Fitte Senioren im Studio – Welche Ansprache ist die richtige?
Das Durchschnittsalter in Fitness- und Gesundheitsstudios steigt, ältere Menschen sind fitter und gesünder denn je. Das Spannungsfeld zwischen diesem positiven Altersbild und einem Bild, das die körperlichen und kognitiven Fähigkeiten Älterer kritisch beäugt, stellt das Marketing vor Herausforderungen, denn das richtige Adressieren dieser Zielgruppe könnte der Schlüssel zum Erfolg für Unternehmen der Fitness- und Gesundheitsbranche sein.
Die demografische Entwicklung zeigt: Die Deutschen werden immer älter. Allein in den letzten 50 Jahren ist die durchschnittliche Lebenserwartung um 10 Jahre gestiegen. Diese Entwicklung gründet sich auf eine bessere gesundheitliche Versorgung, einen kontinuierlichen medizinischen Fortschritt und den damit verbundenen Rückgang der Sterblichkeit (bpb, 2017).
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Doch nicht nur eine höhere Lebenserwartung zeichnet das künftige Bild der Gesellschaft. Viele Menschen bleiben fit und gesund bis ins hohe Alter. Das gefühlte Alter liegt vielfach 10 bis 15 Jahre unter dem biologischen Alter, was sich auch im Lebensstil und dem Konsumverhalten vieler Älterer manifestiert (Zukunftsinstitut, 2019). Eine Fitnessmitgliedschaft ist längst keine Frage des Alters mehr. Immer mehr Ältere strömen in die Fitness- und Gesundheitsstudios.
Die Zielgruppe der „Älteren“
„Free Ager“, „Downaging“, „Forever Youngsters“ sind Schlagworte, die den Wandel und die Vielfalt des Alters und Alterns beschreiben. Alt ist nicht mehr gleich alt, die „Silver Society“ hat sich als Megatrend in der Gesellschaft etabliert. Der Eintritt in das Rentenalter stellt nicht mehr den Beginn des Ruhestandes sondern den Beginn der Selbstverwirklichung dar – es gilt, lang gehegte Träume zu erfüllen und das Leben zu genießen, weshalb auch besonders auf die Gesundheit geachtet wird (Zukunftsinstitut, 2019).
Von Patienten zu Konsumenten
Waren Ältere einst nur Patienten auf dem Gesundheitsmarkt, hat sich ein Teil von ihnen längst von Patienten zu Konsumenten entwickelt, die Produkte und Leistungen, insbesondere des zweiten Gesundheitsmarktes, häufig auch aus hedonistischen Motiven nachfragen. Im Marketing wird vielfach die Notwendigkeit einer zielgruppenspezifischen Ansprache propagiert, um das zunehmend homogene Leistungsangebot erfolgreich zu vermarkten. Ältere aber werden dabei nur wenig differenziert betrachtet und weitgehend pauschal adressiert – mit fatalen Konsequenzen für Image und Erfolg der Unternehmen, denn vermutlich ist keine Zielgruppe so heterogen wie die der „Älteren“.
Altersbilder in der Gesellschaft
Während das Selbstbild der Älteren der skizzierten Entwicklung gerecht wird, ist das Fremdbild in der Gesellschaft veraltet – im wahrsten Sinne des Wortes. Noch immer werden Ältere mit Adjektiven wie „schwach“, „gebrechlich“, „langsam“ oder „hilfsbedürftig“ assoziiert. Gleichzeitig aber werden Ältere als konsumfreudig und kaufkraftstark erkannt und damit zu einer für Unternehmen durchaus lukrativen Zielgruppe, die bedient werden sollte.
Vermeintlich „seniorengerechtes“ Leistungsangebot
Stereotypisierte Vorstellungen des Alters schlagen sich jedoch vielfach in einem vermeintlich „seniorengerechten“ Leistungsangebot vieler Unternehmen nieder. Stark vereinfachte Produktbeschreibungen, die den reduzierten kognitiven Fähigkeiten der Älteren Rechnung tragen sollen oder verkleinerte Portionen in Restaurants, die dem vermeintlich geringeren Appetit der Älteren zu entsprechen versuchen, stellen nur einige Beispiele dar, weiß Professorin Gröppel-Klein, Direktorin des Instituts für Konsum- und Verhaltensforschung an der Universität des Saarlandes (SaarWirtschaft, 2012).
Gesundheit als Lebensgefühl
Auch im Fitness- und Gesundheitsmarkt finden sich häufig Angebote wie beispielsweise „Seniorenkurse“, die den vermeintlich geringen körperlichen Fähigkeiten der älteren Zielgruppe gerecht werden wollen. Solche Angebote mögen einen gewissen Teil der „Senioren“ ansprechen, jedoch nicht die durchaus gesunden und aktiven Älteren, die Gesundheit nicht als bloße Abwesenheit von Krankheit, sondern als Lebensgefühl verstehen und sich damit noch längst nicht auf dem körperlichen Abstellgleis sehen, auf dem man sie mit solchen Angeboten abholen möchte.
Altersbilder im persönlichen Kundenkontakt
Nicht nur das Marketing, auch der persönliche Kontakt mit älteren Kunden sollte individuell und keinesfalls pauschalisiert erfolgen. Empirische Untersuchungen (z. B. Yu et al., 2014) zeigen, dass Ältere eine hohe Servicequalität in Fitnessstudios schätzen bzw. erwarten. Die wahrgenommene Servicequalität beeinflusst die empfundene Wertigkeit des Fitnessangebots, die Zufriedenheit der Kunden und damit auch deren Intention, das Training auch künftig in ebendiesem Studio zu absolvieren.
Altersstereotypen – Nein Danke!
Bestehende stereotypisierte Vorstellungen über Ältere können das Kommunikationsverhalten allerdings negativ beeinflussen. Betritt ein älterer Kunde oder Interessent das Studio und sieht sich mit einer (bewusst oder unbewusst) von Altersstereotypen geprägten Kommunikation konfrontiert, die sich beispielsweise durch eine vereinfachte, sehr laute oder sehr langsame Sprechweise charakterisiert (Ryan, Hummert & Boich, 1995), so weicht eine professionelle Beratung einem alles andere als kompetenten Beratungsgespräch. Die Folgen: negative Bewertungen, ein negatives Image und schlimmstenfalls sogar der Verlust des (potenziellen) Kunden.
Vom „Grauen Panther“ zum „Golden Ager“
Weg von veralteten Vorstellungen über das Alter(n) – zuerst in den Köpfen und schließlich auch im Marketing: von rostig zu rüstig, vom alten zum heißen Eisen, vom „Grauen Panther“ zum „Golden Ager“. „Man ist nur so alt, wie man sich fühlt“ gewinnt eine völlig neue Bedeutung: Termine online buchen, Facebook checken und digitale Trainingsgeräte nutzen – das alles ist auch für aktive „Golden Ager“ kein Problem.
Das aktive Lebensgefühl unterstreichen
Die Zeitspanne zwischen Renteneintritt und Lebensende verlängert sich, sie wird aktiver und gesünder gestaltet. Diese verlängerte Zeit, gepaart mit der Offenheit Älterer, Neues zu probieren sowie der körperlichen Fähigkeit, dies auch zu tun, öffnet Fitness- und Gesundheitsanbietern den Raum für vielfältige und differenzierte Angebote, um genau dieses aktive Lebensgefühl zu unterstreichen. Fitness? Gerne! Aber eben präventiv statt reaktiv.
Fazit
Die gesteigerte Lebenserwartung sowie eine hohe Kaufkraft und Konsumfreudigkeit machen die „Älteren“ zu einer attraktiven Zielgruppe für Unternehmen der Fitness- und Gesundheitsbranche. Die Etablierung der „Silver Society“ als Megatrend und die damit einhergehende Individualisierung innerhalb dieser Gruppe aber zeigt, dass das Alter längst kein Segmentierungskriterium mehr darstellt, an dem sich Unternehmen orientieren sollten.
Werte, Überzeugungen und Konsummuster (Zukunftsinstitut, 2019) stellen sich als weit Erfolg versprechendere Kriterien heraus, um ein neues Bild der „Alten“ zu zeichnen und deren vielfältigen Wünsche und Bedürfnisse verstehen, adressieren und letztlich befriedigen zu können.
Zur Person
M. Sc. Sarah Kobel studierte Wirtschaft und Recht an der Universität des Saarlandes. Sie war von 2012 bis September 2018 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Konsum- und Verhaltensforschung/Lehrstuhl für Marketing an der Universität des Saarlandes tätig und ist seit Oktober 2018 Dozentin und Tutorin an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG)/BSA-Akademie.
Auszug aus der Literaturliste
bpb (2017). Die demografische Entwicklung in Deutschland. Zugriff am 22.01.2019. Verfügbar unter www.bpb.de/politik/innenpolitik/demografischer-wandel/196911/fertilitaet-mortalitaet-migration
Ryan, E. B., Hummert, M. L. & Boich, L. H. (1995). Communication predicaments of aging: Patronizing behavior towards older adults. Journal of Language and Social Psychology, 14, 144–166.
SaarWirtschaft (2012). Der Handel und das Alter. Zweiter Handelskongress Saar. SaarWirtschaft, 12 (2012), 18.
Zukunftsinstitut (2019). Silver Society Glossar. Zugriff am 22.01.2019. Verfügbar unter www.zukunftsinstitut.de/artikel/mtglossar/silver-society-glossar/
Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.
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