Fitness, Gesundheit | Autor/in: Anek Sörensen & Jürgen Wolff |

BGM-Managerin des UK Saarland Sarah Staut im Interview: „BGM verbindet die unterschiedlichsten Unternehmensbereiche“

Von der Kfz-Werkstatt über das Sterilgutmanagement bis hin zur Chirurgie: BGM-Managerin Sarah Staut und ihr Team müssen ein vielfältiges Angebot an Maßnahmen für das Universitätsklinikum Saarland entwickeln. Im Interview gibt sie einen Einblick in ihre Arbeit.

BGM boomt: Interview mit Sarah Staut

fM: Seit wann ist das UKS im Bereich BGM aktiv? Wie hat sich das Angebot seitdem entwickelt und welchen Stellenwert hat BGM am UKS heute?

Sarah Staut: Etwa 2016 begann meine Kollegin, die ersten Maßnahmen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung zu entwickeln. Es zeigte sich schnell, dass die Nachfrage der Kolleginnen und Kollegen hier im Hause groß ist, sodass das UKS 2019 einen BGM-Dienstleister engagierte. Bevor die BGF-Maßnahmen zu einem BGM ausgebaut werden konnten, kam Corona dazwischen und alle Maßnahmen wurden gestoppt.


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2021 wurde ich eingestellt, um ein BGM aufzubauen und zu gestalten. In einer Institution von der Größe des UKS ist BGM ein Vollzeitjob. Wir haben einen „Arbeitskreis Gesundheit“ ins Leben gerufen, der regelmäßig tagt, und wir arbeiten vermehrt mit Krankenkassen zusammen, indem wir BGF-Maßnahmen als langfristige Projekte in Kooperation anbieten.

Inzwischen hat das BGM an Fahrt aufgenommen. Wir bieten den Mitarbeitenden eine Vielzahl wöchentlicher Maßnahmen zur Gesundheitsförderung sowie mehrere Projekte, die zielgerichtet auf die spezifischen gesundheitlichen Herausforderungen in den verschiedenen Kliniken und anderen Unternehmensbereichen zugeschnitten sind.

Wie ist das BGM in den Unternehmensalltag der Mitarbeitenden des UKS eingebunden?

Wir haben mehrere Projekte in den Abteilungen des UKS, die in Kooperation mit unserem BGM-Dienstleister sowie Krankenkassen umgesetzt werden. Wir gehen sowohl abteilungsspezifisch als auch klinikspezifisch vor, weil wir auf einem Campus mit fast 7.000 Beschäftigten verschiedenen Ansprüchen gerecht werden müssen.

Mitarbeitende in der Kinderklinik haben beispielsweise andere Bedürfnisse, als Beschäftigte in unserer Wäscherei. Dementsprechend braucht es jeweils spezifische Maßnahmen und spezifische Strukturen. Auch die Kommunikation unserer Angebote ist eine Herausforderung, weil unsere Mitarbeitenden nicht hauptsächlich an PCs arbeiten, sondern operieren, versorgen und therapieren.


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Die Kommunikation über E-Mails funktioniert deshalb nur eingeschränkt, sodass wir auch mit Aushängen und Plakaten arbeiten müssen sowie vor allem über mündliche Kommunikation vonseiten der Führungskräfte.

Ein gutes Beispiel für die komplexen und spezifischen Herausforderungen an unser BGM ist ein Projekt für die Mitarbeitenden im OP, für das wir letztes Jahr vom BBGM ausgezeichnet worden sind.

In den OP-Bereichen sind die Mitarbeitenden sehr vielen Belastungen ausgesetzt, weil sie längere Zeit am OP-Tisch stehen und es durch Klimaanlagen und die sterile Umgebung spezielle klimatische Herausforderungen gibt. Wir sind auf dem Campus in die OP-Bereiche gegangen und haben einen Wochenplan entwickelt, wann wer wie hier am Campus am Training teilnehmen kann.


Über unsere Interviewpartnerin

Sarah Staut, Jahrgang 1993, schloss 2016 erfolgreich den Master of Arts Prävention und Gesundheitsmanagement an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) ab. Von 2017 bis 2021 war sie dort wie auch an der BSA-Akademie als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig.

Als Tutorin, Fachautorin von Studien- und Lehrbriefen sowie als Dozentin lagen ihre Arbeitsschwerpunkte im Bereich BGM. Praktische Erfahrungen im BGM sammelte sie in namhaften Unternehmen unter anderem in den Bereichen Betriebliches Eingliederungsmanagement und psychische Gefährdungsbeurteilung sowie bei der Planung, Umsetzung und Evaluation betrieblicher Gesundheitsprogramme.

Seit Ende 2021 ist Sarah Staut im Betrieblichen Gesundheitsmanagement am Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS) tätig. Das Projekt „Faszientraining in den OP-Bereichen des UKS“ wurde 2022 mit dem Innovationspreis 2022 des Bundesverbandes Betriebliches Gesundheitsmanagement (BBGM e. V.) ausgezeichnet.


Als entlastende Maßnahme haben wir Faszientraining in einem möglichst niederschwelligen Setting angeboten: Training für maximal drei Mitarbeitende, damit die Trainer ganz spezifisch auf die individuellen Belastungen und akuten Verspannungen eingehen konnten.

Wir konnten einen OP-Saal für mehrere Stunden komplett blocken, sodass Mitarbeiter sich aus ihrem OP ausschleusen, sich kurz frisch machen und zum Faszientraining gehen konnten, ohne den sterilen OP-Bereich ganz verlassen zu müssen. In der Zeit sind sie von anderen Kollegen abgelöst worden. Die Mitarbeitenden haben sich im OP abgewechselt, sodass jeder die Möglichkeit hatte, an dem Faszientraining teilzunehmen.

Unabhängig von den spezifischen Projekten bieten wir für alle Mitarbeitenden wöchentlich Maßnahmen an, die wir nach der Arbeitszeit oder während der Pausen hier auf dem Campus durchführen. Das sind z. B. Kurse für progressive Muskelrelaxation, Yoga oder Qigong, die in Richtung psychische Gesundheitsförderung gehen. Dafür haben wir unsere festen Trainer.


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Auch mit Blick auf den demographischen Wandel und den zunehmenden Wettbewerb um Fachkräfte setzt das UKS darauf, das Onboarding neuer und die Bindung bestehender Mitarbeitender weiter zu verbessern und dabei das BGM frühzeitig einzubinden. BGM ist eine Möglichkeit, unterschiedliche Unternehmensbereiche durch viele Stellschrauben miteinander zu verbinden.

Es ist mir ein besonderes Anliegen, gemeinsam mit Kollegen und externen Dienstleistern bei Führungskräften der unterschiedlichen Bereiche ein gemeinsames Verständnis für gesunde Führung zu entwickeln und Schnittstellen zu optimieren.

Gibt es bestimmte Angebotsschwerpunkte aus den Bereichen BGF und BGM, die von den Mitarbeitenden im UKS besonders nachgefragt werden?

Rückentraining und Yoga, d. h. bei Entspannungsverfahren und Angeboten zur Belastungsreduktion für den Rücken haben wir die größte Nachfrage. Mit den Maßnahmen setzen wir dementsprechend schwerpunktmäßig bei der Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen an und führen abteilungsspezifisch neben Ausgleichsübungen auch Ergonimieberatungen am Arbeitsplatz durch.

Weitere Themen sind Ernährung, Stressmanagement und auch Suchtprävention, für die wir einen Arbeitskreis Sucht gründet haben. Generell ist die Nachfrage in einem Betrieb von der Größe des UKS mit so vielen unterschiedlichen Tätigkeiten von der KFZ-Werkstatt über das Sterilgutmanagementbis hin zur Chirurgie entsprechend vielfältig.

Auch psychische Belastungen gewinnen immer mehr an Bedeutung. Im Zuge von Gefährdungsbeurteilungen kommen vermehrt Hinweise und Anfragen vom Arbeitsschutz, dass Maßnahmen im Bereich der psychosozialen Gesundheitsförderung, Resilienztraining und Maßnahmen im Konfliktmanagement benötigt werden.

Arbeiten Sie mit Fitness- und Gesundheitsanlagen zusammen?

Bisher noch nicht. Für mich wäre die Kooperation mit Studios auf jeden Fall erstrebenswert und unsere Personalleitung befürwortet Kooperationen ebenfalls. Es gab bereits erste Gespräche mit potentiellen Anbietern, die wir 2024 gerne fortsetzen und zu einem Ergebnis führen wollen.


Weitere Interviews und Hintergründe

In weiteren Interviews sprechen Anke Mächler-Poppen (DHfPG), Hannes Schröder (outness) und Dr. Matthias Zimmermann (Racket Center Nußloch) über das Potenzial von BGM in der Fitness- und Gesundheitsbranche. Lesen Sie außerdem unseren Artikel 'BGM boomt' als Einstieg zu den Interviews.

Indem Sie auf das entsprechende Bild oberhalb dieses Textes klicken, gelangen Sie direkt zum jeweiligen Artikel.


Firmenfitnesskooperationen sind für mich ein wichtiges Anliegen, weil sie für Unternehmen auch steuerliche Vorteile haben können. Für Arbeitgeber ist Firmenfitness zudem ein klarer Attraktivitätsbonus. Im Moment machen wir alles hier vor Ort. Wir nutzen Räume in der Orthopädie und im Physiobereich für unsere Yoga- und Rückenkurse.

Gesundheitszentren und Fitnessstudios bringen genau die Infrastruktur mit, die uns fehlt: Kursräume, Trainingsgeräte, Duschen, Umkleiden etc. Studios würden unser Angebot perfekt ergänzen.

Welche Voraussetzungen müssen in Partnerstudios gegeben sein, damit alle Beteiligten von einer Kooperation profitieren?

Räumlich und von der Geräteausstattung her muss bei potenziellen Partnerstudios eine gewisse Infrastruktur vorhanden sein. Flexibilität bei den Öffnungszeiten wäre für uns als Klinikum wichtig, weil viele Mitarbeitende im Schichtdienst arbeiten und manche vielleicht direkt nach der Nachtschicht oder am Wochenende trainieren möchten.

Von Vorteil ist auch eine räumliche Nähe zur Uniklinik, weil wir ein großes Einzugsgebiet haben. Unsere Mitarbeitenden leben über das Saarland verteilt sowie auch in Rheinland-Pfalz und Frankreich. Mehrere Kilometer extra kommen für viele nicht infrage. Studios könnten hier z. B. von der Zusammenarbeit mit Aggregatoren profitieren.

Welche Fähigkeiten und Ausbildungen haben sich für Sie als besonders wertvoll für das BGM herausgestellt?

In meinem Bachelor- und insbesondere meinem Master-Studium Prävention und Gesundheitsmanagement an der DHfPG habe ich die Kompetenzen fürs BGM erworben, die für meine Tätigkeit am UKS unabdingbar sind.

Wer im BGM tätig werden will, sollte entweder ein Studium abgeschlossen haben oder sich durch BSA-Lehrgänge, wie z. B. „Fachkraft Betriebliches Gesundheitsmanagement (IHK)“ oder „Betriebliche/r Gesundheitsmanager/in“, weiterbilden. Ohne fundierte Qualifikation in den Handlungsfeldern geht es nicht. Auch die BGM-spezifische Ausbildung unserer Trainerinnen und Trainer ist unabdingbar.

Zudem ist Projektmanagement wichtig. Man sollte Projekte anstoßen und mit Budget umgehen können sowie wissen, wie und aus welchen Quellen man ein Budget entwickelt oder z. B. durch die Kooperation mit Krankenkassen mitfinanzieren lässt.

Im BGM muss man sich auf verschiedenen Ebenen fort- und weiterbilden und in verschiedene Richtungen denken: Im Bereich projektorientiertes Vorgehen hat mir das Wissen aus dem Master-Studiengang sehr geholfen. Wenn es dann in die Handlungsfelder geht, braucht man weitere Qualifikationen, wie im Bereich psychosoziale Gesundheitsförderung, Bewegung etc.


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Meine Studiengänge haben sich bewährt, weil ich durch die vielen Module sowohl im Bereich BGM als auch in Ernährung, Bewegung und Psychologie fundiertes Wissen habe. Darüber hinaus werde ich durch die Mitgliedschaft beim BBGM immer auf dem Laufenden gehalten.

Man braucht Hard Skills, wie z. B. das Wissen, wie ein BGM abläuft, aber auch Soft Skills, wie eine gute Kommunikation, einen empathischen Umgang mit Menschen und viel Motivation.

In welchen Bereichen des BGM sehen Sie das größte Potenzial für die Zukunft?

Wenn ich unabhängig vom UKS out of the box denke, hat das Thema psychosoziale Gesundheitsförderung sehr großes Potenzial. Corona hat durch Isolation, Druck und Ängste viel mit uns gemacht. Die Arbeitswelt 4.0, immer wieder neue Softwares, neue Anwendungen, Überforderung und der enger werdende personelle Ressourcen sorgen für psychischen Druck. Deswegen sehe ich großen Handlungsbedarf im Bereich Psyche.


Aufstiegskongress 2023: Fitnessbranche und BGM

Auf dem Aufstiegskongress vom 6. bis 7. Oktober 2023 in Mannheim werden in der Gesprächsrunde „Ansätze für Fitnessbetriebe zum Einstieg in den BGM-Markt“ unter anderen mit Anke Mächler-PoppenDr. Matthias Zimmermann und Philipp Hartewig, MdB, die Frage diskutieren, welche Zugänge es für Fitnessstudios zum BGM-Markt gibt und wie sie Programm umsetzen bzw. ausbauen können.

Philipp Hartewig und Prof. Dr. Axel Plünnecke erläutern in ihrem Vortrag „Fachkräfte sichern – Warum BGM für Unternehmen immer wichtiger wird!“, wie die Fitnessbranche als Dienstleister für Unternehmen und Beschäftigte wichtige Impulse für die Zukunftssicherung des Standorts Deutschland geben kann.

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