Gesundheit, Management, Markt | Autor/in: Nicolai Rolli |

Strategien für Recruiting und Mitarbeiterbindung: Dem Fachkräftemangel aktiv begegnen!

Der Fachkräftemangel in der Gesundheitsbranche hat sich durch die Corona-Pandemie weiter verschärft. Aktuelle Entwicklungen zeigen, dass immer mehr Branchenmitarbeitende darüber nachdenken, sich beruflich umzuorientieren. Die Unternehmen brauchen deshalb mehr denn je ganzheitliche und nachhaltige Strategien zur Gewinnung und Bindung von Mitarbeitenden.

Dem Fachkräftemangel aktiv begegnen!

Der Fachkräftemangel ist in der Gesundheitsbranche schon lange ein großes Problem (Kreis, 2021), welches sich durch die Corona-Pandemie weiter verschärft hat. In den letzten beiden Jahren hatten viele Unternehmen mit neuen Herausforderungen zu kämpfen.

„The Great Resignation“ beschreibt das branchenübergreifende Phänomen, dass weltweit immer mehr Beschäftigte ihren Arbeitsplatz zunehmend kritisch hinterfragen und nach alternativen Jobmöglichkeiten suchen (Johnson, 2022). Diese wachsende Wechselbereitschaft der Mitarbeitenden macht insbesondere Physiotherapieeinrichtungen derzeit zu schaffen. (Lesen Sie auch: 'Wir sind Teil der Lösung')

Akuter Fachkräftemangel vs. steigender Personalbedarf

Durch diese Entwicklungen haben viele Praxen zunehmend mit Personalengpässen zu kämpfen und können vakante Stellen nicht oder nur mit sehr viel Mühe und Aufwand besetzen.

Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Therapie- bzw. Gesundheitsdienstleistungen und der organisatorische Aufwand im Praxismanagement nimmt stetig zu (Tetzlaff, 2020).

Dieser Spagat ist für Unternehmen mit einer „dünnen Personaldecke“ eine große Belastungsprobe, die allen Beteiligten in der täglichen Zusammenarbeit viel abverlangt. (Lesen Sie dazu: 'Digitalisierung in der Physiotherapie: Chancen, Potenzial und Herausforderungen')

Umso wichtiger ist es, diesen personellen und unternehmerischen Herausforderungen mit ganzheitlichen Strategien und neuen Lösungsansätzen zu begegnen. Diese gliedern sich in zwei zentrale Bereiche, die eng miteinander verknüpft sind und deshalb immer gemeinsam betrachtet werden sollten:

Optimierungsstrategien zur Personalgewinnung

Der Personalmarkt hat sich von einem Arbeitgebermarkt (es gibt mehr Bewerber als offene Stellen) hin zu einem Arbeitnehmermarkt (die Anzahl an offenen Stellen ist größer als die Auswahl an Fachkräften) gewandelt. Um im „War for Talents“ zu bestehen, müssen Unternehmen deshalb im Rahmen des „New Hiring“ neue Wege gehen.

1. Arbeitgeberattraktivität steigern und echte Mehrwerte bieten

Wer Fachkräfte gewinnen möchte, muss mehr denn je aktiv auf sich und sein Unternehmen aufmerksam machen und als attraktiver Arbeitgeber im Markt herausstechen. Das gelingt am besten durch attraktive, zeitgemäße Stellenanzeigen sowie ein glaubwürdiges internes/externes Employer Branding (BMWi, 2012; Colbus & Drack, 2020).

Genau an dieser Schnittstelle wird deutlich, warum diese Aspekte niemals isoliert voneinander betrachtet werden sollten – denn Jobsuchende informieren sich häufig umfassend über ein potenziell interessantes Unternehmen. (Lesen Sie auch: 'Know-how, Karriere, Unternehmenserfolg: Qualität durch Qualifikation')


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Recruiting beginnt also nicht bei der Erstellung der Stellenanzeige, sondern bei der ehrlichen Stärken- und Schwächenanalyse des eigenen Unternehmens. Was Sie sich in diesem Zusammenhang fragen sollten:

Welche Werte werden im Unternehmen gelebt? Wie beschreiben Ihre Mitarbeitenden die Arbeitsatmosphäre? Welches Image hat Ihr Unternehmen im Markt? Wie werden Ihre Führung und die interne Kommunikation von Ihrem Team beurteilt?

Tipp: In einem Workshop können Sie die zentralen Attraktivitätsmerkmale Ihres Unternehmens gemeinsam erarbeiten. Entscheidend ist hierbei, dass Sie sich gezielt von den anderen Unternehmen in Ihrem lokalen Markt abheben (durch Mehrwerte wie z. B. Altersvorsorge, BGM-Angebote, flexiblere Arbeitszeitmodelle etc.).

Darüber hinaus helfen gute Bewertungen auf Bewertungsportalen wie Kununu oder eine nachweislich positive Unternehmenskultur (bspw. über das Great-Place-to-Work®-Siegel) nachhaltig, ein positives Unternehmensimage aufzubauen.


Lesen Sie auch: 'Erfolgsfaktor Storytelling'


Ein professioneller (Web-)Auftritt, authentische Geschichten von Mitarbeitenden sowie die transparente Kommunikation einer klaren Unternehmensvision/-mission sind relevante Punkte, die positiven Einfluss auf Bewerber haben und die eigenen Erfolgschancen erhöhen.

2. Umdenken und neue Wege im Recruiting gehen

Eine Geschichte aus meiner Arbeit als Geschäftsführer für ein deutschlandweit tätiges Physiotherapie-Lizenzkonzept im Zweiten Gesundheitsmarkt kann als Inspiration dienen, warum Sie in Sachen Personalgewinnung häufiger auch „out of the box“ denken sollten:

Ein Patient begann während seiner erfolgreichen Behandlung in dem angeschlossenen Selbstzahlerbereich zu trainieren. Er war so begeistert von der Praxis und dem Training, dass er mehrere neue Mitglieder gewonnen hat und diese auch gern bei den ersten Einheiten unterstützte. Die Praxisinhabenden haben diesen „Fan“ irgendwann angesprochen und gefragt, ob er nicht Lust hätte, eine Trainerausbildung zu absolvieren. Nach erfolgreichem Abschluss hat der ehemalige Patient dann als Trainer in Teilzeit in der Einrichtung begonnen und das Team fortan unterstützt.

Tipp: Durch begeisterte und motivierte Quereinsteigende sowie auch dual Studierende, die gern in der Branche erfolgreich Fuß fassen möchten, können Sie Ihr Team gezielt verstärken.

Die Wichtigkeit der bisher genannten Aspekte ist vielen Führungskräften durchaus bewusst, dennoch werden diese Themen in der Praxis oft nur stiefmütterlich behandelt und so wertvolles Potenzial verschenkt.

Ein zeitgemäßes Bewerbungs- und Personalmanagement braucht professionelle Strukturen, ausreichend Zeit und Budget sowie klare Verantwortlichkeiten (Kanning, 2017). Die eigenen Recruiting- und Employer-Branding-Maßnahmen sollten regelmäßig evaluiert und weiter optimiert werden. (Lesen Sie auch: 'Auf dem Laufenden bleiben')

Bei all diesen Maßnahmen stehen immer die Menschen im Mittelpunkt: Die Gleichung „Leistung gegen Gehalt“ reicht in der modernen Arbeitswelt definitiv nicht mehr aus.

Nur wer aktuelle Bedürfnisse kennt und dafür individuelle Lösungen anbietet, wird langfristig erfolgreich bleiben (Capelan, 2019).

Zielführende Strategien zur besseren Mitarbeitendenbindung

Besser binden statt ständig wieder neu zu suchen! Noch nie war es so wichtig, qualifizierte und motivierte Mitarbeitende im Unternehmen zu halten und ihnen langfristig Perspektiven und Entwicklungschancen zu bieten. Doch wie schafft man solch ein Arbeitsumfeld?

1. Teammitglieder stärkenorientiert einsetzen und langfristig motivieren

Unter dem Titel „Ist es Liebe oder ein Job?“ liefert die Ausgabe 7/2022 des Harvard Business managers zu diesem Thema neue Erkenntnisse und Denkanstöße. Für eine hohe Bindung und Leistungsbereitschaft sind demnach nicht etwa die Bezahlung oder sympathische Kollegen am wichtigsten, sondern die positive Beantwortung der folgenden drei Fragen (Buckingham, 2022):

  • War ich vergangene Woche jeden Tag mit Freude bei der Arbeit?
  • Hatte ich jeden Tag die Möglichkeit, meine Stärken einzusetzen?
  • Gibt mir die Arbeit die Gelegenheit, das zu tun, was ich liebe?

Tipp: Als Führungskraft kommt Ihnen hierbei eine besondere Rolle zu: Sie können der Arbeit mit gemeinsamen Zielen, Visionen und der richtigen Führung nicht nur Sinn geben, sondern Ihrem Team gleichzeitig auch die nötige Unterstützung und optimale Rahmenbedingungen bieten, um die Liebe und Berufung zur Arbeit zu finden bzw. zu stärken.

Ein professionelles Onboarding (Schumann, 2021) und regelmäßige Feedbackgespräche sind gerade mit neuen Mitarbeitenden besonders wichtig. Nur wenn Sie die individuellen Fähigkeiten, Leidenschaften und Bedürfnisse Ihrer Teammitglieder kennen und darauf eingehen, werden Sie diese auch langfristig binden. Sie können bspw. Mitarbeitende noch stärkenorientierter einsetzen, um sie zu fordern und zu motivieren.

Warum rufen Sie nicht kleine Projekte ins Leben, die Ihrem Team wirklich am Herzen liegen? Vor allem Millennials und die Gen Z haben ein großes Interesse daran, zu wachsen und zu lernen. Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten sind dementsprechend weitere „Stellschrauben“, um engagierte Mitarbeitende erfolgreich zu halten. (Lesen Sie auch: 'Wie geht Generationenmix?')

2. Kommunizieren und führen auf Augenhöhe

Eine Unternehmenskultur des Vertrauens und der Transparenz begünstigt die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und stärkt die Loyalität. Sie sollten sich deshalb die Fragen stellen, wie stark Ihnen Ihr Team vertraut und ob alle Mitarbeitenden bei Ihnen das Gefühl haben, offen und ehrlich ihre Meinung sagen bzw. kritische Themen ansprechen zu können.

Nahbarkeit, Berechenbarkeit und positive zwischenmenschliche Beziehungen auf Augenhöhe sind für eine erfolgreiche Zusammenarbeit unabdingbar (Zak, 2017).

Eine aktuelle Befragung von 1.000 Beschäftigten ergab, dass Deutschlands Wunsch-Chef v. a. durch folgende drei zentrale Kernpunkte gekennzeichnet ist (Backovic, 2022):

  • Selbstreflexion
  • Anerkennung zeigen
  • Empathisches Zuhören

Tipp: Alle diese Fähigkeiten sind der emotionalen Intelligenz zuzuordnen und können gezielt geschult und verbessert werden (Capgemini, 2019). Selbstreflexion beginnt da, wo Sie als Führungskraft einen Abgleich zwischen dem machen, wie Sie sich selbst sehen und dem, wie Sie die Mitarbeitenden sehen.

Dies lässt sich über anonyme Befragungen o. Ä. realisieren. Anerkennung zeigen Sie am besten über ehrliches Lob, Feedback und Wertschätzung.

Hören Sie aktiv zu und zeigen Sie in jedem Gespräch Präsenz, Nähe, Empathie sowie echtes Interesse am Gegenüber. So schaffen Sie eine nachhaltige und echte Verbindung zum Team und stärken zwischenmenschliche Beziehungen. (Lesen Sie auch: 'Mitarbeiter- und Teamentwicklung in der Praxis')


Fazit

Diese Ansatzpunkte liefern Ihnen wichtige Impulse, wie Sie wachsende Personalherausforderungen meistern. Kreative Lösungen, attraktivere Rahmenbedingungen und ein motivierendes Arbeitsumfeld mit Zukunftsperspektiven sind entscheidende Erfolgsfaktoren, um dem Fachkräftemangel aktiv zu begegnen und engagierte Mitarbeitende langfristig im Unternehmen zu halten.


Über den Autor

Nicolai Rolli, Diplom-Sportwissenschaftler und Betriebswirt (IWW) ist Dozent an der  Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und Referent an der  BSA-Akademie. Er absolvierte nach seinem Studium eine Ausbildung zum Heilpraktiker sowie ein betriebswirtschaftliches Fernstudium. Aktuell ist er als selbstständiger Coach und Unternehmensberater tätig.


Auszug aus der Literaturliste

Johnson, W. (2022). Die „Great Resignation“ – Das große Missverständnis. Harvard Business manager, 7/2022, 37–39.
Kanning, U. P. (2017). Personalmarketing, Employer Branding und Mitarbeiterbindung – Forschungsbefunde und Praxistipps aus der Personalpsychologie. Berlin/Heidelberg: Springer Verlag.
Kreis, M. (2021). Wachsende Anforderungen an das Praxismanagement: Kundenbindung und Mitarbeiterqualifikation im Fokus. medical fitness and healthcare, 02/2021, 62–63.
Zak, P. J. (2017). The Neuroscience of Trust: Management behaviors that foster employee engagement. Harvard Business Review, 1/2017, 84–90.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

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