Krankenstand im Unternehmen: Was Betreiber wissen müssen
Besonders während der kalten Jahreszeit sehen sich viele Arbeitgeber immer wieder mit Fragen rund um die Anzeige- und Nachweispflicht ihrer Mitarbeiter im Krankheitsfall konfrontiert. Auf was es ankommt und wie Sie sich als Betreiber Diskussionen und Ärger ersparen können, erklärt DSSV-Juristin Gülizar Cihan.
Alle Jahre wieder bereitet das Thema Krankenstand den Unternehmen Kopfschmerzen, denn mit der Kompensation der Arbeitskraft allein ist es nicht getan. Grund genug, die wichtigsten Fragen in den FAQ zu beantworten. (Lesen Sie auch: 'Rechtsberatung beim DSSV')
1. Muss ich meinen Arbeitnehmer bei Krankheit weiter bezahlen?
Die Erkrankung eines Arbeitnehmers ist für einen Betrieb immer eine Herausforderung, da auf der einen Seite der Mitarbeiter ersetzt werden muss. Auf der anderen Seite ist das Unternehmen nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) verpflichtet, das Gehalt weiterzubezahlen, zunächst aber nur für bis zu sechs Wochen.
Sobald der Arbeitnehmer wegen derselben Krankheit länger als sechs Wochen arbeitsunfähig ist, erhält er von seiner Krankenkasse das sogenannte Krankengeld. Der Arbeitgeber muss dann kein Entgelt fortzahlen.
Hinweis: In den ersten vier Wochen der Beschäftigung hat ein Mitarbeiter keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das übernehmen in der Regel dann die Krankenkassen. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses (§ 3 Abs. 3 EFZG).
2. Wie muss die Krankmeldung erfolgen?
Sobald ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, hat er seinem Arbeitgeber dies unverzüglich mitzuteilen. Auch die voraussichtliche Dauer muss bekannt gegeben werden.
Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern, d. h. der Mitarbeiter muss sich nach einer an den Umständen des Einzelfalles festzumachenden Überlegungs- und Prüfungsfrist bei seinem Arbeitgeber melden.
Auf welche Weise die Mitteilung erfolgen muss, ist gesetzlich nicht geregelt.
Auch interessant: 'Mindestlohn: Mini, midi oder mehr?')
Beinhaltet weder der Arbeitsvertrag eine entsprechende Regelung und existiert hierzu auch keine Dienstanweisung, kann der Arbeitnehmer jeden Weg der Kontaktaufnahme wählen.
Hinweis: Haben Sie als Studiobetreiber keine Regelung getroffen, können Mitarbeiter sich per WhatsApp, E-Mail, telefonisch oder auch durch Kollegen oder Verwandte, Bekannte oder Freunde bei Ihnen krankmelden.
Exkurs: Die Bedeutung der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU)
Gemäß §§ 5 und 7 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) stellt die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung das gesetzlich vorgesehene Mittel zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit dar.
Mitarbeiter haben dem Arbeitgeber, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage andauert, am darauffolgenden Arbeitstag eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zugänglich zu machen. Diese Frist von drei Kalendertagen kann vom Arbeitgeber vorab im Arbeitsvertrag kürzer gestaltet werden.
Wichtig: Nachträglich können diese Vorgaben per Dienstanweisung angeordnet werden. Der Arbeitgeber darf die Anweisungen grundsätzlich gegenüber jedem Mitarbeiter individuell gestalten, solange er nicht schikanös und willkürlich handelt.
3. Darf trotz Krankmeldung gearbeitet werden?
Das Wichtigste zuerst: Eine AU ist kein Arbeitsverbot! Wenn sich der Mitarbeiter wieder gesund und arbeitsfähig fühlt, kann er trotz AU-Vorlage wieder zur Arbeit gehen. Einer sogenannten Gesundschreibung bedarf es nicht.
Der Arbeitgeber muss an dieser Stelle aber seiner Fürsorgepflicht nachkommen und sich vergewissern, dass der eigentlich noch krankgeschriebene Mitarbeiter wirklich ohne Einschränkungen arbeiten kann.
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Die Sorge darum, dass die Berufsgenossenschaftsversicherung bei einem Unfall des krankgeschriebenen Mitarbeiters nicht zahlen würde, ist unbegründet.
Nichtsdestotrotz sollte der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mitteilen, dass er frühzeitig an seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird.
4. Was ist die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU)?
Seit Januar 2023 muss die AU nicht mehr in Papierform vorgelegt werden. Statt der Vorlage muss der Mitarbeiter dem Arbeitgeber Bescheid geben, dass die eAU abrufbar ist.
Die Bringschuld des Arbeitnehmers verwandelt sich damit in eine Holschuld des Arbeitgebers. Spätestens an dem auf den dritten Krankheitstag des Arbeitnehmers folgenden Arbeitstag muss der Arbeitgeber die Krankmeldung aber bei der Krankenkasse abrufen können. (Auch lesenswert: 'Bonusprogramme der Krankenkassen: Aktuelle Angebote im DSSV-Check')
Wichtig: Als gesetzlich vorgesehenes Beweismittel wird der Mitarbeiter vom Arzt aber weiterhin eine Papierbescheinigung erhalten. Ansonsten wäre es für den Arbeitnehmer und Patienten nahezu unmöglich zu beweisen, dass er laut behandelndem Arzt arbeitsunfähig ist, wenn dieser beispielsweise vergisst, die Meldung an die Krankenkasse weiterzuleiten.
5. Ab welchem Tag muss die eAU bereitstehen?
Der Arbeitgeber kann nicht wahllos die eAU seiner Mitarbeiter abrufen. Nur dann, wenn der Mitarbeiter ihn darüber unterrichtet, dass er beim Arzt war und dieser ihn für arbeitsunfähig erklärt hat, darf der Abruf seitens des Betreibers stattfinden.
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Ab welchem Tag eine eAU zur Verfügung gestellt werden muss, ist in manchen Konstellationen gar nicht einfach zu ermitteln. Ist nichts Anderes geregelt, gilt nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG, wie zuvor dargestellt, eine Frist von drei Tagen.
Das Gesetz unterscheidet zwischen Kalender- und Arbeitstagen. Konkret muss die Arbeitsunfähigkeit an drei Kalendertagen bestehen. Nur dann ist der Mitarbeiter dazu verpflichtet, am darauffolgenden Arbeitstag eine eAU zur Verfügung zu stellen. (Lesen Sie auch: 'Langen Titel des verlinkten Artikels hier einfügen')
Beispiel: Der Arbeitnehmer arbeitet von montags bis freitags. Erkrankt er an einem Dienstag, muss die eAU am Freitag vom Arbeitgeber abrufbar sein.
Erkrankt der Mitarbeiter am Donnerstag, muss unterschieden werden: War er am Freitag und am Samstag ebenfalls krank, muss die eAU am Montag vom Arbeitgeber abgerufen werden können. War der Arbeitnehmer am Samstag nicht mehr arbeitsunfähig, benötigt er keine eAU. Da für die Vorlagefrist die Anzahl der Kalendertage von Bedeutung ist, bleibt es in diesem Beispielfall irrelevant, ob der Mitarbeiter am Samstag hätte arbeiten müssen oder nicht.
6. Was passiert, wenn die AU gar nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt wird?
War der Arbeitnehmer – trotz Verpflichtung dazu – nicht beim Arzt und es wurde deswegen keine eAU ausgestellt, muss der Arbeitgeber keine Entgeltfortzahlung leisten; er kann den Arbeitnehmer dafür abmahnen und ihm ggf. sogar kündigen. Ob eine (fristlose) Kündigung tatsächlich möglich ist, lässt sich aber nur nach Prüfung des Einzelfalls beurteilen.
7. Ist der Mitarbeiter krank oder macht er 'blau'?
Grundsätzlich hat die ärztliche Bescheinigung in Form der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung per Gesetz (§ 5 EFZG) vollen Beweiswert; d. h., mit Vorlage dieser Bescheinigung beweist der Mitarbeiter, dass er nicht arbeiten kann.
Sollte der Arbeitgeber Umstände vorlegen können, die Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit beinhalten, ist dieser Beweiswert erst einmal erschüttert. Seine dann wiederauflebende Darlegungs- und Beweislast wird der Arbeitnehmer wieder nur durch die Entbindung von der Schweigepflicht seiner behandelnden Ärzte erfüllen können. (Auch interessant: 'Fehlzeitenreports und Studien der Krankenkassen')
Beispiel: Wenn ein Mitarbeiter sich im Studio krankmeldet und Fotos in sozialen Medien postet, wie er zum selben Zeitpunkt in einem anderen Studio trainiert, dürfte der Beweiswert der Krankschreibung erschüttert sein.
Unter bestimmten Umständen kann der Arbeitgeber das ärztliche Attest durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) überprüfen lassen. Voraussetzung für diese Überprüfung und die damit einhergehende Untersuchung des Mitarbeiters ist zum einen, dass dieser gesetzlich versichert sein muss; zum anderen müssen konkrete und schlüssige Zweifel am Mangel der Arbeitsunfähigkeit bestehen.
Entsprechende Zweifel bestehen in der Regel dann, wenn der Arbeitnehmer beispielsweise immer wieder für kurze Dauer und/oder sehr häufig erkrankt oder stets am Ende und am Anfang der Woche krankgeschrieben ist.
Wichtig: Arbeitgeber haben keinen Anspruch darauf, zu erfahren, was der erkrankte Mitarbeiter genau hat. Daher wird auch der Krankheitsgrund nicht in der AU genannt. Krankgeschriebene müssen außerdem nicht zwingend das Bett hüten. Grundsätzlich gilt, dass alles, was die Genesung nicht beeinträchtigt, während einer Krankschreibung erlaubt ist.
8. Wie ist die Regelung für Kinderbetreuung?
Die elterliche Fürsorgepflicht hat immer Vorrang vor der vertraglichen Pflicht, die Arbeit anzutreten. Daher gilt die notwendige Betreuung eines kranken Kindes als unverschuldeter und unvermeidbarer persönlicher Grund im Sinne des § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Damit dürfen in diesen Fällen Arbeitnehmer früher von der Arbeit gehen oder der Arbeit ganz fernbleiben, bei voller Bezahlung.
Eine Eingrenzung dieses Rechts findet nur insoweit statt, als dass man seine Arbeitspflicht nicht unverhältnismäßig lange niederlegt. Bei einem unter zwölf Jahre alten Kind geht man von fünf Tagen aus, die als verhältnismäßig angesehen werden.
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Vorgenannte Geltung des § 616 BGB kann vertraglich ausgeschlossen werden. Dann bekommen Mitarbeiter lediglich Kinderkrankengeld und müssen ab dem ersten Tag der Erkrankung des Kindes eine entsprechende Bescheinigung vom Arzt haben. Vorzulegen ist diese dem Arbeitgeber wiederum an dem Arbeitstag, der dem dritten Krankheitstag des Kindes folgt.
Das Kinderkrankengeld wird dem Arbeitnehmer in der Regel direkt von der Krankenkasse ausbezahlt und beträgt 90 Prozent des Gehaltes.
Wichtig: Alleinerziehende haben seit 2021 einen Anspruch auf Kinderkrankengeld für 60 Tage im Jahr; bei Paaren hat jedes Elternteil einen Anspruch auf 30 Tage. Hat der Mitarbeiter mehrere Kinder, kann er bis zu 65 Tage in Anspruch nehmen – ist er alleinerziehend, dann sogar bis zu 130 Tage.
Über die Autorin
Gülizar Cihan war jahrelang als selbstständige Rechtsanwältin in verschiedenen Fachrichtungen tätig. Gleichzeitig war sie einige Zeit in einem mittelständischen Unternehmen rechtsberatend aktiv. Seit August 2021 gehört sie zur Rechtsabteilung des DSSV und berät die Mitglieder vor allem in verwaltungsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Fragen.
Rechtsberatung für DSSV-Mitglieder
Zu allen rechtlichen Fragen rund um den Studioalltag bietet die Rechtsabteilung des DSSV im Rahmen einer bestehenden Mitgliedschaft die Möglichkeit, eine kostenlose rechtliche Erstberatung in Anspruch zu nehmen.
Darin enthalten sind eine erste Einschätzung der Rechtslage, beispielsweise nach Erhalt einer Attestkündigung, zur Überprüfung von Vertragsklauseln oder zu arbeitsrechtlichen Themen.
Tel.: 040 - 766 24 00, E-Mail: jurist@dssv.de
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