Fitness, Management | Autor/in: Dr. Patrick Berndt & Alisha Dittmer |

Kasim Edebali im Interview: „Nicht weiter zumachen war keine Option“

Der ehemalige NFL-Spieler und Personal Trainer Kasim Edebali erklärt im fM Interview, warum American Football auch in Deutschland keine Randsportart mehr ist und welche Bedeutung das begleitende Training im Fitnessstudio nicht nur für Freizeitsportler hat.

'Train like an Athlete' – Kasim Edebali im Interview

fM: Die Footballfans in Deutschland kennen dich sicherlich aus deiner Zeit in der NFL. Seit deinem Karriereende hast du dich dem Bereich Fitness verschrieben. Wie kam es dazu?

Kasim Edebali: Richtig, aktuell bin ich viel im Fitness- und Trainingsbereich tätig. Dabei ist es mir immer sehr wichtig, das Thema sehr ernst zu nehmen. Ich versuche, meine Erfahrungen aus allen meinen Stationen einfließen zu lassen.

Ich habe mit so vielen verschiedenen Athleten aus unterschiedlichen Sportarten trainiert, das bringe ich zusammen und gebe es weiter.

Seit einigen Jahren erlebt American Football auch außerhalb der Staaten einen Hype. Was bedeutet das für dich?

Ich liebe diesen Sport und natürlich ist alles, was ich jetzt mache, einfach nur, um die Liebe wieder zurückzugeben. Alles, was ich in meinem Leben erreicht habe, habe ich durch Football erreicht.

Und deswegen freue ich mich einfach, dass es mehr und mehr Menschen gibt, die den Sport auch lieben. Aber besonders freue ich mich darüber, dass es mehr Optionen gibt, vor allem für die Jugend. Denn der Luxus beim Football ist, dass – egal, ob du groß, schwer, klein, dünn, dick, langsam oder schnell bist – es für jeden eine Position gibt.

Football gilt als harter Kontaktsport und hat hohe physische Anforderungen an die Athleten. Wie sah dein Trainingsalltag als NFL-Profi aus?

Gerade bei diesem Thema waren wir, als ich in Deutschland groß geworden bin, desinformiert. Als ich als 16-Jähriger ein Praktikum bei meiner Mama im Fitnessstudio gemacht habe, sind gleichzeitig alle meine Jungs mit Krafttraining gestartet und haben an der Bank 100 Kilo gedrückt.

Ich dachte immer, je mehr Muskeln ich habe und je stärker ich bin, umso besser bin ich als Footballspieler. Dann bin ich in die USA gegangen. An der Highschool und am College sah ich die Jungs, die viel kleiner waren als ich, deren Bizepsdefinition nicht so gut war wie meine.

Da war der Gedanke: „Die können nicht besser spielen als ich“, aber das war nicht der Fall. Wir sind Athleten, wir müssen uns schnell bewegen und flexibel sein. Wir müssen explosiv sein, springen können, landen und fallen. Das versuchst du, so gut wie möglich ins Training zu integrieren, damit es dich bestmöglich aufs Feld vorbereitet.


Über unseren Interviewpartner

Kasim Edebali: Von 2014 bis 2019 war der gebürtige Hamburger mit türkisch-amerikanischen Wurzeln American-Football-Profi in der US-amerikanischen Profiliga NFL (National Football League).

Nach verschiedenen Stationen in der NFL, u. a. den New Orleans Saints, Los Angeles Rams, Cincinnati Bengals und Philadelphia Eagles, wechselte er 2021 zurück nach Deutschland, um für das Team seiner Heimatstadt – die Hamburg Sea Devils – aufzulaufen.

Seit seinem Karriereende 2022 coacht und trainiert er unter dem Pseudonym „Vollmaschine“ im Bereich Fitness, Ernährung und Lifestyle


Konkrete Übungen waren beispielsweise olympisches Gewichtheben und Power Cleans für die Explosivität, ein- und zweibeinige Box Jumps sowie High Knees und 20-Meter-Sprints. Dazu kommt Mobilitätstraining.

Dabei kommt es immer auf Körperkontrolle an, auch um die Verletzungsgefahr zu verringern. Aber es geht auch um Spielintelligenz. Ich habe den schnellsten Football gespielt, als ich mich am wenigsten bewegt habe.

Als junger Spieler bist du wie ein kleiner Golden Retriever. Aber auf einmal bist du älter und verstehst, du musst gar keinen Schritt nach rechts machen, wenn du siehst, dass der Typ einen nach links macht. Also sparst du einen Schritt und kannst ihn viel schneller tacklen.

Krafttraining und Football sind nicht zu trennen. Wie groß ist der Anteil an Training mit Gewichten wirklich?

Während der Season geht der Anteil runter, da der Fokus darauf liegt, gesund zu bleiben und Football zu trainieren. Das Schlimmste ist, dass bspw. einige Fußballer zu mir sagten, sie trainieren in der Saison nur noch alle drei Wochen ihre Beine.

Die haben sich dann verletzt, da das Krafttraining auf einmal nicht mehr präsent war. So ist es auch beim Football, weshalb wir am Tag nach dem Spiel direkt Beine trainiert haben. Als Athlet bist du zwar müde und erschöpft, aber es bringt dich weiter und schützt vor Ausfallzeiten.


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In der Off-Season sieht es anders aus, wir waren nur noch in der Vorbereitung auf die nächste Saison. Da wird das Volumen und die Intensität deutlich erhöht. Wir sind dann fast 60 Prozent der Zeit im Kraftraum.

Ich habe immer noch Albträume von den Squat Clean Waves und glaube, ich bin davon immer noch müde (lacht). Aber wir sind ja keine Kraftsportler, sondern Footballspieler. Die anderen 40 Prozent feilen wir an unserer Footballtechnik, wie wir tacklen und auf dem Platz vorgehen. Die Spieler, die das alles am besten zusammenbringen, sind die Besten auf dem Feld!

Im Frühjahr 2023 schloss die NFL mit FitX eine exklusive Partnerschaft. Welchen Einfluss hat eine solche Kooperation auf den Stellenwert von Kraft- und Athletiktraining im deutschen Football?

Wie Onkel Ben bei Spider-Man schon sagt: „Aus großer Kraft folgt große Verantwortung“. Das Gleiche gilt dann auch für die Gyms und solche Kooperationen, denn nun hat man eine Assoziation.

Um das zu nutzen, geht es um direkte Ansprache der Athleten und darum, spezialisierte Trainer zu haben, die mehr als eine B-Lizenz aufweisen können. Diese Professionalisierung spiegelt sich auch im Equipment wider.

Immer mehr Gyms upgraden hier; gleichzeitig sagen besondere Geräte nicht zwangsläufig etwas über die Qualität aus. Auch wenn der Amateur- oder Hobbysportler nicht wie ein Profi trainieren muss, er könnte es.

Für mich wäre es Luxus, wenn ich trainiere, wo wirklich die Besten der Besten trainieren können, und ich alles habe, was sie auch brauchen. Das macht wiederum das Gym attraktiver.

Als Defensive End musst du über eine starke physische Präsenz verfügen. Hier spielt auch die Ernährung eine entscheidende Rolle. Wie sah das zu deiner aktiven Zeit aus?

Für einen Defensive End war ich sehr klein. Ich bin 1,89 Meter und habe in meiner besten Zeit 113 Kilogramm gewogen. Der Durchschnittsspieler auf meiner Position war 1,96 Meter und hat 122 Kilo gewogen. Ich habe aber in meiner Kindheit geturnt, was mir sehr viele physische Skills gegeben hat, die mir geholfen haben, athletisch und agil zu sein.

Mit der Ernährung war es aber so eine Sache. Meine Mama war alleinerziehend, weshalb ich mich in der Kindheit viel von einfachen Sachen wie Pizza, Fischstäbchen oder Kartoffelpuffern ernährt habe.

Dann ist mein Opa zweimal die Woche mit mir zu McDonald’s gegangen. Das in Kombination mit der amerikanischen Seite meine Familie, die alle etwas dicker waren, führte dazu, dass ich auch ziemlich dick wurde.

Dann hatte ich einen Wachstumsschub und bin in vier Jahren über 30 Zentimeter gewachsen, das hat einiges verändert. Ich habe meine Ernährung umgestellt und angefangen, 500 Gramm Magerquark als Mittagessen mit in die Schule zu nehmen. Ich habe zu der Zeit geglaubt, was man mir gesagt hat.

Auf der Highschool bekam ich dann zum ersten Mal eine kleine Vorstellung von richtiger Ernährung. Im College wurde es noch ernster, aber es ging primär um Gewichtszunahme. Mit dem Wechsel in die NFL kam dann der Change. Da hatte ich Marie Spano aus Atlanta als meine Ernährungsberaterin, die mir sehr viele gute Sachen beigebracht hat.

Gerade im Profisport spielt Mentale Fitness eine immer wichtigere Rolle. Was hast du gemacht, um auch geistig zu den Stärksten zu gehören?

Das ist eine der wichtigsten Sachen und ich glaube der größte Unterschied zwischen Amateur, Semiprofi und Profisportler. Wir müssen performen, selbst wenn uns etwas wehtut, wenn wir erschöpft sind – und dazu gehört auch eine gewisse mentale Stärke.

Mein alter Coach hat immer gesagt, dass 90 Prozent der Menschen egal ist, welche Probleme du hast. Und die anderen zehn Prozent freuen sich, dass du sie hast. Man darf es nicht an sein Herz lassen. Meistens attackieren die Leute die Fehler, nicht dich als Person und ganz oft ist nur das eigene Ego im Weg.


Weitere Interviews und Hintergründe

In weiteren Interviews sprechen Arne Greskowiak, Patrick Esume und Felix Streng über leistungsorientiertes Training im Fitnessstudio. Lesen Sie außerdem unseren Artikel 'Train like an athlete' als Einstieg zu den Interviews.

Indem Sie auf das entsprechende Bild oberhalb dieses Textes klicken, gelangen Sie direkt zum jeweiligen Artikel.


Als Sportler sagt man sich oft, was nicht passieren darf. Michael Jordan hat das mal gut auf den Punkt gebracht. Er war zu jeder Zeit präsent und mit den Gedanken weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft.

Er war einfach präsent in der Gegenwart. Wenn du das schaffst, dann denkst du an das, was du jetzt machst. Und damit hast du wieder die Selbstsicherheit, die zu maximaler Kapazität und zur maximalen Leistung führt.

Mentale Stärke ist bei Verletzungen entscheidend. Was hat dir besonders geholfen, wieder zurück aufs Feld zu kommen?

Die Option, nicht weiterzumachen, gab es nie. Für mich war nur wichtig, was ich machen muss, um zurückzukommen und das wurde gemacht.

Meine erste große Verletzung war an der Highschool, als ich mir die Sehnen in meinem Daumen gerissen habe. Ich konnte nicht trainieren. Da habe ich auch das erste Mal gemerkt, was mentale Gesundheit bedeutet. 

Ich war einfach sauer und konnte damit nicht umgehen. Bei meiner Schultereckgelenksprengung Grad II hatte ich das bereits besser verstanden. Man muss es so schnell wie möglich akzeptieren und sich fragen: „Was ist jetzt das bestmögliche, was ich machen kann?“.

Ich habe mir während der Reha etwas Alltägliches gesucht, das mich auf dem Boden hält. Wichtig war auch, zu verstehen, was Recovery bedeutet: Nämlich mit dem Hintern auf dem Sofa zu bleiben und den Körper regenerieren zu lassen, Wasser zu trinken und viel zu schlafen.

Das darf man auch nicht als Schwäche sehen. Ab und zu ist es okay, einen Schritt zurückzumachen, um Anlauf für den nächsten zu nehmen.

Du hast deine aktive Zeit 2022 beendet und coachst seitdem selbst. Welche Erfahrungen nimmst du mit, die du gern weitergeben möchtest?

Es ist wichtig, niemals damit aufzuhören, sich Wissen anzueignen. Es ist auch keine Schande als Trainer, nicht dem optischen Bild vieler Trainierenden zu entsprechen. Als Trainer kommt es nur darauf an, genau zu wissen, wie das Training auszusehen hat.

Für mich war es auch immer hilfreich, andere Sportarten zu sehen. Gerade im Bereich Biomechanik und Technik kann man viel adaptieren, mit dem Ziel, das Beste von allem zusammenzubringen und das fachlich, wissenschaftlich und physisch in dein Training zu integrieren.

Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 03/2024 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.

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