Digital, Management | Autor/in: Jost-H. Roth |

Digitale Erfolgspotenziale nach dem Restart

Inwieweit sollte die Corona-Pandemie Anlass für eine intensivere Beschäftigung der Fitness- und Gesundheitsbranche mit dem Thema Digitalisierung sein? Welche Schlussfolgerungen aus der Entwicklung der letzten Monate für den Einsatz der Digitalisierung gezogen werden können und wie die digitale Transformation unsere Branche perspektivisch weiter verändern wird, erläutert Jost-H. Roth.

Studios als 'Problemlöser' und Ansprechpartner Nr. 1 für Sport und Gesundheit.

Die Fitness- und Gesundheitsbranche wie auch große Teile der deutschen Wirtschaft wurden durch die beiden Corona-bedingten Lockdowns hart getroffen.

Herausforderungen nach dem Restart

Je nach Bundesland waren die Fitness- und Gesundheitseinrichtungen per Verordnung mehrere monatelang geschlossen. Der Restart erfolgte mit starken Einschränkungen und unter Beachtung strenger Hygiene- sowie Abstandsregeln. (Hier zu unserer aktuellen Übersicht zur Wiedereröffnung der Studios)

Die Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen durch die zweite Schließung der Studios stellt uns angesichts von immensen Umsatzrückgängen, einer höheren Zahl an Kündigungen sowie geringen Neuanmeldungen vor enorme Herausforderungen.


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Zusätzlich haben wir es jetzt mit Kunden zu tun, die eine gewisse Zeit nicht trainieren konnten und eventuell aus Sorge vor Ansteckung in Zukunft auch nicht mehr trainieren wollen. Deren Sichtweise auf das Training und die Trainingsgewohnheiten hat sich durch die Krise möglicherweise stark verändert.

De facto wirft das folgende Fragen zur zukünftigen Ausrichtung unseres Geschäftsmodells auf:

1. Können wir als Fitnessanbieter für Mitglieder, deren veränderten Bedürfnisse sich gerade durch eine solche Krise manifestieren, weiter eine Rolle spielen?

2. Bleiben wir mit unserer aktuellen Dienstleistung für unsere jetzigen und zukünftigen Kunden als 'Problemlöser' wirklich relevant?

Das radikale Infragestellen traditioneller Geschäftsmodelle, Technologien, Verfahren, Produkte und Dienstleistungen durch neue Lösungen wird in der Managementliteratur gern als Disruption (dt.: Zerstörung) bezeichnet.

Die Digitalisierung als „einerseits (1) die Überführung von Informationen von einer analogen in eine digitale Speicherform und andererseits (2) die Übertragung von Aufgaben, die bisher vom Menschen übernommen wurden, auf den Computer“ (Hess, 2016) spielte bei disruptiven Prozessen der letzten Jahrzehnte eine maßgebliche Rolle. Denken wir hierbei nur an die Umwälzung der Märkte für Fotografie (u. a. digitale Kameras), Personenbeförderung (z. B. Uber) und Handel (bspw. Amazon).

Die Digitalisierung ist für unsere Branche nichts Neues, hier setzt man schon seit längerem auf digitale Angebote und Prozesse. Aber welche wesentlichen Veränderungen sollten wir jetzt dringend vornehmen, um unser Geschäftsmodell zukunftssicher zu machen und den Post-Corona-Herausforderungen zu begegnen?

Hierzu fünf Digitalisierungsthesen:

1. Online verfügbare digitale Angebote für Training, Kurse und Ernährung bleiben über die Corona-Krise hinaus Teil unserer Dienstleistung!

Die Branche hat auf den erzwungenen Lockdown mit digitalen Angeboten für das Training zu Hause reagiert. Diese Möglichkeiten wurden intensiv genutzt und als klarer Mehrwert empfunden. Hohe Abrufzahlen von YouTube-Videos und die rege Teilnahme an Livestreams belegen dies.

Die Ausweitung unseres Angebotes ist für die Kunden auf alle Fälle mit einem Zusatznutzen verbunden. Daher ist davon auszugehen, dass Online-Kurse, individuelle Beratungen und Personal Trainings per Zoom, Skype oder über andere Medien nicht einfach wieder verschwinden, sondern integrierter Bestandteil unserer Dienstleistung werden.


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2. Digitale Kommunikation mit unseren Kunden wird noch relevanter!

Kommunikation schafft Kundenbindung. Mit digitalen Medien lässt sich einfach, zielgruppenspezifisch und kostengünstig kommunizieren. Ein Erfolgsrezept in der Krise bestand in einer intensiven, vorwiegend digitalen Kommunikation mit den Kunden. Per E-Mail, WhatsApp und über soziale Medien wurde über Trainingsalternativen informiert, die Community durch Facebook-Gruppen gestärkt und Updates zu regulatorischen Maßnahmen der Behörden geteilt.

Dadurch ist es gelungen, die Bindung und Identifikation mit den Unternehmen zu stärken, Kampagnen wie 'Stay Strong – Stay Together!' die nötige Resonanz zu verschaffen und somit die Solidarität mit unseren Betrieben zu stärken. Ein willkommener Nebeneffekt könnte sein, dass durch intensivere (digitale) Kommunikation der Anteil inaktiver Mitglieder gesenkt und die Fluktuationsquote positiv beeinflusst werden kann.

3. Unsere Prozesse müssen digitaler werden!

Die konsequente Digitalisierung von Prozessen erhöht die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen. Für viele Branchen wird die Krise zum Weckruf, endlich häufig bereits existierende digitale Lösungen zu implementieren. Wo vorher Hürden gesehen wurden oder Bequemlichkeit regierte, erkennt man jetzt die Notwendigkeit schnell zu handeln.

Für unsere Branche gibt es einige Maßnahmen, die jetzt konsequent umgesetzt werden sollten:

Entwicklung bzw. Weiterentwicklung von kundenfreundlichen Mitglieder-Apps mit der Möglichkeit, Servicetermine und Kurse online zu buchen sowie die Studioauslastung in Echtzeit zu sehen.

Außerdem können der Online-Verkauf von Mitgliedschaften, die Schichtplanung per Mitarbeiter-App, Online-Mitarbeitermeetings u. a. einfacher organisiert werden.


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4. Die Digitalisierung ermöglicht es uns, die Bedürfnisse unserer Kunden ganzheitlich abzubilden und abzudecken – Insellösungen sind passé!

Die Existenzberechtigung von Unternehmen liegt darin begründet, die vielfältigen Bedürfnisse und Probleme ihrer Kunden zu kennen und dafür Lösungen anzubieten. Der Kunde sieht in uns die Spezialisten für körperliche und/oder geistige Gesundheit und Fitness. Wenn wir diese Probleme lösen, sind wir relevant.

Smartes Equipment, das die Aktivitäten im Studio aufzeichnet, ermöglicht es uns, die Trainingsfortschritte der Kunden zu verfolgen und bei Bedarf unterstützend und motivierend einzugreifen.

Mitglieder-Apps, die nicht nur die Studio-, sondern auch die Outdooraktivitäten und Ernährungsgewohnheiten protokollieren, helfen uns, ganzheitlich an unseren Kunden „dranzubleiben“ und uns darum zu kümmern, dass deren Ziele auch erreicht werden. Kunden, die Erfolge feiern, werden uns treu bleiben und dadurch unser wirtschaftliches Ergebnis verbessern.

5. Das Fitness- und Gesundheitsangebot der Zukunft wird durch ein hybrides, vernetztes Konzept aus traditionellem Training vor Ort und Online-Angeboten definiert werden.

Die Krise hat deutlich gemacht, dass hybride Geschäftskonzepte, die online und offline Angebote bereithielten, deutlich weniger anfällig waren als rein stationäre Geschäftsmodelle.

Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass auch für unsere Branche die Entwicklung und Umsetzung eines hybriden Dienstleistungskonzeptes sinnvoll und empfehlenswert ist. Die einzelnen Komponenten sollten sorgfältig aufeinander abgestimmt sein, um die Kundenbedürfnisse in Bezug auf Training, Ernährung und Entspannung online wie auch offline abzudecken.

Wir haben die Chance, die Attraktivität unseres Angebots dadurch zusätzlich zu steigern und weitere Zielgruppen zu erreichen, also die Marktdurchdringung insgesamt zu erhöhen. Hier spielen eine zielgerichtete Kundenkommunikation und entsprechende Marketingstrategien in den nächsten Monaten eine tragende Rolle.


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Fazit

Die anhaltende Corona-Krise wird zum Beschleuniger einer bereits begonnenen digitalen Entwicklung. Das Fitnessstudio der Zukunft wird sich zu einem Content-Anbieter entwickeln, der seine Inhalte online und offline zur Verfügung stellt. Das Unternehmen hält über digitale Medien regelmäßigen Kontakt zu seinen Kunden und ist durch integrierte Systeme über deren Aktivitäten und Zielerreichungsgrade informiert.

Das ermöglicht dem Studio, mit seiner Dienstleistung 'Problemlöser' und wesentlicher Ansprechpartner bei den sport- und gesundheitsbezogenen Themen seiner Kunden zu sein. Der dadurch realisierte Kundennutzen ist die Basis für Umsätze, die das Geschäft zukunftssicher und profitabel machen.

Das Fitnessstudio vor Ort als sozialer Kosmos und Anlaufstelle zur Begegnung von Menschen wird sicherlich im Zentrum bleiben, seinen Wirkungsgrad aber deutlich erweitern. Abschließend ein Zitat von Chuck Runyon, dem Mitbegründer von Anytime Fitness, der weltweit größten Fitnesskette, anlässlich der Entwicklung der letzten Monate: 'Learn from it, adopt it, become better'.

In diesem Sinne – lasst uns unsere 'digitalen Muskeln' stärken! (Lesen Sie auch: Soziale Muskeln – 7 Tipps wie Sie 'InstaGRAMM-Muskeln' aufbauen)

Über den Autor

Jost-H. Roth ist Dozent an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und der BSA-Akademie. Als Unternehmensberater unterstützt er Kunden schwerpunktmäßig bei kaufmännischen Themen.
In seiner Laufbahn hat er in kaufmännischen Führungspositionen gearbeitet, Unternehmen mitgegründet, aufgebaut und sich dabei intensiv mit Aspekten der Digitalisierung befasst.

Literaturliste

Hess, T., Gronau, N., Becker, J., Sinz, E. J., Suhl, L. & Leimeister, J. M., (Hrsg.) (2016). Digitalisierung. Zugriff am 29.05.2020.
Kaplan, A. (Moderator). (05.05.2020). Self Esteem Brands CEO Chuck Runyon – By all Means (Audio Podcast). Zugriff am 29.05.2020.

Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 04/2020 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.

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