Fitness, Gesundheit, Markt | Autor/in: Carolin Schmidt, Florian Schmidt |

Prof. Dr. Julia Krampitz im Interview: „Das eigene Spektrum zwischen höchster Anspannung und tiefster Entspannung kennen.“

Körper und Geist bedingen sich gegenseitig. Wie können Fitness- und Gesundheitsanlagen dieses Embodiment für sich nutzen? Prof. Dr. Julia Krampitz erklärt, wie eine Stressreaktion entsteht und wie man ihr entgegentritt, wenn sie überhandnimmt.

Prof. Dr. Julia Krampitz: Die Schwerpunkte der Dozentin der DHfPG und Referentin der BSA-Akademie liegen in der Integration von gesundheitsbewusstem Verhalten in den Führungs- und Arbeitsalltag, in der psychosozialen Gesundheit im Betrieb sowie in der Wirksamkeit von Entspannungsverfahren.

fM: Mens sana in corpore sano. Was sagt die Wissenschaft zu dieser Redewendung? Und wieso werden ganzheitliche Betreuungsansätze in diesem Kontext für Studios immer wichtiger?

Prof. Dr. Julia Krampitz: Unser körperlicher Zustand beeinflusst unsere Psyche, das stimmt! Dieser Forschungsschwerpunkt, auch als Embodiment bezeichnet, findet im Gesundheitswesen wie auch in der Therapie und dem Coaching Anwendung.

Denn unsere Psyche beeinflusst den Körper wie auch unsere Körperhaltung oder Mimik unsere Gefühle oder Stimmungen. Die Embodiment-Perspektive erweitert daher den Kompetenzbereich im Gesundheitswesen hin zu mehr Ganzheitlichkeit.

Durch das Einbeziehen des Embodiment-Ansatzes lässt sich eine Fähigkeit vermitteln, die ein nachhaltig gelingendes Selbst- und Ressourcenmanagement ermöglicht.

Sich körperlich auspowern, gleichzeitig auch mental abschalten und den eigenen „Akku“ wieder aufladen. Wie können Trainerinnen und Trainer Mitglieder mit diesen Trainingsmotiven künftig noch besser unterstützen?

Leistung, ob körperlich oder geistig, löst immer eine Stresskaskade aus. Dabei wird u. a. das Stresshormon Kortisol ausgeschüttet. Das ist prinzipiell positiv und macht uns leistungsfähig. Wird es uns aber „zu viel“, kann unser Körper das Kortisol nicht mehr abbauen, was gesundheitsschädlich und vor allem leistungsmindernd wirkt. Das bedeutet also: Erholungsfähigkeit ist die Voraussetzung für Leistungsfähigkeit. (Lesen Sie auch: 'Regelmäßiges Training unter den Top 3 zum Stressabbau')

Trainer und Trainerinnen im Studio können ihre Kundschaft mit praktischen Tipps beim „Abschalten“ unterstützen. Erstens: Routinen etablieren, z. B. jeden Arbeitstag auf dieselbe Art und Weise starten und beenden.


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Zweitens: „Schleusen“ nutzen, d. h. den Arbeitsweg hin und zurück einsetzen, um sich mental auf den Tag einzustellen und ganz bewusst wieder abzuschalten. Drittens: Bewegung, sprich die regelmäßige Trainingseinheit im Studio nutzen, um Stress aktiv abzubauen. (Lesen Sie auch: 'Mit den richtigen Anti-Stress-Tipps entspannen und langfristig gesund bleiben')

Das optimale Zusammenspiel zwischen mentaler und körperlicher Fitness ist kein Selbstläufer. Wie kann eine perfekte Symbiose aus An- und Entspannungsangeboten geschaffen werden?

Wer körperlich gesund und fit sein möchte, muss das eigene Spektrum zwischen höchster Anspannung und tiefster Entspannung kennen. Fitness- und Gesundheitsstudios können durch Entspannungstrainings den Teilnehmenden systematisch eine Entspannungsmethode bzw. eine Entspannungstechnik zur selbstständigen und alltagstauglichen Anwendung vermitteln.

Insbesondere nach einem stressigen Arbeitstag können Trainierende durch konzentrierte Körperarbeit, z. B. über einführende Atemübungen, den Einstieg in die Entspannung finden. Wichtig ist für Trainer vor allem, einen von Stress geprägten Lebensstil zu erkennen.


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Mögliche Anzeichen sind: Empfinden oder Erfahren dauernden Zeitdrucks, Äußerungen, dass es schwerfällt zu entspannen oder sich eine „Gegenwelt“ zu schaffen, kein Ausstrahlen von Lebensfreude.

Welche zusätzlichen Angebote braucht es Ihrer Meinung nach, um auf die wachsenden gesellschaftlichen Herausforderungen und steigenden Mitgliederansprüche reagieren zu können?

Aus meiner Sicht braucht es eine verstärkte zielgruppenspezifische Kommunikation. Hierbei sollte ich die Perspektive meines Gegenübers ohne vorschnelle Bewertung einnehmen und grundsätzlich akzeptieren, um darauf aufbauend ein ganzheitliches und passgenaues Angebot hinsichtlich individueller Bedürfnisse, Wünsche, Sorgen und alltäglicher Herausforderungen zu entwickeln.

Ein weiterer Aspekt ist die Motivation. Trainerinnen und Trainer sollten in einem wertschätzenden, an Empathie geknüpften Gespräch dem Thema Motivation mit der Warum-Frage begegnen. Erst wenn wir das Warum kennen, können wir die Kundschaft dabei unterstützen, eine Antwort zu finden.

Welche praktischen Tools und Kommunikationstipps können helfen, damit Mitglieder eine enge, vertrauensvolle Bindung zum Trainer aufbauen?

Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist hier die Coaching-Haltung: Die Kundschaft fasst nur dann Vertrauen und den Mut, selbst offen und echt zu sein, wenn sie diese Haltung bei ihren Trainern spürt. In der Praxis kann dieser sogenannte gute Draht nur dann hergestellt werden, wenn eine wertschätzende und „wohlige“ Gesprächsatmosphäre herrscht, die als Nährboden zur Reflexion des Gesundheitsverhaltens, der Kräfte und Potenziale dient. (Auch lesenswert: 'Tools und Erfolgsstrategien für mehr Resilienz')

Methoden wie das aktive Zuhören und das Spiegeln auf der inhaltlichen, stimmlichen und körpersprachlichen Ebene können diese Haltung dabei unterstützen.


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In weiteren Interviews sprechen Elisabeth Graser und Prof. Dr. Sabine Kind über die Portfolioerweiterung mit Entspannungsangeboten in den Studioalltag. Lesen Sie außerdem unseren Artikel 'Körper & Geist' als Einstieg zu den Interviews.

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