Fitness, Gesundheit | Autor/in: Albert Busek |

Albert Busek: „Jede Zeit will eigene Antworten“

Branchenkenner Albert Busek: „Diese Zeilen schreibe ich wenige Wochen vor dem Tag, an dem Joe Gold 100 Jahre alt geworden wäre (10. März) und wenige Wochen, nachdem in München das Gold’s Gym Munich eröffnet wurde (13. Januar). Persönlich erlebe ich diese Duplizität von Ereignissen wie in einer Zeitmaschine. Sogar die Anfänge erscheinen mir heute, als hätte ich sie gerade eben erst erlebt.“

Albert Busek: Kommentar zur Entwicklung der Fitnessbranche

Ich starte 1965. Ein Jahr zuvor hatte ich mein Hobby als Studioleiter, Redakteur und Fotograf zum Beruf gemacht. Ich tauchte ein in die spannende Bodybuilding- und Fitnesswelt.

Schnell waren wir im „Universum-Sportstudio“ in München ein verschworener Haufen „Verrückter“, wie uns die Außenwelt meistens bezeichnete – und das war noch freundlich! Die Geräteausstattung war spartanisch und Hanteln unser wichtigstes Werkzeug.

In den USA war man schon viel weiter und ich war total davon überzeugt, dass diese Entwicklung zeitversetzt auch bei uns eintreten würde. Allerdings dauerte es viel länger als erhofft. Die Nachricht von der Eröffnung des „Gold’s Gym“ in Kalifornien motivierte mich sehr.

Doch nicht einmal der größte Optimist hätte damals ahnen können, dass dies der Beginn einer weltumspannenden Ära sein würde. Rückblickend war es die Geburtsstunde der modernen Fitnessbranche.

Joe Golds Leidenschaft und handwerkliches Geschick waren die Triebkraft und die dort trainierenden Athlet:innen schufen einen Mythos, allen voran der 1968 nach Kalifornien ausgewanderte Arnold Schwarzenegger.

Peng – ich überfliege die Siebzigerjahre

Anfang des Jahrzehnts startete der damalige Deutsche Sportbund (DSB) erfolgreich die Trimm-Dich-Kampagne und 1972 profitierte der Breitensport von den Olympischen Spielen in München – mit Ausnahme des Bodybuildings.

Diese Form des isolierten Muskeltrainings wurde tabuisiert und ich war immer wieder aufs Neue konsterniert. Schon damals konnte ich nicht verstehen, wie man die partielle Körperbildung, sprich Bodybuilding, als etwas Negatives, sogar Abstoßendes wahrnehmen konnte.

Muskeln als „Wunder der Schöpfung“

Seit meinem ersten Hanteltraining 1959 war ich unumstößlich von der Wirksamkeit und den sich für alle Menschen bietenden Möglichkeiten dieser Trainingsform überzeugt. Doch nicht nur die Medien, auch die überwältigende Mehrheit der Trainer, Ärzte und Wissenschaftler – damals fast ausschließlich „Männerberufe“ – lehnte das Training mit Gewichten ab, egal ob Hanteln oder Gerät. Begründung: Man würde dadurch steif, langsamer, unflexibel und verletzungsanfälliger.

Dabei hatte Bob Hayes mit seiner ausgeprägten Muskulatur bereits 1964 während der Olympischen Spiele in Tokio durch seinen grandiosen Sieg im 100-Meter-Finale aller Welt das Gegenteil bewiesen. Ich freute mich damals vor dem Fernseher wie ein Kind an Weihnachten.

Trotzdem blieb Muskeltraining bis Ende der Siebzigerjahre weitgehend ein „Tabu“. Obwohl unsere sehr junge Branche sich vielseitig bemühte, erhöhte sich die Anzahl der Fitnessstudios nur langsam und verharrte zunächst als eine Art „Subkultur der Subkultur“.

Der Dokumentarfilm „Pumping Iron“ brachte 1977 Bodybuilding dann mit einem Schlag weltweit auf ein völlig neues Niveau. Muskeln „machten Schlagzeilen“ und Millionen Menschen auf allen Kontinenten wurde bewusst, dass man diese in unserer technisierten Welt auch trainieren kann und muss!

Peng – endlich die glorreichen Achtzigerjahre

Zwei Personen waren maßgeblich für den raketenartigen Aufstieg verantwortlich, den die Fitnessstudios in den Achtzigerjahren auch in Deutschland erlebten: Arnold Schwarzenegger und Jane Fonda. Beide erreichten mit ihrem jeweiligen Markenkern „Muskeln“ respektive „Aerobic“ durch geniales Marketing weltweite Popularität. Das Interesse der Medien und der Öffentlichkeit wuchs kontinuierlich.

Im Oktober 1982 durfte ich Teil einer besonderen Premiere sein. Der legendäre Harry Valérien baute im „aktuellen Sportstudio“ des ZDF erstmals ein Fitnessstudio im TV auf – ein Meilenstein. Mein Anfang 1983 eröffnetes Busek-Sportcenter in München erlebte eine wahre „Besucherflut“, da Arnold bei der Eröffnung anwesend war. Mit „Conan, der Barbar“ hatte er kurz zuvor den Durchbruch in Hollywood geschafft.

Überzeugungsarbeit in den Medien

Inzwischen bekannten sich hierzulande immer mehr Prominente zum Muskeltraining und steigerten die Popularität der Branche. Durch meine vielseitige und exponierte Tätigkeit in der Bodybuilding- und Fitnessbranche wurde ich häufig zu Talkshows im Radio und TV eingeladen, wo ich Vorurteile abzubauen und Überzeugungsarbeit zu leisten versuchte. Die Vorbehalte waren immer noch groß.

Nur wenige Profisportler:innen machten Gewichtstraining. Bei den meisten Fußballprofis war in Bezug auf Muskelentwicklung von Beinen und Oberkörper eine große Diskrepanz zu erkennen. Schon damals arbeitete ich mit Ärzten und Kliniken zusammen und betreute viele Leistungssportler:innen, speziell nach Verletzungen.

Heute ist es kaum vorstellbar, aber damals gab es selbst beim FC Bayern München keinen speziellen Kraftraum. Die Zeiten haben sich gewaltig geändert und die Körper der heutigen Profispieler:innen auch.

Hollywood trug in dieser Dekade entscheidend dazu bei, dass sich die Zahl der Fitnessstudios jährlich signifikant erhöhte. Arnold Schwarzenegger, Sylvester Stallone und viele andere muskulöse Darsteller drehten einen Film nach dem anderen und machten damit indirekt Werbung für die Studios.

Im Juni 1984 machte Sportreporter Manfred Vorderwülbecke im Bayerischen Fernsehen in der populären Livesendung „Sport-Stammtisch“ (Vorläufer des heutigen „Blickpunkt Sport“) Bodybuilding zum Thema. Neben Prof. Dr. Friedhelm Beuker vom Sportinstitut der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf wurde auch ich eingeladen. Da ein Athlet als meine Begleitung gewünscht war, entschied ich mich für Ralf Möller, dem Gesamtsieger der Deutschen Meisterschaft 1983.

Zu meiner und wohl auch zur Überraschung des Moderators ergab sich bezüglich der grundsätzlichen Auffassung von gezieltem Muskeltraining zwischen Professor Beuker und mir weitgehende Übereinstimmung.

Dies war ein weiterer Meilenstein der fachlichen Anerkennung von Bodybuilding und der Beginn einer Freundschaft mit dem „Professore“ bis zu seinem Tod 2012.

BSA-Akademie und DSSV

Inzwischen waren meine jahrelangen Bemühungen zur Gründung einer eigenen Ausbildungsinstitution erfolgreich und seit 1983 mit der BSA-Akademie am Start. Das Schicksal wollte, dass Arnold Schwarzenegger beim ersten Lehrgang „Fitnesstrainer/in-B-Lizenz“ in München dabei war.

In Hamburg setzten Refit Kamberovic und Birgit Schwarze 1984 mit der Gründung eines Arbeitgeberverbandes, damals unter dem Titel Deutscher Sportstudio Verband e. V. (DSSV), einen weiteren wichtigen Meilenstein für die Entwicklung der Fitness- und Gesundheitsbranche in Deutschland.


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Ein Bonmot zum Thema Kraft: Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Boris Becker saßen nach dessen erstem Sieg in Wimbledon 1985 zum Interview im „aktuellen Sportstudio“ des ZDF nebeneinander. Es ging u. a. um Training und Vorbereitung. Boris sagte, er mache alles mit Technik, worauf ihn der Bundespräsident am Arm antippte und sagte: „Na, ein bisschen Kraft werden Sie schon brauchen...“.

Peng – die letzte Dekade des 20. Jahrhunderts

Die Neunzigerjahre waren eine Zeit der Konsolidierung und der Vorbereitung auf eine neue Ära, die man sich zu Beginn des dritten Jahrtausends noch nicht vorstellen konnte. Auch der DSB beschäftigte sich nun intensiver mit den „kommerziellen Sportanbietern“, wie er die Fitnessstudios bezeichnete.

Indirekt wurde damit insinuiert, dass es den Studios vorrangig um Geld ginge. Dass sie aber hohe Steuern zahlten und einen gewaltigen Teil zur Verbesserung der Volksgesundheit beitrugen, wurde nie erwähnt. Mit den Vereinen selbst hatten die Studios keinerlei Probleme.

Bereits 1984 sagte mir der damalige DSB-Präsident Willi Weyer auf einem Ärztekongress in der Rhön als Abschluss nach einer Diskussion zum Thema Sportstudios: „Herr Busek, amerikanische Verhältnisse werden wir sicher nicht bekommen, da unsere Vereine jetzt flächendeckend Fitnessabteilungen einrichten werden.“ Meine Skepsis erwies sich in den Folgejahren als berechtigt.

Zwischenzeitlich hatte ich Kontakt mit dem DSB-Generalsekretär Karlheinz Gieseler und mit dem DSB-Breitensport-Beauftragten Prof. Dr. Jürgen Palm, den ich als Gastautor für die „Sportrevue“ gewinnen konnte. Prof. Palm hatte kurz nach Eröffnung mein Sportcenter besucht und war vom Gesamtangebot sehr beeindruckt.

Beim „Bundestag“ des DSB 1992 sollten mit einer offenen Diskussion die Weichen neu gestellt werden. Zu dieser Großveranstaltung in Berlin gab es viele Referate und Arbeitskreise. Zur ersten Podiumsdiskussion, Thema „Angebotsentwicklung im Spannungsfeld zwischen Sportvereinen und anderen Anbietern“, wurde ich eingeladen.

Die weiteren Teilnehmenden kamen vom DSB-Präsidium, einem Landessportbund, einem Verein und einer Kommune. Die Leitung hatte Prof. Palm. Nach den Einzelreferaten wurden in der Diskussion die unterschiedlichen Auffassungen ebenso deutlich wie der Wille zum Konsens und zur gemeinsamen großen Anstrengung.

In Erinnerung an diesen 27. November 1992, an die gesamten Neunzigerjahre und als Appell für die Zukunft möchte ich das Zitat wiederholen, das uns Johannes Eulering, Staatssekretär im NRW-Kultusministerium, vor 30 Jahren mit auf den Weg gab. Es stammt von dem kurz zuvor verstorbenen Willy Brandt:


„Unsere Zeit steckt, wie kaum eine andere zuvor, voller Möglichkeiten – zum Guten und zum Bösen. Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer. Darum – besinnt Euch auf Eure Kraft und darauf, dass jede Zeit eigene Antworten will und man auf ihrer Höhe zu sein hat, wenn Gutes bewirkt werden soll.“
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Willy Brandt (1913-1992), Bundeskanzler 1969-1974


Peng – das neue Jahrtausend ist schon in den Zwanzigerjahren

Die Entwicklung der Fitness- und Gesundheitsbranche in den ersten neunzehn Jahren des 21. Jahrhunderts in Deutschland gehört zu den herausragenden Erfolgsgeschichten, auf die alle, die dort arbeiten, stolz sein können.

Im Kontext der unzähligen neuen Ideen und der kontinuierlichen Diversifikation des Angebots war eine Entwicklung für mich einzigartig: Nach fast 20 Jahren höchst erfolgreicher Arbeit der BSA-Akademie erwuchs aus dieser „Ausbildungswurzel“ zunächst die BSA-Private Berufsakademie und daraus schließlich die Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG).

Die Zahlen der gesamten Branche vor der Pandemie (2019) sprechen für sich: fast 10.000 Studios, mehr als elf Millionen Mitglieder, mehr als fünf Milliarden Euro Umsatz. Selbst die Profifußballer:innen nutzen die heute bestens ausgestatteten „Kraftkammern“ in ihren Clubs offensichtlich mit größter Freude, wie Ronaldo schon sehr früh in seiner Karriere gern auch zeigte!

Die Zäsur und der Ausblick

Ja, die für unvorstellbar gehaltene Pandemie hat der gesamten Welt – in unserem Land vor allem auch durch unzählige Fehleinschätzungen der Verantwortlichen – sehr, sehr viel abverlangt und Verluste gebracht. Es gab viele tragische Einzelschicksale.

Aber nein, wir werden nie aufgeben, denn die Fitness- und Gesundheitsbranche ist wertvoller und notwendiger für die Volksgesundheit denn je. Zu allen Zeiten seines Lebens seit Teenagertagen gilt für Arnold Schwarzenegger der Leitsatz: „It’s just the beginning“! Schließen wir uns dieser unerschütterlichen Zuversicht einfach an.

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