Fitness, Gesundheit, Markt | Autor/in: Florian Schmidt & David Köndgen |

Gesundheitstraining in Zeiten der Pandemie: Experten plädieren für Öffnung der Fitnessstudios

Warum Fitness- und Gesundheitsstudios wieder geöffnet werden sollten und was das mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie zu tun hat, erklären der Vorstand der IKK Südwest Prof. Dr. Jörg Loth und Prof. Dr. Arne Morsch, Dozent an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG), im fM Interview.

Exklusives fM Interview: Gesundheitsexperten pro Restart

Gemeinsam mit den Gesundheitsexperten Prof. Dr. Jörg Loth (IKK Südwest) und Prof. Dr. Arne Morsch (DHfPG) analysieren wir die aktuellen Entwicklungen rund um den Lockdown und die anhaltende Schließung der Fitness- und Gesundheitsanlagen.

Warum der Restart und gezielte Prävention gerade jetzt wichtiger denn je sind, erläutern die Experten im Folgenden. 



fM: Sie setzen sich dafür ein, dass Fitness-und Gesundheitsanlagen priorisiert geöffnet werden sollen. Warum halten Sie das für wichtig?

Jörg Loth: Bewegung ist extrem wichtig für die Prävention von Erkrankungen: Es ist erwiesen, dass regelmäßiges Training vor Volkskrankheiten wie Diabetes, Adipositas oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützt. Für viele bleibt das Training seit Monaten aus, das kann schwerwiegende gesundheitliche Auswirkungen haben.

Es geht aber auch darum, denjenigen zu helfen, die akut Hilfe brauchen. Nehmen wir das Beispiel Rückenschmerzen. Diese sind auch während der Corona-Krise die zweithäufigste Ursache für Krankschreibungen. Wer an Schmerzen leidet, braucht Training, um wieder gesund zu werden. Wenn Gesundheits- sowie Fitnesseinrichtungen geschlossen
sind und auch der Sport in unseren Vereinen nicht möglich ist, wie sollen Betroffene dann etwas gegen ihre Beschwerden tun?

Mehrere Untersuchungen haben gezeigt, dass das Training im Studio sicher ist, wenn die Hygienemaßnahmen umgesetzt werden. Also beispielsweise Schnelltests, Maske tragen und eine begrenzte Anzahl von Trainierenden.


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fM: Sie sprechen das Thema Volkskrankheiten an. Wie ist die Lage im Saarland?

Jörg Loth: Die Entwicklung von Volkskrankheiten im Saarland ist besorgniserregend. Bereits mehr als zehn Prozent der Saarländer leiden an Diabetes und die Zahlen steigen stark an.Das sehen wir auch bei anderen Krankheiten wie Adipositas oder Muskel-Skelett-Erkrankungen.

Mehr als 80 Prozent der Krankheitslast im Saarland liegt auf solchen vermeidbaren Volkskrankheiten und Bewegungsmangel ist dabei ein zentraler Risikofaktor.

Wir schaffen die Patienten von morgen, wenn wir den Zugang zu einem Präventionstraining nicht möglich machen (Lesen Sie auch: 'Prävention statt Stillstand'). Das bedeutet auch eine finanzielle Mehrbelastung der Solidargemeinschaft: die Behandlungskosten solcher Erkrankungen sind hoch und oftmals lebenslang aufzubringen.


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Gerade jetzt brauchen die Menschen regelmäßiges Ausdauer- und Krafttraining, um sich besser vor Erkrankungen und schweren Corona-Verläufen zu schützen. Studien zeigen, dass Diabetes, Bluthochdruck und weitere Volkskrankheiten das Risiko eines schweren Verlaufs erhöhen.

Je besser die körperliche Fitness, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit eines Krankenhausaufenthalts bei einer Infektion.


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Arne Morsch: Aktuelle Studien zeigen, dass eine gute körperliche Leistungsfähigkeit durch regelmäßiges Training vor schweren Verläufen bei einer COVID-Infektion schützen kann. Die Öffnung der Studios - und der dadurch entstehende Gesundheitsnutzen - sollte Teil der Bekämpfung dieser Pandemie sein.

Hier gibt es die besten Voraussetzungen, ein individuelles Training zu absolvieren, das wissenschaftlich fundiert ist. Das Saarland-Modell und die Öffnung der Einrichtungen und des Breitensports waren wegweisend und richtig. 

Ich bin der Meinung, dass es eine neue Perspektive auf das Thema Prävention geben sollte. Der Fokus sollte auf der Person liegen und individuell geschaut werden, was zu tun ist. Das funktioniert am besten in Fitness- und Gesundheitsstudios.

Hier ist geschultes Personal vor Ort, das erst mal den Fitness- und Gesundheitszustand eines Trainierenden ermittelt. Darauf aufbauend werden dann Trainingsziele gesetzt, ein Plan entworfen und umgesetzt. Und die Effekte für die Gesundheit können dann auch regelmäßig evaluiert werden.


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fM: Welchen Einfluss hat das Schließen der Fitness- und Gesundheitsanlagen auf das Trainingsverhalten?

Arne Morsch: Wir haben Mitglieder von Fitnesseinrichtungen befragt als die Studios wieder öffnen durften (Hier zu den umfangreichen Ergebnissen der 'DHfPG Corona-Studie' ). Da haben wir festgestellt, dass sich das Training positiv auf die körperliche und mentale Gesundheit der Trainierenden ausgewirkt hat.

Die Motivation und die Trainingshäufigkeit haben während der Schließung messbar gelitten, weniger Menschen haben zuhause oder im Freien trainiert. Als wieder geöffnet wurde, haben sich die Mitglieder wieder bewegt, sich besser gefühlt und etwas für ihre Gesundheit getan.

Fitness- und Gesundheitsanlagen haben einen wichtigen Einfluss auf die Gesundheit der Menschen. Sie sind keine Freizeiteinrichtungen, sondern bedeutsame Gesundheitsdienstleister. Daher ist die Öffnung der Anlagen so wichtig.


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Jörg Loth: Genau, der Einbezug dieser Einrichtungen in das Saarland-Modell durch unsere Landesregierung war und ist ein erfolgversprechender Weg, der zudem wissenschaftlich gut abgesichert werden kann. Gleichermaßen wichtig ist die Ermöglichung des Vereinssports.

Wenn es das Infektionsgeschehen rund um die aktuell fokussierten Inzidenzen zulässt, kann durch die schnellstmögliche Wiederöffnung der Einrichtungen ein ganz wesentlicher Beitrag für die Gesundheit der Menschen geleistet werden.

Das angeleitete Training in Gesundheits- und Fitnesseinrichtungen gehört in dieselbe Kategorie wie eine Physiotherapie: es ist genauso wichtig für den Erhalt der Gesundheit. Wir müssen uns daher mit der Frage auseinandersetzen, ob solche Leistungen den Menschen künftig, ähnlich wie eine verschriebene Physiotherapie oder Krankengymnastik, zur Verfügung gestellt werden können.

Denn eines ist unbestritten: die Entstehung und Chronifizierung einer Erkrankung zu vermeiden, muss oberste Priorität haben.


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