Fitness, Management | Autor/in: Anke Sörensen |

Bernhard Beidl: „Wegbegleiter für das große Ganze“

Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit: Bernard Beidl schafft Angebote, die zu jedem Mitglied passen, egal welche Altersklasse es ist. Im Interview erklärt er, was einen Coach ausmacht und wie eine Verbindung zwischen den unterschiedlichen Mitgliedern trotz verschiedener Interessen enstehen kann.

Interview Bernhard Beidl 'Alles unter einem Dach'

fM: Der tätowierte Best Ager beim Crosstraining, junge Frauen mit Langhanteln bei Deadlifts und Kniebeugen, Seniorinnen im Zumba-Kurs – beobachten Sie einen Wandel im Lifestyle und im Selbstverständnis Ihrer Mitglieder? Können wir die Studiomitglieder von heute noch genauso adressieren wie vor 20 Jahren?

Bernhard Beidl: Die Veränderung der Fitnessbranche hat nach den Lockdowns nochmals an Fahrt aufgenommen. Immer mehr Menschen nutzen digitale Medien, um vorab zu recherchieren, was der Markt ihnen in Bezug auf Gesundheit bieten kann.


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Meines Erachtens wird ein herkömmliches Fitnessstudio nicht mehr nur als „Muckibude“ gesehen und verkannt, sondern dort mehr Wohlbefinden gesucht und oft auch gefunden. Die Strategie der Studios bzw. der kompletten Branche sollte definitiv ganzheitlicher werden. Der Wunsch, den Geist und den Körper gleichermaßen zu fordern und zu fördern, ist in jeder Altersschicht gewachsen. (Lesen Sie mehr: 'Body & Mind')

Lassen sich die Kundinnen und Kunden heute noch in spezifische Alters- bzw. Zielgruppen unterteilen? Inwiefern muss man Stereotypen in der Denkweise aufbrechen, um für möglichst viele Mitglieder ein passendes Trainingsumfeld und -angebot zu schaffen?

Es wird sichtlich schwieriger, Mitglieder in Zielgruppen zu unterteilen und ist aus meiner Sicht auch gar nicht mehr erwünscht. In meinem Studio und meiner CrossFit® Box sehe ich, wie Teenager den Senioren und Seniorinnen die Hantel in die Hand drücken und umgekehrt. Jeder „performt“ dort nach seinen eigenen Möglichkeiten und für seine eigenen Ziele.

Die entscheidende Maßnahme, die jeder von uns treffen muss, ist es, qualifiziertes Personal zur Verfügung zu stellen. Bei uns bekommt z. B. ein Kraftdreikämpfer einen Trainer oder eine Trainerin mit Kraftdreikampferfahrung und ein Fan von CrossFit® einen erfahrenen CrossFit® Athleten bzw. eine kompetente Trainerin an die Seite gestellt.


Über den Interviewpartner

Bernhard Beidl war 14 Jahre lang im Polizeidienst tätig. Während dieser Zeit wurde er weltweit eingesetzt und bildete als Einsatztrainer Polizisten und Polizistinnen in Taktik, Technik, Sonder- und Amoklagen aus und fort. Danach kündigte er den Staatsdienst, um seine Leidenschaft als Trainer, Coach und Dozent auszuleben.

Zu seinen Klientinnen und Klienten zählen Gesundheitstrainierende, aber auch Nationalspieler, Nationalspielerinnen, Jiu-Jitsu-Weltmeisterinnen und Kraftdreikämpfer. Neben dem Bau seines Trainingscenters „Bernhardtrainiert“ 2014 wurde auch die „CrossFit® Lakefront Box“ ins Leben gerufen. Auf dem „GYM&BOX Areal“ bietet sein Team ganzheitlich mehr Wohlbefinden für alle Alters- und Leistungsgruppen.


Rehabilitationspatienten dagegen trainieren nach der Arbeit mit einem Physiotherapeuten auch mit einem Rehabilitationstrainer weiter. Eine Symbiose aller Trainer und Trainerinnen mit den verschiedensten Stärken sollte das A und O einer jeden ganzheitlichen Anlage im Fitness- und Gesundheitsbereich sein. Denn diese sorgt für ein Umfeld, in dem sich alle wohlfühlen und wachsen können.

Die Bandbreite der Studiobesucher reicht heute von der Generation Z bis zu den Babyboomern. Nutzen Sie für die verschiedenen Mitgliedergruppen unterschiedliche Ansprachen und entsprechende Marketingtools?

Wir haben damit begonnen, über verschiedene Zutrittskarten bzw. Mitgliedschaften für unterschiedliche Uhrzeiten die Kapazitäten des Studios besser auszulasten. So haben Jugendliche die Möglichkeit, eine günstige Abendmitgliedschaft zu erwerben, mit der sie ab 19 Uhr ihr Training starten können, während die ältere Generation auf Frühmitgliedschaften zurückgreifen kann.

Trotz allem forcieren wir mit verschiedenen gemeinsamen Events die Verbindung zwischen all den verschiedenen Mitgliedern.


Lesen Sie auch: 'So geht Generationenmix!'


Für die Generation 50 plus sind Personal-Training-Mitgliedschaften natürlich erschwinglicher als für Jugendliche. Diese Mitgliedschaften helfen dabei, den „inneren Schweinehund“ zu bezwingen und sind ein wichtiger Faktor, um diverse Unsicherheiten oder vielleicht sogar Vorurteile bezüglich eines Fitnessstudios zu bekämpfen.

Des Weiteren ist Personal Training aber auch ein Erfolgsgarant. Ein Training mit einem Trainer oder einer Trainerin zu einem festen Termin bringt nachweislich Erfolg, das zeigt uns die Praxis.

Abgeholt werden Interessenten immer dort, wo sie zu finden sind. Inserate in Bezirkszeitungen haben unseres Erachtens zwar noch Erfolg bei der Generation 60 plus, der größte Teil jedoch erfolgt im ländlichen Bereich durch Mundpropaganda.

Deshalb sollte sich die Fitness- und Gesundheitsbranche eine große Scheibe von der Tourismusbranche abschneiden. „Verdienen“ kommt von „dienen“, das vergessen viele Studiobetreibende. Was man anbietet, sollte man auch dort zeigen, wo die Menschen sich am meisten aufhalten – und das ist heute am Smartphone.

In welchen spezifischen Bereichen haben Sie Ihr Angebot erweitert bzw. in Ihr Portfolio investiert, um „auf der Höhe der Zeit“ zu agieren? Inwieweit grenzen Sie sich dadurch von Ihren Mitbewerbern ab?

Das bereits angesprochene Eins-zu-eins-Personal-Training sowie die Gesundheitsstunde in Kleingruppen sind die beiden Bereiche, die wir im Moment am häufigsten adaptieren und verbessern. Stark gewachsen ist auch das Kindertraining, für das wir in unserem Team eine Fitnesstrainerin/Kinderpädagogin beschäftigen. (Auch lesenswert: 'Fit Kids oder Couch-Potatoes?')

Der Aufbau unserer eigenen Online-Coaching-App ist die größte Abgrenzung von unseren Mitbewerbern und lässt uns wahrlich Grenzen sprengen. Dort verbinden wir Training, Ernährung, Regeneration und Reflexion und können auch weit ab von unserem Standort Klienten und Klientinnen erfolgreich betreuen. Wer diesbezüglich nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit, deshalb lag unser Fokus klar auf diesem Bereich.

Werden die Trainings- und Kursangebote wirklich nur von der ursprünglich anvisierten Zielgruppe genutzt oder mischen sich die Interessen und Ansprüche der Mitglieder inzwischen unabhängig vom Alter?

Eine ganz klare Abgrenzung gibt es nicht, trotz allem gibt es aber natürlich auch Kurse, die auf spezielle Zielgruppen abgestimmt werden. Grundsätzlich jedoch sorgt „alles unter einem Dach“ für ein Miteinander statt Nebeneinander.


Weitere Interviews und Hintergründe

In weiteren Interviews sprechen Tim Josko, Edith Gribs und Thomas Mathes über die generationsübergreifende Ansprache von Mitgliedern. Lesen Sie außerdem unseren Artikel 'Up to age' als Einstieg zu den Interviews.

Indem Sie auf das entsprechende Bild oberhalb dieses Textes klicken, gelangen Sie direkt zum jeweiligen Artikel.


Besonders für mich als mittlerweile 44-Jährigen sind die Gespräche mit Jugendlichen sowie auch mit reiferen Mitgliedern eine Bereicherung. Ich erfahre generationsübergreifend, wo „der Schuh drückt“ und kann sehr gut ableiten, welche Verbesserungen wichtig wären.

Welche Herausforderungen und Chancen gehen mit der steigenden Nachfrage nach individualisierten Konzepten in Sachen Mitarbeiterqualifikation und Weiterbildung einher? Welche Lizenzen sind wichtig, um Kunden optimal abzuholen?

Heute bildet man Menschen nicht mehr zu Trainern und Trainerinnen aus, sondern vielmehr zu Coaches. Ein Trainer sieht z. B. die Muskulatur, ein Coach betrachtet den Menschen als Ganzes.

Deshalb ist es für mich als Studioleiter sowie als Dozent an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement und Referent an der BSA-Akademie extrem wichtig, die von unseren Klientinnen und Klienten geforderte Ganzheitlichkeit zu lehren. Klar gibt es Spezialisten und diese sind auch wichtig, trotzdem darf kein Spezialist das große Ganze aus den Augen verlieren. (Lesen Sie auch: 'Mentale Coaching-Tools für das Personaltraining')

So hat jeder Trainer seine spezifischen Stärken, entweder im Umgang mit Senioren, im Leistungssport oder in der Sportrehabilitation. Aber alle haben auch die Stärke im Umgang mit dem Individuum Mensch. Das ist essenziell.

Wo sehen Sie im Markt Potenzial für weiteres Wachstum? Was müssen Studiobetreiber tun, um von der steigenden Nachfrage nach individualisierten Angeboten auch langfristig zu profitieren?

Das Potenzial liegt für mich definitiv in Ganzheitlichkeit gespickt mit Authentizität und Menschlichkeit. Jedes Unternehmen sollte Menschen finden und ausbilden, die sich nicht nur als Mitarbeiter und Mitarbeiterin sehen, sondern als Wegbegleiter und Wegbegleiterin für das große Ganze, das ganzheitliche Wohlbefinden der Menschen.

Wenn diese darüber hinaus über verschiedene Stärken verfügen, lässt sich ein Team formen, welches jegliche Anforderungen ebenso wie individualisierte Angebote abdecken kann. Wenn der Klient profitiert, profitiert auch das Unternehmen.

Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 01/2023 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.

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