Fitness, Management | Autor/in: fM Redaktion |

Christian Schwarz im Interview: „Versucht es mit Fragen und schaut, wo Unternehmen der Schuh drückt“

Vorteilskonditionen, Gesundheitstage, Stressanalysen, Ernährungsberatung – das sind nur ein paar der Angebote von Christian Schwarz der sich mit seinen Aktiv& Gesund Studios und Physiotherapiepraxen in Firmenfitness und Betrieblichen Gesundheitsmanagement in Mainz etabliert hat. Im Interview erklärt er, welche Voraussetzungen und Qualifikationen dafür notwendig sind.

Christian Schwarz (Aktiv&Gesund) im Interview

fM: Welchen Stellenwert hat die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) in Ihrem Unternehmen und wie hat sich Ihr Angebot zu einer erfolgreichen Dienstleistung entwickelt?

Christian Schwarz: Unser Ansatz geht generell weit über Firmenfitness und BGF hinaus. Von Beginn an stand bei uns im Vordergrund, dass unsere Mitglieder und Kunden optimal betreut werden und ihre Ziele erreichen. Mein Geschäftspartner Martin Weber hatte diesen Ansatz schon, als wir uns kennenlernten.

Er hatte in seinem Studio keine Empfangstheke. Ankommende Gäste wurden von einer Trainerin oder einem Trainer persönlich in Empfang genommen. Martins Argument war schon damals, dass er das Geld für eine Theke und deren Ausstattung viel sinnvoller in gut ausgebildete Trainer und das Erlebnis unserer Gäste investiert.


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Als wir gemeinsam gestartet sind, waren wir aufgrund der starken Konkurrenz in Mainz und unserer spitzen Positionierung quasi gezwungen, mit dem Angebot Firmenfitness auf Unternehmen zuzugehen. Dabei waren wir nicht immer erfolgreich und haben auch viel Lehrgeld gezahlt. Wir waren noch zu unbekannt und nicht breit genug in unserem Angebot.

Wir haben uns darauf besonnen, dass das Thema BGF ein Bestandteil von BGM ist und uns komplett neu aufgestellt. Wir haben Know-how aufgebaut und 2016 eine separate Beratungsfirma für Betriebliches Gesundheitsmanagement gegründet. Zudem hatten wir inzwischen mehrere Studios und konnten den Geschäftsbereich professioneller angehen.

Wir bieten heute ein komplettes BGM-Portfolio von der Potenzialanalyse und einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung bis hin zu physiotherapeutischen Anwendungen. Dabei beginnen wir immer mit einer Bestandsaufnahme und einer Bedarfsermittlung durch eine Befragung der Mitarbeitenden.

Welche spezifischen Angebote der BGF werden von Unternehmen bzw. Arbeitnehmern derzeit in Ihren Studios am häufigsten nachgefragt?

Firmenfitness und BGF ist für uns ein wichtiger Geschäfts-bereich und für Unternehmen ein Einstieg ins BGM.

Nach wie vor werden die klassischen Vorteilskonditionen für Firmen stark nachgefragt, ebenso Gesundheitstage, in deren Rahmen wir z. B. medizinische Diagnostik mit einer BIA-Waage anbieten. Dadurch, dass wir Mediziner im Team haben, können wir auch Functional-Movement-Screens machen, wodurch wir den Leuten zeigen können, warum ihnen der Rücken wehtut und was eine verkürzte Muskulatur anrichtet. Im Nachgang geben wir dazu immer eine Handlungsempfehlung mit.

Wir bieten auch die Leitung und Durchführung von Teambuildingevents an: Ruderfahrten, ein Stand-up-Paddling-Tag oder ein Tag bei uns in den Studios, wo die Leute dann beispielsweise in Kurse reinschnuppern können.


Über den Interviewpartner

Christian Schwarz

Der geschäftsführende Gesellschafter der Fitnessstudios Aktiv&Gesund (AG) Christian „Chris“ Schwarz (Jahrgang 1986) stammt aus Heidelberg. Schon seit seiner Kindheit hatte er eine Leidenschaft für Sport. Während seiner Tätigkeit als Sportanimateur in Spanien festigte sich der Gedanke, mit Sport, Bewegung und vor allem mit Menschen zu arbeiten. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland absolvierte Christian Schwarz parallel zu seiner Trainertätigkeit eine Ausbildung zum Fitnessfachwirt. 2013 zog er nach Mainz und arbeitete als Personal Trainer bei seinem heutigen Partner Martin Weber. 2015 gründeten sie ihren ersten Fitnessclub Aktiv&Gesund. Heute betreiben sie gemeinsam elf Studios – weitere sollen folgen – neun Physiotherapiepraxen, zwei Logopädiepraxen und eine Ergotherapiepraxis.


Insgesamt haben wir ein breites Portfolio und stimmen gemeinsam mit den Firmen ab, was in welchem Umfang wo umgesetzt werden kann. Im Prinzip bauen wir den Unternehmen anhand ihrer Wünsche und Bedürfnisse eine Brücke zu unseren Studios.

Haben Sie seit der Corona-Pandemie Veränderungen festgestellt?

Bei der Motivation der Firmen gab es Veränderungen. Unternehmen, die früher Firmenfitness und BGF nachgefragt haben, sind jetzt noch aktiver geworden. Die Firmen, die früher nichts gemacht haben, machen nach wie vor wenig.

Vor der Pandemie war das Thema Ernährung extrem gefragt. Ich habe sehr oft Fachvorträge gehalten und Analysen gemacht, insbesondere zur Diabetesprävention. Diese Dienstleistungen werden auch jetzt stark nachgefragt.

Wir erleben einen sehr stark steigenden Bedarf beim Thema Homeoffice und dessen Auswirkungen. Schmerzen, insbesondere Rückenschmerzen, und Skeletterkrankungen sind die verstärkt auftretenden Probleme sowie vor allem das Thema Stress. Die Lockdowns sind den Leuten auf die Psyche geschlagen. Die isolierte Tätigkeit im Homeoffice unter häufig schlechten ergonomischen Bedingungen macht sich extrem bemerkbar. Wir haben viele Anfragen rund um die Themen Psyche und Rücken. Ich glaube, dass der Bedarf noch weiter steigen wird.

Haben Sie in den vergangenen Monaten gezielt in den Ausbau Ihres Corporate-Health-Angebotes investiert?

Die Bestandsfirmen, mit denen wir arbeiten, haben auch während Corona weiterbezahlt und wir haben unsere Dienstleistungen um digitale Optionen erweitert, d. h. die Firmenkurse fanden dann online statt. Dieser digitale Service wird weiterhin gut angenommen.

Investiert haben wir in den letzten Jahren in Diagnostiktools, mit denen wir einen konkreten Mehrwert bieten können. Aktuell geplant ist ein Gesundheitstruck. Firmen, die beispielsweise kein Equipment und/oder keinen Platz haben, wollen wir mehr Optionen für ihre BGF bieten, indem wir zu ihnen fahren und dort benötigtes Equipment an Bord haben.

Der Truck kann mit Kursequipment für ein Outdoorprogramm oder anderen Kleingeräten bestückt werden. Für Teamevents lässt er sich auch mit einem Grill ausstatten und wir können begleitend einen Workshop zu gesundem Grillen halten.

Wie ist der Bereich BGF innerhalb des Unternehmens Aktiv&Gesund und seinen Studios organisiert bzw. strukturiert?

Der Geschäftsbereich wird bei uns zentral geleitet. So können wir losgelöst von den Studios arbeiten. Vorteil während der Corona-Zeit: Unsere Studios mussten schließen, die Beratungsfirma war davon aber unberührt.

Zudem können wir sehr smart das BGM und die BGF für unsere eigenen Studios implementieren. Die gesetzlichen Vorgaben erfüllen wir auch und bieten unseren Mitarbeitenden BGF-Maßnahmen an. Dazu gehören rund 34 Benefits. Das reicht von der Physiotherapie am Arbeitsplatz – unsere Mitarbeiter dürfen die Physiotherapie unentgeltlich nutzen und die Physiotherapeuten bei uns in den Studios trainieren – bis hin zu vergünstigtem Urlaub über unser eigenes Reisebüro. Auch das gehört für uns zur Betrieblichen Gesundheitsförderung.

Wie gehen Sie in der Praxis auf potenzielle Kooperationspartner zu? Was gilt es bei der Kundenakquise im Umgang mit Unternehmen zu beachten?

Corporate Fitness ist bei uns Chefsache. Die Kontakte zu den Unternehmen machen Martin und ich. Unsere Trainer sollen Trainer sein, unsere Vertriebler sollen Vertriebler sein. Wir setzen unsere Mitarbeitenden dort ein, wo sie ihre Stärken haben.

Natürlich holen wir unser Team mit ins Boot, wenn es an die Umsetzung geht. Sobald wir ermittelt haben, wo ein Unternehmen Bedarf hat, nehmen wir jemanden aus dem Team, die oder der fachlich gefordert ist und vom Typ her am besten mit unserem Kontakt im Unternehmen matcht, mit dorthin.

Unsere Trainerinnen und Trainer sprechen viel mit Mitgliedern und Interessenten, sei es im Personal Training oder im Probetraining. Sobald sich dort Interesse oder Bedarf andeutet, wird das an uns weitergereicht und ein Kontakt gemacht.


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Wir haben keine Prozesse oder Checklisten hinterlegt. Das Thema BGF ist zu komplex und zu vielfältig. Die Bedürfnisse der Mitarbeitenden und die Besonderheiten jedes einzelnen Unternehmens sind zu spezifisch, als dass wir einen Kontakt nach Schema abarbeiten können.

Jedes Unternehmen bekommt von uns individuell die volle Aufmerksamkeit. Zudem braucht jede Kontaktperson unserer Firmenkunden eine individuelle Ansprache. Ich muss auf einen IT-Menschen ganz anders eingehen als auf jemanden aus dem Pflegebereich.

Wie wichtig sind aus Ihrer Sicht Kooperationen mit BGF-Netzwerken und Aggregatoren?

Sehr wichtig. EGYM Wellpass ist für uns ein super Partner. Nicht nur, dass die richtig gut aufgestellt sind, sie haben z. B. während der Corona-Lockdowns die Provision weiter ausgeschüttet. Das war nicht selbstverständlich und kennzeichnet unsere Partnerschaft.


Weitere Hintergründe

Lesen Sie unseren Artikel 'Firmenfitness boomt' als Einstieg zum Interview.

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Netzwerke sind enorm wichtig, wenn man sich als Studio im Corporate-Fitness-Bereich etablieren möchte. Einige größere Ketten haben eine separate BGM-Sparte mit viel Know-how, Erfahrung sowie vielen Empfehlungen und machen das sehr, sehr gut. Als einzelnes Studio kann es schwierig werden, dort mitzuhalten. Dafür braucht man sehr gute Mitarbeitende, ein Angebot, das den Bedarf deckt, viel Empathie im Kontakt und eben ein gutes Netzwerk.

Welche Qualifikationen des Studioteams sind aus Ihrer Sicht besonders wichtig, um Unternehmen qualitativ hochwertige Firmenfitnessangebote anbieten zu können?

Bei den Qualifikationen gibt es natürlich Grundvoraussetzungen. Ein Physiotherapeut muss Physiotherapeut sein, das steht außer Frage. Bei den Fitnesstrainerinnen und -trainern ist eine B-Lizenz die Mindestvoraussetzung. Darüber hinaus kommt es bei der Qualifikation der Mitarbeitenden immer auf das individuelle Gesamtpaket an.

Wir versuchen, unsere Leute dort einzusetzen, wo sie ihre Stärken haben. Es gibt super Trainerinnen und Trainer, die in der Eins-zu-eins-Betreuung und in Kursen perfekt sind, die aber einfach nicht verkaufen können. Das müssen sie aber auch nicht. Speziell für Firmenfitness sind sie perfekt, um in die Firmen zu gehen und die Leute vor Ort zu begeistern.


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Wir haben aber auch Trainer, die ihr Faible für Verkauf und Vertrieb entdeckt und entwickelt haben. Die werden entsprechend eingesetzt und haben mehr Beratungstermine. Sie sind auch bei Firmenterminen dabei, weil sie z. B. durch ihre Erfahrung bei der Einwandbehandlung helfen können.

In allererster Linie muss es menschlich passen und Mitarbeitende müssen Begeisterung für Fitnesstraining haben – sowohl die Physios als auch die Trainerinnen und Trainer.

Welche Kenntnisse und Fähigkeiten Ihrer Mitarbeitenden haben sich bewährt?

Die Basis für den Erfolg des Teams ist, dass die Leute wirklich ihr Handwerk beherrschen. Auf ihrem Fachgebiet müssen sie ihre Expertise auch rüberbringen können.Darüber hinaus ist die Frage schwierig zu beantworten, weil wir ein sehr breites Angebot abdecken und dementsprechend viele verschiedene Qualifikationen sowie unterschiedliche Typen im Team brauchen. Die Mischung im Team bringt den Erfolg.

Gerade, wenn du mit Unternehmen in Kontakt trittst oder verhandelst, brauchst du an verschiedenen Positionen besondere Kompetenzen. Zusätzlich kommt es darauf an, wem man gegenübersitzt. Menschenkenntnis und Empathie sind ganz wichtig – auch oder insbesondere im Firmengeschäft. Wir brauchen Zugang zu den Menschen.

Es geht darum, zu wissen, mit wem wir es zu tun haben. Welche persönlichen Baustellen hat er und was sind die Baustellen seiner Firma?

Mitarbeitende müssen heutzutage länger arbeiten und bis ins hohe Alter leistungsfähig bleiben. Welchen Beitrag kann BGF in diesem Zusammenhang leisten?

BGF kann einen riesigen Beitrag leisten. Bis 2040 gehen die 1960er-Jahrgänge in Rente. Diese Menschen hinterlassen auf dem Arbeitsmarkt eine große Lücke. Firmenfitness, BGF und BGM können entscheidend dazu beitragen, dass diese Generation lange produktiv bleibt.

Jetzt kommt mit der Generation Z die erste Generation, die bereits mit mobilem Internet und Social Media aufgewachsen ist. Unsere Aufgabe ist, diese Generation körperlich und mental zu einem Top-Level zu begleiten.

Zum Beispiel hat eine Firma, die wir im Bereich Führung coachen, ihren Führungsstil ein Stück weit angepasst und ist den Wünschen ihrer jungen Mitarbeitenden und Azubis entgegengekommen, sodass viele Prozesse und die Zusammenarbeit der Generationen deutlich besser funktionieren.


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All das sind Faktoren, die für BGF und BGM sprechen. Die Leute müssen sich zwangsläufig mit dem Thema BGM befassen, weil das auf uns alle zukommen wird. Mitarbeiterbindung ist viel günstiger als Mitarbeiterfindung. Arbeitgeber müssen dafür sorgen, dass ihre Leute in allen Facetten fit und gesund bleiben. Profit ist wichtig, aber eben auch nicht alles.

Wir haben eine Vision, die auch jeder Mitarbeiter kennt: Wir wollen das Fach „Gesundheit“ an deutsche Schulen bringen und wir wollen, dass Krankenkassen gesetzlich verpflichtet werden, Training in medizinisch zertifizierten Fitnessstudios komplett zu bezahlen.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Faktoren, die für Studios den Geschäftsbereich BGF erfolgreich und profitabel machen?

Es ist wichtig, den Unterschied zwischen BGM und BGF zu kennen, weil sich für Studios dadurch ein anderer Zugang zu den Unternehmen eröffnet. Man braucht ein klares Konzept und muss wirklich wissen, was man anbieten kann, wie man seine Leistung anbietet bzw. an eine Firma herantritt.

Dafür ist es essenziell, sich zu positionieren und ganz klar zu sagen: „Das können wir anbieten, das nicht!“. Man muss wissen, in welchen Bereichen man wirklich Experte ist. Auch wir bekommen Anfragen, die wir ablehnen, weil wir es nicht können.


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Mein Tipp: Rennt nicht einfach in die Firmen rein und öffnet einen Bauchladen. Versucht es über Fragen und schaut, wo bei ihnen „der Schuh drückt“ – ähnlich wie ihr es im Verkaufsgespräch für eine Fitnessmitgliedschaft macht.

Und eine klare Empfehlung ist die Partnerschaft mit EGYM Wellpass, die für uns ausschließlich Vorteile bringt.

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