Branchenkonzepte im Praxischeck: Beweglichkeitstraining – mehr als nur Warm-up
Beweglichkeit von Kopf bis Fuß – ein Wunsch, den viele Trainierende mithilfe eines klassischen Dehntrainings erreichen wollen. Oft wird diese Form des Trainings jedoch nur zum Aufwärmen oder im Cool-down eingesetzt und wird selten attraktiv gestaltet. Aber es geht auch anders: Mit einem Beweglichkeitstraining, das effektiv, einfach und vor allem ökonomisch umsetzbar ist.
Dehnen oder nicht dehnen?Wenn es um diese Frage geht, treffen verschiedenste Meinungen aufeinander. Befürworter:innen und Gegner:innen diskutieren dieses Thema immer wieder kontrovers. (Lesen Sie auch: 'Dehnen war gestern')
Regelmäßiges Dehnen der Muskulatur
Dennoch zeigt die Praxis vieler Sportler:innen, „dass regelmäßig und systematisch durchgeführtes Dehnen der Muskulatur ihr physisches und psychisches Wohlbefinden fördert“ (Jakob, Verdonck, Völker & Lengemann, 2013).
Doch trotz dieser positiven Effekte wird das Potenzial des Dehntrainings nicht in allen Einrichtungen und von allen Trainer:innen gleichermaßen genutzt. Die Realität in manchen Studios: eine ruhige, meist eher ungenutzte Ecke und ein verwaistes Widerstandsband. Ein enormes Potenzial, das an dieser Stelle liegen bleibt. (Auch spannend: 'Dehntraining – Hintergründe und Anwendungsempfehlungen')
Muskellängentraining: Dehnen „neu gedacht“
Über die klassische Form des Dehnens hinaus bietet das sogenannte Muskellängentraining eine attraktive Möglichkeit, um die positiven Effekte eines Beweglichkeitstrainings in den Trainingsplan der Mitglieder zu integrieren, da dieses sich auf verschiedene Weisen durchführen lässt (Kummer, 2022):
- Krafttraining über die volle Range of Motion (ROM)
- isometrisches Krafttraining bei langer Muskellänge
- betont exzentrisches Krafttraining
Durch diese Formen bietet das Muskellängentraining schon von vornherein Variabilität. Trainer:innen verfügen damit bereits über eine erste Differenzierungsmöglichkeit, um den Trainingsplan an die Gegebenheiten im Studio sowie an das Mitglied individuell anzupassen.
Wenig Aufwand, große Wirkung
Zusätzlich bietet das Muskellängentraining einen Vorteil im Rahmen der Studioplanung, da nicht wie bei vielen neueren Trainingstrends und -formen die Ausrichtung der Räumlichkeiten unter Umständen komplett angepasst werden muss, um „den Finger am Puls der Zeit“ zu haben.
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Angefangen bei der Ausstattung bietet sich Betreiber:innen eine Vielzahl an Umsetzungsmöglichkeiten. So kann mittels eines Beweglichkeitszirkels eine eigene „Mobility Area“ mit stationären Geräten im Studio eingerichtet werden.
Integriert oder eigener Bereich
In diesen Zirkeln kann ein apparatives Beweglichkeitstraining durchgeführt werden, bei dem die Übungen isometrisch bei langer Muskellänge gehalten werden. Diese Area kann in den bestehenden Gerätepark integriert werden oder aber einen eigenen Bereich im Studio bilden.
Auch in das bestehende Kursangebot kann das Muskellängentraining problemlos eingefügt werden, denn Yoga- und Pilates-Kurse stellen diesbezüglich eine Win-win-Situation für Mitglied und Studio dar.
Kursplan mit Yoga und Co.
Durch minimale Anpassungen der Übungen, z. B. über einen großen Bewegungsradius, wird Muskellängentraining simultan absolviert und es entsteht ein weiterer Benefit für die Mitglieder, der sogar als zusätzliches Angebot beworben werden kann. Yoga und Co. sind oft bereits fester Bestandteil des Kursplanes – der Raum, das Personal und die Mitglieder im Kurs sind also bereits vorhanden und kalkulatorisch eingeplant.
Wer seine bestehenden Kurse jedoch nicht ergänzen oder anpassen möchte, kann natürlich auch ein eigenes Mobility-Angebot in den Kursplan einbauen.
Durch leichtes Modifizieren klassischer Kraftübungen kann ein Beweglichkeitstraining auch hier integriert werden. So kann z. B. das Kreuzheben durch den Stand auf einer festen Erhöhung wie einer Hantelscheibe absolviert werden, wodurch der Weg der Bewegung länger wird. Hierdurch entsteht der gewünschte Effekt, der zusätzlich eine weitere Übungsvariation ermöglicht. (Auch interessant: 'Kraft heißt Lebensqualität')
Zielgruppenspezifisch agieren und Effekte klar herausstellen
Neben der Planung und Umsetzung im Trainingsalltag ist natürlich auch die Vermarktung entscheidend. Autor Florian Kreis (2021, S. 94–96) beschreibt in seinem Artikel „Zielgruppenspezifischer Verkauf“ verschiedene Kund:innentypologien, die eine eigene Art der Ansprache benötigen.
Dieses Wissen kommt – wie bei allen anderen Neuerungen in der Trainingsplanung, der Studiokonzeptionierung und natürlich im grundsätzlichen Kund:innenkontakt – auch hier zum Tragen, denn Beweglichkeitstraining ist kein auf nur eine Zielgruppe zugeschnittenes Angebot, sondern kann für Mitglieder aller Alters- und Leistungsgruppen sinnvoll sein.
Aufklärung ist alles
Die Unterscheidung findet daher in der Ansprache statt, denn auch hier gilt: Aufklärung ist alles. Je nach Adressat:in sollten durch gezielte Kommunikation der Trainer:innen die Effekte und Ziele klar vermittelt werden, um ein besseres Verständnis bei dem:der Kund:in zu erzeugen.
Hierzu zählt – wie bei allen anderen Trainingsformen auch –, die individuellen Merkmale des:der Trainierenden (Ziele, Leistungslevel etc.) stets im Blick zu behalten (Kaptain, 2019, S. 32–35).
Dehnen ist nicht „lifestylig“ – na und?
Eine eindeutige Erklärung der Vorteile ist jedoch nicht alles. Neben der Antwort auf die Frage „Warum genau soll ich diese Übung nun machen?“ sind spürbare Effekte das A und O.
Die Trainingsgestaltung sollte daher so unkompliziert wie möglich sein, gleichzeitig aber die größtmöglichen Ergebnisse für das Mitglied berücksichtigen. So können die Trainer:innen sowohl sich selbst als auch das Studio als maximal kompetent positionieren und gleichzeitig sofort eine Nachfrage erzeugen.
Im Trainingsalltag können Trainierende darauf abzielen, durch zusätzliches Beweglichkeitstraining eine höhere ROM zu erreichen. Hierdurch können die Übungsausführungen zum Teil leichter fallen, Alltagssituationen wie bspw. das Schuhebinden im Stehen besser bewältigt oder neue Übungen durch Technikverbesserung erst ermöglicht werden.
Beweglichkeit als fester Bestandteil des Studiokonzeptes
Die Theorie zum Beweglichkeitstraining ist relativ eindeutig. Doch die Umsetzung in der Praxis ist der entscheidende „Knackpunkt“ für Betreiber:innen und Trainer:innen. Daher lohnt sich oft ein Blick 'über den eigenen Tellerrand', um gute Ideen auch für das eigene Studio adaptieren zu können.
Auch lesenswert: 'Reichweite verbessern'
Ein Studio, dem dies bereits gelungen ist, ist das Campus Wellness & Sports aus Pirmasens in Rheinland-Pfalz. Mitglieder können dort sowohl mittels eines apparativen Zirkels als auch in Kursen verschiedene Formen des Muskellängentrainings absolvieren.
Interview: Erfolgsfaktor Beweglichkeitstraining
Im Interview mit fitness MANAGEMENT verrät der geschäftsführende Gesellschafter Thomas Kelbling, wie er mit seinem Team das Beweglichkeitstraining als essenzielles Element in das Studiokonzept und auch in jeden Trainingsplan integriert. Das vollständige Interview können Sie hier lesen, alternativ gelangen Sie per Klick auf das Bild zum Artikel 'Umsatzfaktor Beweglichkeit'.
Literaturliste
Jakob, E., Verdonck, A., Völker, K., & Lengemann, A. (2013). Zur Bedeutung des Dehnens in der Sportpraxis (2. Aufl.). Zugriff am 01.06.2022.
Kaptain, D. (2019). Dehnen im Fitnesstraining. medical fitness and healthcare, 02/2019, 32–35.
Kreis, F. (2021). Zielgruppenspezifische Verkaufsstrategien. fitness MANAGEMENT international, 1 (153), 94–96.
Kummer, J. (2022). Gezieltes Muskellängentraining für mehr Beweglichkeit. fitness MANAGEMENT international, 4 (162), 106-108.
Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 04/2022 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.
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