fitnesswirtschaft zeigen: Die Branche ist auf einem guten Weg, sich von der Corona-Krise zu erholen. Nach starken Rückgängen in den vergangenen beiden Jahren entwickeln sich wichtige Kennzahlen wieder in eine positive Richtung: Mitglieder kommen zurück in die Studios, Neukund:innen wollen aktiv etwas für ihre Gesundheit tun. (Lesen Sie dazu: 'Visitenkarte der Branche' und 'Eckdaten Schweiz')
Ältere Mitglieder bleiben häufiger fern
Was in diesem Zusammenhang aber auffällt: Das Durchschnittsalter der Mitglieder sinkt. Zum Stichtag 31. Dezember 2021 liegt das durchschnittliche Alter der Fitnesstreibenden bei 40,5 Jahren (DSSV, 2022) und zeigt sich damit erstmals seit 2016 sinkend. Diese Entwicklung lässt sich insbesondere auf das Fernbleiben der älteren Mitglieder zurückführen.
Lange wurde gerade an Ältere als vulnerable Zielgruppe nachdrücklich appelliert, sich bestmöglich vor einer Infektion mit COVID-19 zu schützen. Dies hat zur Folge, dass sie neben vielfältigen anderen Aktivitäten auch dem für sie so wichtigen Training in Fitness- und Gesundheitsanlagen fernbleiben. (Lesen sie auch: 'Fitte Senioren im Studio')
Während mit Wegfall der Corona-Maßnahmen wieder vermehrt Menschen in die Studios strömen, kommen die Älteren noch nicht zurück. Schuld ist nicht nur die noch immer hohe Inzidenz, sondern vielfach auch das (Kommunikations-)Verhalten der Betreiber:innen von Fitnessanlagen selbst.
Kommunikationsverhalten der Anlagen zielgruppenadäquat?
Eine Betreibendenbefragung durch die Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) im Juni 2021 – also nach dem ersten Lockdown – zeigt, dass 93,4 Prozent der Betreiber:innen der Meinung waren, aufgrund der Corona-Krise ihren Social-Media-Auftritt verbessert zu haben – im digitalen Zeitalter eine durchaus positive Entwicklung.
Aber: Reflektieren Betreiber:innen die eigenen Kommunikationsmaßnahmen kritisch, sollte nicht selten auffallen, dass diese hauptsächlich, wenn nicht sogar ausschließlich, online stattfinden.
Wer sowohl die Frage nach der Kommunikation über „klassische“ Medien wie Zeitungen als auch über telefonische Rückfragen bei Mitgliedern verneinen muss, der könnte an dieser Stelle erkennen, dass sich gerade die älteren Mitglieder vernachlässigt fühlen oder schlichtweg den Einstieg in ein regelmäßiges Fitnesstraining allein nicht mehr finden.
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Häufig ist der (Wieder-)Einstieg in eine Aktivität – hier das Training – der schwerste Teil und Fitnessanlagen tun gut daran, ihren Mitgliedern dabei aktiv Hilfestellung zu leisten. Damit dies gelingt, muss aber überhaupt erst das Problem erkannt werden.
Mitglieder verstehen – essenzieller denn je
Unter anderem gilt es zu verstehen, welche Motive einem Training zugrunde liegen. Diese Motive sollten zugeschnitten auf die entsprechende Zielgruppe und angepasst an den Rahmen der Kommunikationsstrategie übermittelt werden. Beispielsweise könnte angenommen werden, dass gerade ältere Menschen gesundheitliche Motive wie Krankheitsprävention oder den Erhalt einer gewissen Flexibilität als übergeordnete Treiber für ein Fitnesstraining sehen.
Jüngere hingegen könnten Motiven, die die körperliche Ästhetik betreffen, einen höheren Stellenwert beimessen. Derartige Vermutungen sollten aber unbedingt empirisch belegt und nicht einfach nur per se angenommen werden.
Verkennt eine Fitnessanlage etwaige Motivwidersprüche zwischen den Altersgruppen und wirbt beispielsweise mit Bildern, die auf die Ästhetik durch Training abzielen, könnten sie damit ein ablehnendes Verhalten der älteren Zielgruppe hervorrufen. Neben den Motiven gilt es darüber hinaus auch Barrieren zu identifizieren, die Mitglieder daran hindern, wieder in das Training einzusteigen.
Für Betreiber:innen wäre es beispielsweise wesentlich zu erfahren, ob die älteren Mitglieder vielleicht aufgrund fehlender Kommunikation seitens des Studios schlichtweg nicht wissen, wie und unter welchen Bedingungen wieder trainiert werden kann.
Vielleicht haben die älteren Trainierenden auch noch immer ein stark erhöhtes Sicherheitsbedürfnis, das es durch etablierte Sicherheitsmaßnahmen zu erfüllen gilt. Dies sollte auch entsprechend kommuniziert werden. Nur dann, wenn die Barrieren tatsächlich identifiziert sind, können sie seitens der Fitnessanlage auch durch angemessene Kommunikation abgebaut werden.
Konsumverhaltensforschung in der Fitnessbranche
Die Konsumverhaltensforschung hilft, das Denken, Fühlen und Handeln der Mitglieder sowie der potenziellen Kundschaft zu verstehen. Damit liefert sie eine wichtige Basis, um richtig zu kommunizieren, Mitglieder so (zurück-)zu gewinnen und langfristig zu binden.
Das Konsumverhalten beschreibt das beobachtbare äußere und das nicht beobachtbare innere Verhalten von Menschen beim Kauf und Konsum wirtschaftlicher Güter. Im weiteren Sinne umfasst es auch das Verhalten der Letztverbraucher:innen von materiellen und immateriellen Gütern in einer Gesellschaft (Kroeber-Riel & Gröppel-Klein, 2019).
Damit stellen auch Fitnesstreibende Konsument:innen dar, die die Dienstleistung „Fitness“ konsumieren. Mithilfe der Konsumverhaltensforschung gelingt es, das Warum und das Wie eines Verhaltens zu erklären. Während in der Konsumgüterindustrie die bedeutende Rolle dieser Disziplin längst erkannt worden ist (man denke hier an zahlreiche Untersuchungen aus dem Bereich der Werbewirkungsforschung), fehlt es in der Fitnessbranche vielfach noch an dem Verständnis des Mehrwertes.
Nur dann aber, wenn das Warum und das Wie der Trainierenden durch die Betreiber:innen tatsächlich verstanden und nicht nur gemutmaßt werden, können sie im Marketing, in der Kommunikation, aber auch mit ihrem Leistungsportfolio entsprechend auf die Erwartungen und Wünsche der Kundschaft reagieren und so sich letztlich erfolgreich am Markt aufstellen.
Konkret bedeutet dies, dass für die jeweiligen Altersgruppen genau diejenigen Angebote im Leistungsportfolio der Fitnessanlage vorhanden sind, die die Erwartungen der Zielgruppe auch erfüllen.
Konsistent mit den oben exemplarisch angeführten Motiven würde dies zum Beispiel bedeuten, dass für Ältere rehabilitatives Training, für Jüngere hingegen ein intensives Training kombiniert mit einem zielorientierten Ernährungsplan angeboten wird. Und über die entsprechende zielgruppenadäquate Kommunikation kann dieses Angebot dann auch nach außen vermittelt werden.
Mit gutem Beispiel voran
Mit der „Fitmach-Aktion: fit & gesund im Saarland“ hat die DHfPG in Kooperation mit dem saarländischen Gesundheitsministerium und dem Verein für Prävention und Gesundheit im Saarland (PuGiS) e. V. sowie mit der Unterstützung des Arbeitgeberverbandes deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV) e. V. 1.000 Menschen mit fehlendem oder unzureichendem Bewegungsverhalten den Zugang zu einem regelmäßigen Training ermöglicht. (Lesen Sie dazu: 'Erfolg der „Fitmach-Aktion“')
Über die Online-Kanäle der DHfPG, des Ministeriums und des PuGiS e. V. wurden internetaffine Personen von der Aktion in Kenntnis gesetzt; durch Presseberichte in diversen Zeitungen mit angegebenem Telefonkontakt ist es aber auch gelungen, Personen mit wenig Internetkenntnissen oder gar fehlendem Internetzugang zu erreichen.
Durch diesen Kommunikationsmix konnten Personen zwischen 16 und 90 Jahren als Teilnehmende gewonnen und damit für ein breites Altersspektrum ein wichtiger motivationaler Anreiz zum Training geliefert werden. Das Modellprojekt wurde während der gesamten Projektlaufzeit wissenschaftlich evaluiert, sodass wichtige Erkenntnisse darüber erlangt werden konnten, welches heute die bedeutsamen Treiber eines Trainings gerade auch für ältere Menschen sind.
Die Ergebnisse wurden, mit konkreten Handlungsempfehlungen für Fitnessanlagen, am 7. Oktober auf dem diesjährigen Aufstiegskongress im Mannheimer m:con Congress Center Rosengarten präsentiert. (Lesen Sie auch: 'Starkes Comeback')
Darüber hinaus erhebt die DHfPG aktuell weitere Daten, um der Branche künftig mehr und mehr Einblicke in das Denken, Fühlen und Handeln ihrer (potenziellen) Mitglieder zu ermöglichen und so langfristig eine Basis für eine erfolgreiche Mitgliedergewinnung und -bindung zu schaffen.
Über die Autorin
Prof. Dr. Sarah Kobel promovierte am Institut für Konsum- und Verhaltensforschung an der Universität des Saarlandes. Seit Oktober 2018 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und leitet dort seit Januar 2021 die Abteilung Marktforschung. Seitdem hat sie für Forschungsprojekte mehrere Marktbefragungen unter Studiobetreiber:innen und Fitnesskund:innen begleitet.
Literaturliste
DSSV e. V. – Arbeitgeberverband Deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (Hrsg.). (2022).Eckdaten der deutschen Fitness-Wirtschaft 2022. Hamburg: Hrsg.
Kroeber-Riehl, W. & Gröppel-Klein, A. (2019).Konsumentenverhalten (11., überarbeitete, aktualisierte u. ergänzte Aufl.). München: Franz Vahlen.
Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 05/2022 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.
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