Fitness, Management | Autor/in: Prof. Dr. Daniel Kaptain |

Fitnessorientierte Krafttrainingsmethoden

Umsetzbarkeit und Anwendungsmöglichkeiten von Krafttrainingsmethoden im Fitnessstudio: Trainingsprogramme sollten nicht nur nach ihrer Effektivität bewertet werden – auch ihre Tauglichkeit im Studio-Alltag muss geprüft werden.

Ziel des vorliegenden Artikels ist es aufzuzeigen, inwieweit bekannte und aus trainingswissenschaftlicher Sicht als effektiv geltende Trainingsprogramme auch praktikabel in der Umsetzung sind bzw. sein können.

Diese Fragestellung ist im Internetzeitalter wichtiger denn je, findet sich in digitalen Medien doch eine Fülle von als „effektiv“ ausgewiesenen Programmen, die sich oftmals in ihrer Komplexität und Intensität gegenseitig überbieten. Dadurch wird dem User suggeriert: „Je mehr, desto besser“. Hierbei werden folgende Punkte häufig übersehen:

  1. An wen richten sich die Empfehlungen (Profi oder Anfänger)?
  2. Inwieweit sind diese Programme umsetzbar (notwendige Ressourcen)?

 

Um eine Aussage darüber treffen zu können, ob ein Training im Allgemeinen erfolgreich ist, sollten die Bewertungsrichtlinien betrachtet werden. Geht es um einen lang- oder kurzfristigen Erfolg? Sowohl Trainer als auch Studiobetreiber, v. a. jedoch Kunden, profitieren von einer langfristigen, lebensbegleitenden Trainingswirksamkeit. Geht es einzig und allein um ein abwechslungsreiches Training, so können bei entsprechender Belastbarkeit und Trainingserfahrung unterschiedliche, stetig wechselnde und intensiv-komplexe Trainingsstrategien angewendet werden.

Bewertbarkeit von Trainingsprogrammen und -strategien

Aus den bekannten sieben Trainingsprinzipien sind es vor allem die Prinzipien „Dauerhaftigkeit und Kontinuität“ sowie „Individualität und Altersgemäßheit“, die als primäre Bewertungskriterien für die Frage nach der langfristig sinnvollen Trainingsumsetzung herangezogen werden sollten. Die individuellen materiellen, räumlichen und organisatorischen Gegebenheiten in der jeweiligen Fitnesseinrichtung (z. B. Auslastung der Trainingsfläche; qualitative und quantitative Geräteausstattung) sind entscheidend dafür, ob gewisse Trainingsprogramme in der Realität umsetzbar sind.

1. Dauerhaftigkeit und Kontinuität

Als Trainer sollte immer bedacht werden, dass ein Programm erst dann langfristig erfolgreich sein kann, wenn es über einen längeren Zeitraum regelmäßig umgesetzt wird. Um diesen Anforderungen gerecht werden zu können, muss ein solches Programm grundsätzlich erst einmal das Kriterium der Umsetzbarkeit erfüllen. Hier spielen die Belastungsverträglichkeit und die Praktikabilität (Aufwand, Ertrag und Intensität) eine besondere Rolle, außerdem die Überzeugung und Motivation des Kunden. Diese sind umso größer, je mehr die Maxime verfolgt wurde, dass der Aufwand (Training) und der Ertrag (das positive Gefühl, durch das Training einen wirksamen Effekt erzielt zu haben) in Einklang stehen. Denn wenn der Kunde wahrnimmt, dass das Training positive Effekte erbringt, wird er wiederkommen.

2. Individualität und Altersgemäßheit

Hierunter fallen die Überlegungen, wie viel Aufwand und Komplexität im Training angemessen sind, um einen gewünschten Effekt zu erzielen. Individuelle Voraussetzungen wie beispielsweise Alter, Trainingserfahrung und körperliche Leistungsfähigkeit spielen bei der Konzeption von Trainingsprogrammen eine entscheidende Rolle. Ein Programm, das für einen Profisportler gewinnbringend ist, kann und wird für einen Trainingsbeginner eher zu Überlastung und Frustration führen. Es sollte demnach das Zeitbudget (Invest), die körperliche Belastbarkeit (motorische Fitness), die Motivation (mentale Fitness) und die Regenerationskapazität (Freizeit- und Berufsbelastung, gesunder Lebensstil etc.) berücksichtigt werden. Wenn diese Parameter optimal ausgeprägt sind, kann ein intensives und/oder umfangreiches Training in Betracht gezogen werden.

Anhand dieser Ausführungen wird klar, warum viele Trainingsempfehlungen in der Realität scheitern, wenn das Umfeld und die individuellen Voraussetzungen nicht berücksichtigt werden.

Ein pragmatisches Beispiel zur Veranschaulichung

Ein langjährig bekanntes und in Trainingskreisen populäres Training ist der volumenorientierte Ansatz 10 x 10 bzw. 10 x 5. Hier werden 10 Sätze mit 5 bzw. 10 Wiederholungen ausgeführt, um einen größtmöglichen Trainingsreiz (Workload) auf die zu trainierende Muskulatur wirken zu lassen. Dieser Ansatz hat bereits bei Bodybuilding-Legenden wie Arnold Schwarzenegger zu Ruhm und Erfolg geführt und wird von populären Trainern wie Charles Poliquin bei diversen Leistungssportlern seit Jahrzehnten angewandt. Eine solche Inspiration für die Gestaltung eigener Trainingspläne ist zwar nicht unbedingt als wissenschaftlich gesichert anzusehen, kann aber trotzdem sinnvoll sein, wenn man dem Credo „Learn from the best“ folgen möchte! Selbst wenn es sich um einen Kunden mit überdurchschnittlichem Entwicklungspotenzial (Genetik, soziale Rahmenbedingungen etc.) und einem auf den Sport ausgerichteten optimalen Lebensstil (Ernährung, Regeneration, Trainingserfahrung) handelt, sollte man als Trainer im Fitnessstudio zusätzliche Überlegungen bei der Wahl der Trainingsmethodik berücksichtigen:

  • Wie viele Kunden mit den genannten Voraussetzungen sind vorhanden?
  • Welche praktischen Auswirkungen hat ein solches Training auf die Gerätefrequentierung?
  • Inwieweit führt die Trainingsausübung zu Störungen des Trainingsablaufs aller Kunden?
  • Ist wissenschaftlich gesichert, dass ein solcher Aufwand effizient ist?

Eine reibungslose Durchführung muss stets gesichert sein. Bei volumenorientierten Trainingsprogrammen besteht immer die Gefahr, dass diverse Geräte dauerhaft blockiert sind. Bei einem 10 x 10 Training (z. B. bei der Übung „Kniebeuge“) kann es vorkommen, dass das Power-Rack von einem einzigen Kunden für 30 Minuten blockiert wird. Dies führt für alle anderen Kunden, die zur gleichen Zeit trainieren, zu Wartezeiten und Frust. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass ein solches Training eine starke neuronale und metabolische Erschöpfung auslöst, die wiederum einen erhöhten Regenerationsbedarf erfordert.

Eine weitere Trainingsmethode sind „Supersätze“, eine direkte Abfolge mehrerer Übungen ohne Pause, die ebenfalls als sehr effektiv und praxiserprobt gilt. Durch die direkte Abfolge der Übungen wird der laktazide Stress in der trainierten Muskulatur intensiviert, was neben der gesteigerten Ermüdung auch ein höheres Muskeldickenwachstum auslösen kann. Dies erfolgt unter der Prämisse, dass die Regenerationszeit qualitativ und quantitativ gegeben sein muss. Selbst wenn dies der Fall ist, müssen dem Trainierenden während der Trainingszeit mehrere Geräte oder Trainingswerkzeuge (Hanteln) gleichzeitig zur Verfügung stehen. Auch dies kann in stark frequentierten Fitnessstudios zu Interessenkonflikten unter den Trainierenden führen. Dabei muss der Trainer oftmals die Wogen glätten, denn er hat durch seine Trainingsplangestaltung hierfür auch die Verantwortung zu tragen.

Aus diesem Grund sind die Empfehlungen bzgl. Trainingsstrategien und Intensitätstechniken im Vorfeld auf Praktikabilität zu untersuchen.

Lösungsansatz

Intention dieses Artikels ist es nicht, ein intensives Training im Fitnessstudio in Frage zu stellen oder gar hiervon abzuraten. Kunden, die höhere Trainingsintensitäten benötigen, um weitere Fortschritte zu erzielen, sollen stets berücksichtigt werden und eine adäquate Trainingsbetreuung erhalten. Auch ein Infragestellen der beschriebenen Programme und Strategien ist nicht beabsichtigt. Es geht vielmehr um eine Differenzierung und Sensibilisierung bei der Betrachtung der „Umsetzbarkeit“. Ein möglicher Ansatz zur Umsetzung eines umfangs- und intensitätsorientierten Trainings könnte folgendermaßen aussehen:

Split-Training: Oberkörper/Unterkörper; 4-6 Übungen/Muskel

Dargestellt wird die Trainingseinheit für den Oberkörper:

1. Phase: Aufwärmen allgemein (ca. 10 Minuten Ergometer) und speziell (je Gelenk/Übung je 1 Satz bei 50-70 % der Trainingslast)

2. Phase: Trainingsdurchführung (je 1 Satz bei 10-12 Wiederholungen bis zum konzentrischen Muskelversagen) – Pausendauer (zwischen den Übungen) 90-120 Sekunden

  1. Bankdrücken Langhantel
  2. Schrägbankdrücken Kurzhantel
  3. Butterfly Kabelzug
  4. Brustpresse Maschine
  5. Schrägbankdrücken Maschine
  6. Butterfly Maschine
  7. Klimmzug (ggf. Zusatzlast)
  8. Vorgebeugtes Rudern (Langhantel)
  9. Rudern am Zugturm (sitzend)
  10. Latzug zur Brust
  11. Pullover mit Kurzhantel
  12. Latzug in den Nacken
  13. Reverse Butterfly Maschine
  14. Seitheben mit Kurzhantel
  15. Frontheben mit Kurzhantel
  16. Nackenheben mit Langhantel („Shrugs“)
  17. Trizepsstrecken Zugturm
  18. Bizepscurls Kurzhantel

3. Phase: Cool Down (Ergometer; ca. 1/3 der Trainingszeit) und Beweglichkeitstraining (moderat)

Anhand der Übersicht wird deutlich, dass ein volumen- und intensitätsorientiertes Training auch für weit fortgeschrittene Sportler im Fitnessstudio kein Widerspruch sein muss. Die beschriebenen 18 Übungen (= 18 Sätze) können mit einer hohen Intensität (da nur ein Trainingssatz) vollzogen werden. Damit sind Volumen und Intensität nahezu gleichermaßen berücksichtigt. Der Vorteil liegt aber vor allem in der Umsetzung. Jede Übung ist maximal 60 bis 90 Sekunden belegt (Trainingsdurchführung), die Pausendauer kann bis zur nächsten frei werdenden Übung genutzt werden. Somit kommt es zu weniger frequenzbedingten Überschneidungen.

Voraussetzung ist neben der Übungs- und Geräteauswahl die Kenntnis über die Übungsausführung und die individuelle Eignung für den Trainierenden. Dies sollte bei erfahreneren Trainierenden gegeben sein.

Fazit

Die Bewertung von Trainingsprogrammen sollte nicht allein über den Nachweis des Effektes anhand von Experten, Studien und Erfolgen aus dem Leistungssport erfolgen. Vielmehr muss die Tauglichkeit zur Umsetzung im Fitnessstudio-Alltag geprüft werden. Denn nur unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte lässt sich im Einzelfall beurteilen, ob ein Trainingsprogramm überhaupt effektiv sein kann. Wenn die Komplexität und Intensität eines Trainingsprogramms die materiellen und räumlichen Voraussetzungen sowie die physische und psychische Leistungsfähigkeit des Trainierenden übersteigen, werden Trainingserfolge aufgrund der eingeschränkten Umsetzbarkeit langfristig gemindert.

Über den Autor

Prof. Dr. Daniel Kaptain ist u. a. Dozent an der DHfPG und der BSA-Akademie. Von 2010 bis 2013 promovierte er im Fachbereich Sportwissenschaften. Darüber hinaus ist er Experte für Konditions- und Athletiktraining sowie ausgebildeter Trainingstherapeut.

 

In unserer fM Serie zum Thema „Kraft-Ausdauer-Training“ sind bisher folgende Artikel erschienen (verlinkt) und weitere geplant:

Teil 1: „Ausdauertraining im Fitnessstudio – effektiv und ökonomisch trainieren“ von Prof. Dr. Daniel Kaptain

Teil 2: „Die Ernährung eines Ausdauersportlers“ von Dr. Katrin Stücher

Teil 3: „Das perfekte Work-out für die Gesundheit: Ausdauertraining!“ von Markus Wanjek

Teil 4: „Regeneration verbessern durch Entspannungstraining“ von Uschi Moriabadi

Teil 5: „Fitnessorientierte Krafttrainingsmethoden“ von Prof. Dr. Daniel Kaptain

Teil 6: „Sporternährung für Kraftsportler“ von Dr. Katrin Stücher – ab 04.01.2019 bei fM ONLINE

Teil 7: „Gesundheitspositive Effekte von Krafttraining“ von Markus Wanjek – 11.01.2019 bei fM ONLINE

Teil 8: „Mentales Training im Sport“ von Uschi Moriabadi – 18.01. bei fM ONLINE

Teil 9: „Sporternährung für Spielsportler“ von Dr. Katrin Stücher – ab 25.01. bei fM ONLINE