Gesundheit, Management, Markt | Autor/in: Christoph Mundt |

BGM – Berufsperspektiven in der Physiotherapie

Arbeitgebende in der Physiotherapiebranche sind zunehmend gefordert, Tätigkeitsfelder abwechslungsreicher zu gestalten, um Fachkräfte langfristig zu binden. Das Betriebliche Gesundheitsmanagement als Portfolioerweiterung stellt in diesem Zuge eine sinnvolle Ergänzung zum Kerngeschäft, der Patientenbehandlung, dar.

BGM – Berufsperspektiven in der Physiotherapie

Wollen physiotherapeutische Einrichtungen ergänzende, langfristige Perspektiven für Mitarbeitende aufbauen, so ist eine Erweiterung der Angebotsstruktur ein mögliches Mittel der Wahl. Dies setzt allerdings voraus, dass innerhalb der Unternehmen entsprechende personelle Qualifikationen vorhanden sind, um die neu generierten Tätigkeitsfelder mit Beschäftigten zu besetzen.


Lesen Sie auch: 'Portfolioerweiterung'


Arbeitgebende können hierbei auf die Personalmanagementfelder der Organisations- und Personalentwicklung zugreifen. Strategisch lassen sich damit neue Einsatzfelder durch erweiterte Angebotsstrukturen schaffen und gleichzeitig durch eine entsprechende Qualifikation von Mitarbeitenden fachlich optimal besetzen.

Durch die persönliche und fachliche Weiterentwicklung wird eine der wichtigsten Maßnahmen ergriffen, um Mitarbeitende langfristig an das Unternehmen zu binden und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Fachkräftemangel in der Physiotherapiebranche

Wirft man einen Blick auf Daten des Bundesverbandes selbstständiger Physiotherapeuten – IFK e. V. (2020), so ist der Fachkräftemangel innerhalb der Branche deutlich zu spüren. 2019 benötigte eine Praxis für Physiotherapie im Schnitt 189 Tage, um eine offene Stelle zu besetzen.

Rechnerisch kamen im selben Jahr auf jede arbeitslos gemeldete Physiotherapeutin und jeden arbeitslos gemeldeten -therapeuten 3,5 offene Stellen (IFK e. V., 2020).

Betrachtet man das Engagement der Mitarbeitenden, so stellt Gallup in seinem aktuellen State of the Global Workplace Report (2022) heraus, dass in Europa nur ca. 14 Prozent der Mitarbeitenden ihre Arbeit nach eigener Aussage engagiert ausführen. 61 Prozent sind emotional nicht an das Unternehmen gebunden (Gallup, Inc., 2022). Gebundene Mitarbeitende sind allerdings seltener krank und haben ein höheres Arbeitsengagement (Badura, Ducki, Schröder, Klose & Meyer, 2018).


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Arbeitgebende der Fitness- und Gesundheitsbranche sind daher gefordert, sich auf die veränderten Bedürfnisse der Mitarbeitenden einzustellen. (Lesen Sie auch: 'Qualität durch Qualifikation')

Besonders in kleinen Unternehmen müssen praktikable Lösungsansätze gefunden werden, um Personal erfolgreich an das Unternehmen zu binden und darüber hinaus das Engagement zu erhalten bzw. wieder zu fördern. (Lesen Sie dazu: 'Strategien für Recruiting und Mitarbeiterbindung')

Mitarbeitendenbindung erfolgreich gestalten!

Maßnahmen zur Mitarbeitendenbindung lassen sich grob in drei Kategorien einteilen:

  1. Grundlagen der Zusammenarbeit wie das Betriebsklima, der Standort oder auch die Führungskultur
  2. Formale Regelungen wie Arbeitsvertrag, Arbeitszeitmodelle usw.
  3. Die vom Arbeitgebenden gebotene Perspektive und damit die persönliche und fachliche Weiterentwicklung der Mitarbeitenden

Das Modell beruflicher Gratifikationskrisen (Work-Effort-Reward-Imbalance-Modell) von Siegrist (1996) wird in der Arbeitswissenschaft häufig für die Beschreibung der Entstehung von Stress und Unzufriedenheit sowie zur Erklärung der inneren Kündigung und des Stellenwechsels als Folgeerscheinungen genutzt.

Siegrist (1996) spricht von Gratifikationskrisen, wenn eine als hoch erlebte Verausgabung nicht durch adäquate Belohnungen anerkannt wird. Adäquate Belohnungen beziehen sich dabei nicht nur auf den gezahlten Lohn, sondern schließen auch die Aufstiegschancen bzw. beruflichen Weiterentwicklungsmöglichkeiten mit ein.

Die berufliche Weiterqualifikation als Zeichen der Wertschätzung vonseiten Arbeitgebender kann somit einen wichtigen Faktor darstellen, um Fachkräfte zu binden und sich selbst als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren.

Das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) stellt in diesem Zuge für die Physiotherapiebranche nicht nur eine aus Sicht der Organisationsentwicklung spannende und zukunftsträchtige Dienstleistung und somit gegebenenfalls eine sinnvolle Erweiterung des Geschäftsfeldes dar. Es bietet auch für physiotherapeutisches Fachpersonal ein Entwicklungsfeld, welches einen interessanten Ausgleich zur Patientenbehandlung darstellt und – bei Bedarf – eine berufliche Perspektive. (Lesen Sie auch: 'Professionalisierung der Bewegungsförderung')

Qualitätssicherung und Agierende im BGM

Der GKV-Leitfaden Prävention nach Paragraf 20b SGB V ist im BGM bzw. in der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) das verbindliche Planungs- und Umsetzungsdokument für die gesetzlichen Krankenkassen. Der Leitfaden beschreibt neben den Handlungsfeldern und Präventionsprinzipien auch die zur Qualitätssicherung notwendigen Qualifikationen der entsprechenden durchführenden Personen der BGM-Maßnahmen (GKV-Spitzenverband, 2022).

Physiotherapeutinnen und -therapeuten haben die Möglichkeit, sich als kompetente „BGMler“, und Einrichtungen der Physiotherapie als regionale Dienstleistende in den entsprechenden Handlungsfeldern zu positionieren.

Maßnahmen im BGM als Ergänzung zur Patientenbehandlung

Im Arbeitsalltag aller Branchen gehören Muskel-Skelett-Erkrankungen zu den häufigsten Erkrankungsarten, die zudem für einen großen Teil der Arbeitsunfähigkeitstage verantwortlich sind (Badura et al., 2018). In der Regel landen betroffene Patienten irgendwann auch auf der Behandlungsliege einer Physiotherapiepraxis.

Ein erfolgreiches BGM kann hier die Kette der Präventionsstufen schließen. In Betrieben treffen bereits Erkrankte auf eine große Anzahl Gesunder bzw. Beschäftigter, die sich im Frühstadium einer Erkrankung befinden und für die Bewegungsmangel und Fehlbelastungen zum Alltag gehören.


Über den Autor

Christoph Mundt (M. A./M. Sc.) ist Organisationsentwickler, freiberuflicher BGM-Berater, Dozent an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) sowie Referent der BSA-Akademie. Er unterstützt Unternehmen im Aufbau einer gesunden Unternehmenskultur. An der BSA-Akademie ist er innerhalb des BGM-Teams in der Ausbildung von BGM-Multiplikatoren aktiv.


(Physio-)Dienstleistende im BGM müssen die unterschiedlichen Bedürfnisse der Unternehmen erkennen und Maßnahmen zielgruppenspezifisch planen und umsetzen. Dafür sind erweiterte Kenntnisse aus den Arbeitswissenschaften und dem strategischen Aufbau eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements nötig.

Genau hier liegt die große Chance, um fachliche Weiterentwicklung zu fördern und damit auch den Aufbau von Perspektiven für die eigenen Mitarbeitenden zu gewährleisten sowie sich als BGM-Dienstleistungsunternehmen zu positionieren. (Lesen Sie auch: 'Symbiose aus Therapie und Training')

Die „Bewegte Pause“ ist ein Praxisbeispiel aus der BGF. Die Ausrichtung basiert auf der Frage, welche Ausgleichsübungen für die Zielgruppe besonders wichtig sind. Hier können Physiotherapeuten an ihre Erfahrungen aus dem Praxisalltag anknüpfen.

Ein weiteres Thema, zu dem physiotherapeutisches Fachpersonal Betriebe unterstützen kann, sind Ergonomie-Coachings am Arbeitsplatz, in denen individualisierte Übungen direkt mit den Mitarbeitenden im Arbeitsalltag trainiert werden (Mohokum & Dördelmann, 2018).

Qualifikation als Schlüssel zur erfolgreichen Mitarbeitendenbindung

Wollen Arbeitgebende der Physiotherapiebranche Mitarbeitende nun über berufliche Perspektiven erfolgreich an ihr Unternehmen binden und gleichzeitig das spannende Feld des BGM in ihr Portfolio aufnehmen, ergeben sich folgende Schritte: Zu Beginn sollten die bereits vorliegenden Qualifikationen auf Konformität mit dem GKV-Leitfaden Prävention geprüft werden. Dieser kann auf der Website des GKV-Spitzenverbands eingesehen werden.

Anschließend ist innerhalb der Personalentwicklung gezielt Kompetenz im BGM aufzubauen. Neben den handlungsfeldspezifischen Weiterbildungen ist es sinnvoll, sich auch Kenntnisse in der strategischen Planung und Umsetzung von BGM anzueignen. Hier bieten sich z. B. spezifische Weiterbildungen im Bereich BGM auf Basis der Kriterien des Bundesverbands Betriebliches Gesundheitsmanagement (BBGM) an. (Lesen Sie dazu: 'Warum BGM gerade jetzt besonders wichtig ist')

Grundsätzlich sind gerade Physiotherapeutinnen und -therapeuten aufgrund ihrer Ausbildung bereits Fachleute für Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen und können oft mit wenigen Zusatzqualifikationen in das Thema BGM einsteigen (Mohokum & Dördelmann, 2018).

Um den Schritt zum BGM-Dienstleistungsunternehmen für physiotherapeutische Einrichtungen niederschwellig zu gestalten, lohnt es sich, über eine Kooperation mit den gesetzlichen Krankenkassen nachzudenken.

Diese haben durch ihren gesetzlichen Auftrag innerhalb der BGF einen Bedarf an Dienstleistenden, die entsprechende Projekte innerhalb der Kooperationsunternehmen umsetzen.

Arbeitgebende der Physiotherapiebranche können direkt bei den Krankenkassen selbst eine Listung als BGM-Dienstleistungsunternehmen vornehmen oder sich zunächst bei der für ihr Bundesland zuständigen BGF-Koordinierungsstelle informieren.


Fazit

Die Erweiterung des Portfolios um das Thema BGM/BGF und damit die Schaffung von Berufsperspektiven für Mitarbeitende ist für physiotherapeutische Einrichtungen aufgrund der bereits vorhandenen Qualifikationen und Erfahrungen niederschwellig und sinnvoll.

Unternehmen wiederum benötigen im Aufbau und der Umsetzung von BGM-Maßnahmen Unterstützung durch Expertinnen und Experten.

Physiotherapeut ist ein anerkannter und mit dem Thema Gesundheit verbundener Berufsabschluss und bietet dadurch einen hervorragenden Zugang zur Zielgruppe – und für das physiotherapeutische Fachpersonal selbst kann über das BGM ein spannender Ausgleich zur Patientenbehandlung geschaffen werden.


Auszug aus der Literaturliste

BGF-Koordinierungsstellen (2021).Betriebliche Gesundheitsförderung erklärt – BGF Koordinierungsstelle. Zugriff am 07.08.2022.
Gallup, Inc. (2022).State of the Global Workplace Report. Zugriff am 07.08.2022.
GKV-Spitzenverband (2022).Startseite – GKV-Spitzenverband. Zugriff am 07.08.2022.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

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