Branchenkenner Albert Busek über Gesundheit, Fitness und Körperform
Es waren Architekten und Bildhauer, die den heute im Sprachgebrauch fest verankerten Ausdruck „Form follows function“ (deutsch: Form folgt Funktion) erstmals benutzten. Er gilt in ganz besonderem Maße auch für den menschlichen Körper.
Gesundheit bedeutet nicht nur das Fehlen einer Krankheit, wie sehr lange allgemein kolportiert wurde. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert das heute so: „Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“ Gesund sein heißt demnach, dass man nicht nur frei von Krankheiten ist, sondern auch emotional glücklich.
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Seit sich der Begriff „Fitness“ in der Mitte der Gesellschaft durchgesetzt hat, wird mit der häufigen Gleichsetzung von Gesundheit und Fitness ein weiterer Irrtum begangen. Fitness ist nur einer der Parameter, um die Gesundheit einer Person zu bestimmen.
„Life is movement“
Worüber sich alle Fachleute und Wissenschaftler einig sind, hat der Urvater des Bodybuildings, Eugen Sandow, schon 1919 als Titel seines Hauptwerkes gewählt: „Life is movement“. (Lesen Sie dazu: 'Zwei Pioniere der Fitnessbranche: Schwarzenegger und Sandow')
Einigkeit besteht auch darüber, dass Kraft, Ausdauer und Flexibilität als Säulen der Fitness gelten. Weitestgehend anerkannt ist auch, dass mit besserer Fitness die Herausforderungen des Alltags leichter und effizienter gemeistert werden können.
Die wichtigste Erkenntnis ist allerdings die Tatsache, dass jeder Mensch einzigartig ist. Es kann sehr weitgehende Übereinstimmungen geben, aber letztlich ist jeder Mensch einmalig.
Aus dieser Wahrheit ergibt sich, dass es nicht DAS beste Programm oder DIE beste Verhaltensweise für jeden Menschen geben kann. Noch weniger kann es DIE Körperform für alle geben. Jeder Mensch muss seinen persönlichen Weg finden, um damit beste Voraussetzungen in einem Team oder einer Gemeinschaft zu schaffen.
Vive la différence!
Auf unsere Branche übertragen heißt das, dass die bestmögliche Qualifizierung des Personals die Grundlage dafür ist, dass jedes Mitglied in einer Fitness- und Gesundheitsanlage umfassend und effizient betreut und beraten wird. (Lesen Sie dazu: 'Qualität durch Qualifikation')
Ich habe die Anfänge Ende der 50er-Jahre erlebt, als unsere Branche noch keine Branche war. Bis heute bin ich dankbar dafür, diese herausragende Erfolgsstory miterlebt und mitgestaltet zu haben. Vor diesem Hintergrund erlaube ich mir, den vielleicht neuralgischsten Punkt in unserer Branche zu thematisieren: Vorurteile, Intoleranz und mangelnder Respekt bezüglich Aussehen und KÖRPERFORM!
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Ich komme vom Bodybuilding und ja, dabei ging und geht es wettkampfmäßig um extremes Training und extreme Diäten – Leistungssport ist extrem. Für mich war aber von Anfang an der Breitensport mindestens genauso wichtig, denn dieser repräsentiert 99 Prozent aller Trainierenden.
Respektvoller Umgang
In meiner letzten selbst betriebenen Anlage, dem Busek Sportcenter in München, gab es eine klar formulierte Hausordnung. Im Mittelpunkt stand dabei das respektvolle Miteinander. Manchmal wurden Grenzen überschritten und es gab Konsequenzen.
Zum Beispiel, als ein Mitglied (Mann) ein anderes Mitglied (Frau) mit diesen Worten aufforderte, die Adduktorenmaschine zu verlassen: „Bei dir nützt das ja sowieso nichts mehr!“ Er verstieß damit nicht nur gegen die Hausordnung, es war eine Verletzung des Artikels 1 unseres Grundgesetzes. Zur Würde gehört auch die KÖRPERFORM. Dabei wollte diese Frau gerade durch gezielte Funktion eine bessere Form erreichen.
Grundsätzlich ist zur KÖRPERFORM zu sagen, dass schlanker nicht gleich schneller und fitter und dicker nicht gleich langsamer und weniger fit bedeutet. Ich habe es in unzähligen Beispielen erlebt, dass etwas „fülligere“ Mitglieder beweglicher und ausdauernder waren als deutlich schlankere.
Die genetischen Voraussetzungen und die Zielsetzung müssen in Einklang gebracht werden. Das Streben nach der maximal möglichen Perfektion und einem sehr niedrigen Fettanteil ist dabei häufig der falsche Weg. Viele Menschen sind einfach leistungsfähiger, wenn man die Optik nicht überbewertet und den Fokus auf eine effektive Funktion legt. Dann ergibt sich fast automatisch die Form, die der Funktion folgt.
"Es ist das Gesetz aller organischen und anorganischen, aller physischen und metaphysischen, aller menschlichen und übermenschlichen Dinge, aller echten Manifestationen des Kopfes, des Herzens und der Seele, dass das Leben in seinem Ausdruck erkennbar ist, dass die Form immer der Funktion folgt." Architekt Louis Sullivan, 1856–1924
Erfolgsgeschichten aus dem Studio
Dazu zwei Anekdoten, die zu meinen schönsten Erinnerungen als Studioinhaber gehören. Die erste: Eine Frau stellte mir im ersten Beratungsgespräch viele präzise Fragen, wobei es hauptsächlich um Risiken und Erfolgsaussichten ging. Dass sie nie Sport betrieben hatte, gab sie unumwunden zu und meinte abschließend, dass sie eigentlich nur auf die Empfehlung einer Vertrauensperson zu mir käme.
Schon bei der Begrüßung stellte ich fest, dass sie eine Art „Sackkleid“ trug und ihre Körperformen nur zu erahnen waren. Offensichtlich negierte sie ihren Körper. Nach einem längeren Gespräch konnte ich sie überzeugen, sie wurde Mitglied. Beim ersten Training trug sie einen Trainingsanzug in Übergröße. Dennoch waren die bei Frauen am meisten verbreiteten „Problemzonen“ erkennbar.
Wir mussten auf äußerst niedrigem Niveau mit dem Training beginnen. Der Erklärungsbedarf war besonders in den ersten sechs Monaten sehr groß. Zudem entsprachen die minimalen Erfolge nicht dieser im Beruf sehr erfolgreichen Frau. Zweifel kamen auf, aber ich konnte sie mit meiner unerschütterlichen Zuversicht immer wieder überzeugen.
Sogar aus einer kurzfristigen Auszeit konnte ich sie telefonisch wieder zur Rückkehr ins regelmäßige Training bewegen und zur Einhaltung der veränderten Ernährungsweise veranlassen.
Die Erfolge zeigten sich schließlich mehr und mehr. Plötzlich sah ich sie auch in einem enger anliegenden Fitnessoutfit. Es mag nach circa zwei Jahren gewesen sein, als sie in einem eng anliegenden Abendkleid zu Besuch zu mir ins Büro kam.
Nicht, um zu trainieren, sondern nur, um mir zu danken und zu sagen: „Herr Busek, heute gehe ich zum ersten Mal in meinem Leben mit meinem Körper in ein Konzert.“ Und schon verschwand sie mit einem glücklichen Lächeln aus dem Zimmer.
Fit im Alter
Die zweite Anekdote: Ein 80-jähriger Mann stellte sich bei mir mit der Bemerkung vor: „Ich bin zu Ihnen gekommen, weil ich kein Pflegefall werden will.“ Diese Begründung hat mich sehr beeindruckt. Seine Antwort auf meine Frage nach anderen körperlichen Aktivitäten: „Ich kann nur maximal drei Tage in der Woche kommen, da ich mit meiner Frau mindestens einmal pro Woche zum Tanzen gehe.“
Wir wurden ein großartiges Team und schon nach kurzer Zeit war Josef Atzberger im Sportcenter nicht nur sehr bekannt – er wirkte auch als Motivator für viele andere jeglichen Alters. Josef machte seine Sache so gut und mir eine so große Freude, dass ich ihn nach zwei Jahren zum Ehrenmitglied ernannte.
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