Gesundheit, Management, Markt | Autor/in: Jürgen Wolff |

Bastian Bloier im Interview: „Nicht bei allen steht der Job noch an erster Stelle“

Vertrauen, Wertschätzung, Freiraum für eigene Entscheidungen oder die Übertragung von Verantwortung sind für die langfristige Motivation der Mitarbeitenden wichtig. Bastian Bloier leitet im Gesundheitszentrum Lang in Dinslaken den Fachbereich medizinische Trainingstherapie und zeigt im Interview, wie diese Werte bei der Personalrekrutierung und -bindung genutzt werden können.

Interview mit Bastian Bloier

mfhc: Der Fachkräftemangel stellt Unternehmen fast aller Branchen vor Herausforderungen. Inwieweit ist Ihr Unternehmen aktuell vom Fachkräftemangel betroffen und wie reagieren Sie darauf?

Bastian Bloier: Wie wahrscheinlich alle in der Gesundheitsbranche sind auch wir stark vom Fachkräftemangel betroffen. Man hört von allen Seiten, dass Personal gesucht wird, und sieht es auch bei den Mitbewerbern.


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Als Reaktion darauf versuchen wir, unser Unternehmen und die Konditionen für neue wie auch bestehende Mitarbeitende so attraktiv wie möglich zu gestalten.

Das Gesundheitszentrum Lang ist mit mehreren Abteilungen in verschiedenen Geschäftsfeldern der Gesundheitsversorgung tätig. Können Sie und Ihre Kollegen in Bezug auf den Fachkräftemangel Unterschiede zwischen den einzelnen Unternehmensbereichen feststellen?

Wir merken es eigentlich durch die Bank weg in allen Abteilungen. Sowohl in den „handwerklichen“ Berufen aus der Reha- oder Orthopädietechnik als auch besonders in den Therapieberufen. Physio-, Ergo- und auch Sport- und Bewegungstherapeuten werden immer gesucht. (Auch lesenswert: 'Aktiv gegen den Fachkräftemangel')

Inwieweit müssen Sie beim Recruiting zwischen den Unternehmensbereichen und Tätigkeitsprofilen unterschiedliche Schwerpunkte setzen?

Dadurch, dass die Tätigkeitsprofile in den verschiedenen Berufen und Bereichen sich so stark unterscheiden und auch der Zugang zum jeweiligen Beruf unterschiedlich sein kann, müssen wir natürlich Akzente setzen.

Während es in den handwerklichen Berufen möglich ist, zukünftige Fachkräfte im Unternehmen selbst auszubilden, müssen wir in der Physiotherapie auf schon fertig ausgebildete Leute setzen, die woanders ihre Ausbildung oder ihr Studium absolvieren. Dementsprechend setzt das Recruiting früher oder später ein.

Was müssen Betreiber und Betreiberinnen im Rahmen eines zeitgemäßen Recruitings tun, um engagierte Nachwuchskräfte zu gewinnen? Welche Recruitingkanäle sind für die Mitarbeitergewinnung besonders wichtig?

Ich denke, dass es wichtig ist, auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden einzugehen. So merkt man bei den verschiedenen Generationen einen Unterschied, worauf es ankommt. Nicht bei allen steht der Job noch an erster Stelle. Freizeit ist mindestens genauso wichtig geworden, wenn nicht sogar noch wichtiger. Daher ist es nötig, auf die entsprechenden Bedürfnisse zu reagieren.

Wir nutzen selbst aktive und passive Recruitingkanäle. Unsere Stellenanzeigen versuchen wir so attraktiv und präzise wie möglich zu schreiben und präsentieren diese über verschiedene Kanäle: auf unserer Website, in sozialen Netzwerken oder Jobbörsen.


Über unseren Interviewpartner

Der Sport- und Bewegungstherapeut Bastian Bloier ist 30 Jahre alt, verfügt über den B. A. Fitnessökonomie (DHfPG) sowie den M. A. Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und leitet im Gesundheitszentrum Lang in Dinslaken den Fachbereich medizinische Trainingstherapie. Neben der praktischen Arbeit mit den Patienten der ambulanten muskuloskelletalen und neurologischen Rehabilitationsklinik promoviert er als externer Doktorand an der Universität des Saarlandes zum Thema „Blood Flow Restriction Training in der Therapie muskuloskelletaler Erkrankungen“. Bastian Bloier arbeitet als Dozent an der DHfPG sowie der BSA-Akademie im Bereich Sport- und Bewegungstherapie


Darüber hinaus nehmen wir aktiv Kontakt zu potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten auf, besuchen Karrieremessen und sind in den Physio- und Ergotherapieschulen präsent.

Wir schauen, dass wir uns breit aufstellen. So sind wir z. B. auf XING, LinkedIn, Instagram und Facebook, aber auch auf aufstiegsjobs.de zu finden.

Welche Rolle spielen die Social-Media-Kanäle Ihres Unternehmens für das Etablieren einer Arbeitgebermarke? Welche Art Social-Media-Beiträge posten Sie im Zuge des Recruitings?

Social Media ist ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil. Unternehmen müssen sich so attraktiv wie möglich präsentieren.

Wir selbst versuchen, so transparent wie möglich zu sein, und präsentieren unser Unternehmen und all unsere Möglichkeiten, Menschen zu helfen. Wir zeigen bestehende Mitarbeiter, deren Ausbildungswege und teilweise auch, wie ihr Arbeitstag bei uns ausschaut.

Hinzu kommt Info-Content aus den verschiedenen Abteilungen – sei es ein 3D-Druck von Schuheinlagen, interessante Studien aus der Welt der Sportwissenschaft oder das leckere Ergebnis unserer Koch- und Backgruppe, angeleitet von Ergotherapeutinnen in unserer neurologischen Rehabilitation.

Das Thema „Employer Branding“ wird für Unternehmen immer wichtiger. Wie schaffen Sie nachhaltig eine starke Arbeitgebermarke, die sich von der Konkurrenz abhebt und Bewerberinnen und Bewerber überzeugt?

Bei uns beginnt es mit dem internen Employer Branding. Wir versuchen eine großartige Arbeitsatmosphäre zu bieten, die von Respekt und gegenseitiger Wertschätzung geprägt ist. Und dieses Arbeitsklima wollen wir dann ins externe Employer Branding übertragen. So sehen potenzielle neue Arbeitnehmer, was sie erwartet und auf was sie sich freuen können.

Was müssen Unternehmen heutzutage bieten, um von Fachkräften als attraktiver Arbeitgeber gesehen zu werden?

Das Thema Freizeit ist für einen erheblichen Teil der Leute ein wichtiger Punkt. Work-Life-Balance ist das Stichwort. Diesem Wunsch müssen Unternehmen nachkommen, wie auch immer das im jeweiligen Bereich aussehen mag.

Jedoch ist und bleibt der wichtigste Punkt das Gehalt. Die jahrelange Ausbildung zum Aufbau einer Expertise und die Erfahrung muss sich später wieder bezahlt machen. Von daher ist ein attraktives Gehalt ein Schlüsselfaktor.

Wie wichtig sind Vertrauen, Wertschätzung, Freiraum für eigene Entscheidungen oder die Übertragung von Verantwortung für die langfristige Motivation der Mitarbeitenden?

Enorm wichtig. Jeder möchte sich auf seine Art entfalten können und auch einen Sinn in dem sehen, was er macht. Von daher sind all diese Werte nicht zu unterschätzen.

Dazu ist es fürs Unternehmen doch viel attraktiver, bestehende Leute zu halten, als ständig neue Leute zu suchen, die ja auch erstmal eingearbeitet werden müssen. Dementsprechend sind diese Punkte mitentscheidend für den langfristigen Erfolg!

Welchen Stellenwert haben Aus- und Weiterbildung für die langfristige Mitarbeiterbindung?

Weiterbildung ist superwichtig. Gerade in der Gesundheitsbranche ist Wissen teilweise so kurzlebig, weil immer wieder neue Erkenntnisse gewonnen werden. Von daher ist Weiterbildung ein ständiger Bestandteil.


Weiteres Interview und Hintergründe

In einem weiteren Interview spricht Christian Schwarz über die Sicherung des Fachkräfteangebots. Lesen Sie außerdem unseren Artikel 'Fachkräftemangel begegnen' als Einstieg zu den Interviews.

Indem Sie auf das entsprechende Bild oberhalb dieses Textes klicken, gelangen Sie direkt zum jeweiligen Artikel.


Ich habe da das Motto „Stillstand ist Rückschritt“. Wir wollen ständig Neues dazulernen, um auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Um sicherzustellen, dass das Know-how auch im Unternehmen bleibt, sind die zuvor genannten Aspekte entscheidend: Vertrauen, Wertschätzung, Freiraum, aber auch eben die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit.

Sie beschäftigen mehrere dual Studierende. Welche Vorteile und Synergieeffekte bringt das duale Studiensystem für Sie als Ausbildungsbetrieb mit sich?

Die Beschäftigung dual Studierender hat einige Vorteile. Zum einen bilden wir in Kooperation die Fachkräfte von Morgen aus. Zum anderen haben wir kompetente Mitarbeiter, die über einen längeren Zeitraum bei uns im Unternehmen sind, die wir von uns überzeugen können, sodass sie auch nach dem Studium bei uns bleiben.

Einen umfassenderen Einblick in die Unternehmenskultur und das Arbeitsklima kann man gar nicht bekommen.

Aber auch für die Studierenden selbst hat es viele Vorteile. Neben der wissenschaftlichen Ausbildung durch unseren Partner DHfPG haben wir im Unternehmen ja kompetente Betreuerinnen und Betreuer, die den Studierenden helfen, das Gelernte direkt in die Praxis umzusetzen. Und man wird fürs Studieren bezahlt, besser geht’s nicht.

Die Übernahmechancen bei uns sind gut. Auch wir können uns in den dreieinhalb Jahren ja einen umfassenden Eindruck von unseren dual Studierenden machen und wissen, dass wir topausgebildete Leute dadurch bekommen.

Welche Impulse können innovative Ausbildungen, wie die dualen Studiengänge Bachelor of Arts Sport- und Bewegungstherapie und Bachelor of Science Sport-/Gesundheitsinformatik, dem Arbeitsmarkt für Gesundheitsdienstleister geben?

Innovative Ausbildungen wie diese sind essenziell. Der Bereich Rehabilitation ist enorm wichtig für unsere Gesellschaft. Im Zuge des demografischen Wandels kommen immer mehr Zivilisationskrankheiten dazu, so muss dem Bereich Prävention auch immer mehr Beachtung geschenkt werden. (Auch interessant: 'Professionalisierung der Bewegungsförderung')

Und genau dafür eignet sich der Studiengang Bachelor of Arts Sport- und Bewegungstherapie super. Wer rund um Prävention bis Rehabilitation seine Berufung sieht, ist hier genau richtig.

Aber auch der Studiengang Bachelor of Science Sport-/Gesundheitsinformatik hat einen hohen Stellenwert, denn überall hört man ja von Digitalisierung. Auch in der Gesundheitsbranche ist dies ein riesiges Thema. Von daher kann man mit diesem Studiengang wichtige Impulse in diese Richtung setzen.

Wie wird sich die Arbeitsmarktsituation Ihrer Einschätzung nach in den kommenden Jahren entwickeln und wie bereiten Sie Ihr Unternehmen darauf vor?

Meiner Einschätzung nach wird sich der Fachkräftemangel in der Therapie in den nächsten Jahren nicht sonderlich verbessern, es sei denn die Arbeitsbedingungen und vor allem das Gehalt verbessern sich. Da die Fachkräfte von Morgen die Wahl haben werden, zu welchem Arbeitgeber sie gehen möchten, ist es besonders wichtig, das eigene Unternehmen hervorstechen zu lassen.

Wir versuchen unser Möglichstes, einen Beitrag dazu zu leisten. Wir versuchen, stetig die Zufriedenheit unserer Mitarbeiter hochzuhalten, aber setzen auch darauf, neue Leute zu akquirieren. Wir sind auf Berufsmessen in Schulen unterwegs, um möglichst früh in den Köpfen der Schüler und Schülerinnen zu sein, damit diese uns später bei der Ausbildung oder der Jobwahl im Hinterkopf haben.

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