Management, Markt | Autor/in: Jürgen Wolff |

Ralf Trierweiler im Interview: „Wir haben erlebt, wie wichtig es ist, als professionelle Branche wahrgenommen zu werden“

Die Gesundheit steht im Fokus. Ralf Trierweiler, Inhaber der juka dojo Fitness Clubs, erklärt im Interview, welchen Nutzen die Eckdaten '23 für Einzelstudios und für die Politik haben und was sich nach der Pandemie für die Mitgliedergewinnung geändert hat.

Eckdaten 2023: Interview mit Ralf Trierweiler

fM: Nehmen Sie regelmäßig an der Befragung zur Eckdatenstudie teil? Und wenn ja, warum?

Ralf Trierweiler: Ja. Ich halte es für wichtig, dass möglichst viele Anlagen ihre Daten einreichen. Nur so entsteht ein Bild unserer Branche, das tatsächlich sowohl den Status quo möglichst relevant und belastbar abbildet, als auch auf dieser Grundlage Entwicklungen bewertbar macht. (Lesen Sie auch: 'Faktor Fitnesstraining')

Welchen Stellenwert hat diese Datenerhebung für die Fitness- und Gesundheitsbranche allgemein und wie nutzen Sie die Marktanalyse speziell für Ihr Unternehmen?

Wir haben in den letzten Jahren erlebt, wie wichtig es ist, dass wir als seriöse und professionelle Branche wahrgenommen werden. Die Studie gibt einen super Einblick in die Zahlen und vor allem die Entwicklungen der Branche. Gerade im Dialog mit der Politik ist es wichtig, valide Daten vorzulegen.


 

Über den Interviewpartner

Ralf Trierweiler, Jahrgang 1974, verheiratet und Vater von drei Kindern, machte sich 1998 nach dem Studium zum Diplom-Sportwissenschaftler in der Betrieblichen Gesundheitsförderung selbstständig. 2004 begann er seine Tätigkeit im juka dojo Nienstedten zunächst als Fitnessberater.

2008 übernahm er die Clubleitung; seit 2011 ist er als Partner des Gründers Manfred Kartheuser Gesellschafter des Unternehmens. Ralf Trierweiler liebt die Arbeit mit Menschen und investiert viel Zeit in die Formung und Entwicklung seines Teams.


Ich bin dem DSSV und der DHfPG sehr dankbar, dass sie diesen Aufwand für die Branche betreiben. Für unsere tägliche Arbeit in den Clubs nutzen wir die Eckdaten für den Abgleich mit dem Markt: Wie sind die Entwicklungen, die Trends und wo sind wir im Markt positioniert?

Wie erleben Sie die derzeitigen Entwicklungen in der Branche?

Ich erlebe eine regelrechte Aufbruchstimmung. Die Lust der Menschen, wieder aktiv zu sein, hat jetzt auch die Fitnessbranche erreicht. Das tut sowohl dem Mitarbeiterteam als auch den Betreibern gut. Begonnen hat diese Entwicklung schon früh im letzten Jahr beim jungen Publikum.

Seit dem Herbst haben nach und nach auch die älteren Interessenten ihre Skepsis verloren und sind wieder aktiv – für ihre Gesundheit. 

Welche Strategie verfolgen Sie und welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um durch die Pandemie verlorene Mitglieder wieder zurückzugewinnen und neue Mitglieder zu akquirieren?

Wir haben in der Pandemie unser Online-Marketing komplett neu aufgebaut. Entscheidend war es, die Kontakte zu sammeln und nach Interessen zu bündeln. Hier haben wir z. B. ein CRM-System etabliert, in dem all unsere Kontakte landen, die über die verschiedenen Kanäle hineinkommen.

Hierzu zählen neben den Mitgliedern und den Interessenten natürlich auch ehemalige Mitglieder, die uns während der Corona-Zeit verlassen haben. Die einzelnen Gruppen schreiben wir immer wieder mit individualisiertem Content und Angeboten an.


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Insgesamt haben wir uns einen Pool von möglichen neuen Mitgliedern geschaffen, der von der Anzahl her deutlich im fünfstelligen Bereich liegt. Mit anderen Worten: Wir haben versucht, Zielgruppenbestand aufzubauen. Dabei ist es im ersten Schritt gar nicht relevant, dass diese Interessenten direkt kaufen, sondern dass wir sie als echt produktinteressiert identifiziert haben. Somit können wir laufend aus diesem Pool Nutzen ziehen.

Uns ist wichtig, bei den verloren gegangenen Mitgliedern immer im Hinterkopf zu bleiben und bei der Überlegung, wieder aktiv zu werden, der erste Ansprechpartner zu sein. Die meisten Kunden haben uns nicht wegen schlechter Leistungen, sondern wegen einer besonderen Ausnahmesituation verlassen.

Kann eine zunehmende Professionalisierung durch Aus- und Weiterbildung für Einzelstudios ein Erfolgskonzept sein?

Unbedingt! Ich erlebe gerade zwei Richtungen in der Branche: Die einen versuchen, mit keinem oder nur noch sehr wenig Personal auszukommen, was in der jetzigen Zeit durchaus ein gutes Konzept sein kann. Die anderen allerdings, die ihr Personal als Wettbewerbsvorteil nutzen wollen, müssen sehen, dass ihre Mitarbeitenden auch wirklich den Unterschied machen.

Genau darauf setzen wir. Wir möchten genau die Zielgruppe ansprechen, die Fitness und Gesundheit will, aber dafür unbedingt herzliche und qualifizierte Menschen braucht, die ihnen beim Training und der Motivation helfen.

Hierfür sind neben den Schulungen zum Thema Training, Ernährung usw. aber auch Schulungen in den Bereichen Dienstleistung und Persönlichkeitsentwicklung wichtig. Weiterbildung ist essenziell für den Club, aber vor allem ist es guten Mitarbeitern wichtig, sich stetig weiterzuentwickeln.

Würde man ihnen die Möglichkeit nicht geben, würden sie vermutlich weiterziehen. Für mich ist entscheidend, genau diese Mitarbeitenden zu halten und gute Studierende zu übernehmen.

Wie wichtig ist die nachhaltige Positionierung als Gesundheitsdienstleister für die zukünftige Entwicklung der Branche?

Eine nachhaltige Positionierung sollte unser Anspruch sein. Aus meiner Sicht ist aber nicht entscheidend, dass wir alle zu Gesundheitszentren werden. Wir sollten uns als Branche bei dieser gemeinsamen Mission nicht in Fitnessanbieter oder Gesundheitsanbieter aufspalten lassen.

Es muss deutlich werden, dass das Training an sich einen enormen gesundheitlichen Nutzen hat. Das kann man sowohl in einer Discount- als auch in einer Premiumanlage machen und es hat tolle Effekte auf die Gesundheit, Stichwort Sarkopenie oder Diabetes. Die einzelnen Anlagen entscheiden dann, wo und wie sie ihre Schwerpunkte setzen und was ihr USP ist. (Auch lesenswert: 'Zielgruppenspezifische Verkaufsstrategien optimal einsetzen')

Welchen Stellenwert hat dieser Aspekt der Positionierung für juka dojo?

Neben dem Thema Figur, das indirekt ja auch erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit hat, ist das Thema Gesundheit der wichtigste Grund für unsere Kunden, mit dem Training zu starten. Gerade nach der Corona-Zeit haben sich die Anmeldezahlen von Menschen mit Beschwerden deutlich erhöht.

Diese Zielgruppe ist größer geworden und potenzielle Kundinnen und Kunden müssen uns als Lösungsanbieter für ihr Problem sehen.

Haben Sie für Ihre Studios das Angebot bzw. die Marketingmaßnahmen konkret verändert, um stärker als Gesundheitsdienstleister wahrgenommen zu werden?

Ja. Wir haben verschiedene Online-Funnel zu Gesundheitsthemen aufgebaut. Ferner bewerben wir unsere Paragraf-20-Kurse extern und intern intensiver. Um auch bei den Ärzten für die Gesundheitsthemen mehr in den Fokus zu rücken, haben wir zusätzlich Rehasport fest in unser Angebot integriert.

Was können einzelne Betreiberinnen und Betreiber unternehmen, um diese Entwicklung zu beschleunigen?

In der Werbung funktioniert es optimal, wenn ich statt einer Mitgliedschaft ein Programm über ein paar Wochen bewerbe. Entscheidend ist dann, dass wir die Erfolge, die intern erzielt werden, unbedingt in die Werbung einbauen. Es geht nicht nur darum, dass die eine Person nach dem Programm weitermacht, sie muss Multiplikator für die gute Arbeit des Clubs werden.

Je mehr Erfolge ich präsentiere, desto mehr Vertrauen baue ich bezüglich der Studioleistungen auf. (Lesen Sie auch: 'Wie oft sollte man seine Muskeln trainieren?')

Viele Kunden wünschen sich heute Mitgliedschaften mit kurzen Laufzeiten, was das bisherige Erlösmodell der Studios verändert. Gibt es aus Ihrer Sicht Lösungen, die weiterhin die finanzielle Planungssicherheit gewährleisten?

Seit ich in der Fitnessbranche arbeite, zu Beginn hauptsächlich im Verkauf, werden unsere Zwölf- und 24-Monats-Mitgliedschaften nicht zwingend vom Kunden geschätzt. Das ist auch verständlich, denn lange Laufzeiten allein haben per se für ihn keinen Nutzen.


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Schon immer war es entscheidend, diesen Nutzen für die Kunden mit ihnen gemeinsam herauszuarbeiten. Wenn das gelingt, dann spielt es für 98 Prozent keine Rolle mehr, ob sie monatlich kündigen können oder nicht.

Meine Erfahrung ist, dass der Kunde nicht generell gegen eine längere Laufzeit ist. Wenn er das Vertrauen in die Leistung des Clubs und vor allem in sich als regelmäßig Trainierender hat, ist er gerne bereit, eine längere Laufzeit mit einem Preisvorteil für sich zu wählen.


Weitere Interviews und Hintergründe

In weiteren Interviews sprechen Fabian Menzel und Sven Janus über die Bedeutung der 'Eckdaten '23 der deutschen Fitnesswirtschaft' für sie. Lesen Sie außerdem unseren Artikel 'Aufschwung für die Branche' als Einstieg zu den Interviews.

Indem Sie auf das entsprechende Bild oberhalb dieses Textes klicken, gelangen Sie direkt zum jeweiligen Artikel.


Es kommt darauf an, wie mein Team unseren Kundinnen und Kunden den Mehrwert vermittelt, den wir bieten, und welche Vorteile die Kunden davon haben.

Entscheidend ist also der Einstieg. Hier darf es keine großen Hürden geben. Bei uns startet jedes Mitglied mit einer dreimonatigen Zufriedenheitsgarantie, die es unter bestimmten Voraussetzungen in Anspruch nehmen kann. Das machen allerdings nur zwischen zwei und drei Prozent der Neumitglieder.

Sie könnten auch einen monatlich kündbaren Tarif zu einem deutlich höheren Preis wählen. Die durchschnittliche Laufzeit der Neuanmeldungen liegt bei uns in diesem Jahr aber bei 21 Monaten. Wenn mein Sales-Modell allerdings auf Online-Mitgliedschaften aufgebaut ist, funktioniert das so natürlich nicht.

Die Corona-Pandemie, der Ukrainekrieg und die Energiekrise führen zu Preisanpassungen. Wie gehen Sie damit um und wie kommunizieren Sie diese an Ihre Kundinnen und Kunden?

Bei Einsparungen haben wir gute Erfahrungen damit gemacht, die Mitglieder zu befragen. Gerade bei Energieeinsparungen kamen hier gute Ideen zusammen und man hat für die Umsetzung direkt einen stärkeren Rückhalt, wenn man z. B. die Saunazeiten anpasst und nicht jede Sauna jeden Tag laufen lässt.


Auch interessant: 'DSSV Energiekampagne'


Preisanpassungen sind immer ein großes Thema. Hier bleibt nur eine offene und plausible Kommunikation. Oftmals macht man sich aber zu viele Gedanken, da den Kunden ja bewusst ist, dass alles teurer geworden ist. Entscheidend ist vermutlich, dass der Kunde weiterhin seinen Nutzen für die Dienstleistung erkennt.

Daher ist neben der externen auch die interne Werbung zu Gesundheitsthemen sowie das Kommunizieren des Trainingsnutzens wichtig.

Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 02/2023 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.

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