Werbung: Fluch oder Segen?
Ob Mund-zu-Mund-Propaganda, klassische Zeitungsannonce oder moderne Suchmaschinenwerbung (englisch: Search Engine Advertising (SEA)) – ohne Werbung geht es heute nicht mehr. Doch gerade wenn es um Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben geht, gibt es einige Hürden zu beachten. DSSV-Juristin Gülizar Cihan klärt auf.
Werbung ist das Instrument eines Unternehmens, wenn es um die Kommunikation im Marketing geht. Dabei ist nicht nur Imagewerbung umsatzfördernd; vielmehr bereitet ein Marketingmix, bestehend aus Öffentlichkeitsarbeit, persönlicher Beratung und zielgerichteter Werbung, oft den Weg zu unternehmerischem Erfolg.
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Zum Schutz der Verbraucher, aber auch damit Werbung fair bleibt, gilt es gesetzliche Regeln zu beachten. Diese finden sich vor allem im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) wieder.
Verstöße können als Straftat gewertet werden
Da gesundheitsbezogene Angaben ein sehr hohes Gut des Einzelnen betreffen, sind Verstöße gegen rechtliche Rahmenbedingungen nicht nur schadensersatzbewehrt. Vielmehr werden vorsätzliche Verstöße gem. § 14 HWG als Straftat eingestuft, sodass Freiheits-, Bewährungs- und Geldstrafen die möglichen Konsequenzen eines solchen Vorgehens darstellen.
Lesetipp: 'Achtung, unlauterer Wettbewerb!'
Neben drohenden Bußgeldern (siehe hierzu § 15 HWG) bleibt außerdem zu beachten, dass die Rechtsverfolgungskosten mehrere tausend Euro betragen können; ganz zu schweigen von dem Imageschaden, der unter Umständen gar nicht mehr wettzumachen ist.
Anhand der folgenden Beispiele aus der Rechtsprechung kann leicht erkannt werden, worauf es ankommt und welche Rolle gesundheitsbezogene Angaben in der Werbung spielen.
Urteil Ganzkörperkältetherapie
Das Landgericht Frankfurt am Main hat in seinem Urteil vom 23. November 2021 (Az.: 3-06 O 51/20) sehr umfangreich dargestellt, worauf es bei der Einhaltung des UWG ankommt.
Einem Unternehmen (die Beklagte) wurde untersagt – gegen Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten – wie folgt zu werben:
- 1. Gesundheit: „Seit den 1970er Jahren wird die sogenannte 'Kryotherapie', also die Anwendung von Kälte in der Behandlung von entzündlichen Krankheiten wie Rheuma und Arthrose sowie in der Schmerzlinderung [sic] eingesetzt,“
- 2. Sportliche Leistung: „Spitzensportler unterschiedlichster Disziplinen nutzen Kältetraining in der Kältekammer für eine schnellere und effektivere Regeneration, zur Ausdauer- und Leistungssteigerung,“
- 3. Beauty ...: „Kältetraining ist ein echter Kalorienburner: Die Stoffwechselrate wird hochgesetzt und die Fettverbrennung angeregt. Darüber wirken die Anwendungen gewebestraffend, sind gut gegen Stress und ein echter Energiebooster,“
- 6. „…köpereigene schmerzlindernde Hormone werden freigesetzt und der Körper wird besser mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Daraus resultiert eine Stärkung des Immunsystems und der Organismus kann sich regenerieren,“
- 10. „Stress: Durch die Kälte wird das Stresshormon Cortisol nachweislich gesenkt und Hormone, die das Glücksgefühl steigern [sic] werden ausgeschüttet,“
Das Landgericht hat in seiner Urteilsbegründung darauf hingewiesen, dass…
…im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung für die Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung generell [gilt], dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht ... Die hohen Anforderungen bei gesundheitsbezogener Werbung rechtfertigen sich primär daraus, dass die eigene Gesundheit in der Wertschätzung des Verbrauchers einen hohen Stellenwert hat und sich deshalb an die Gesundheit anknüpfende Werbeangaben erfahrungsgemäß als besonders wirksam erweisen, zudem daraus, dass mit irreführenden gesundheitsbezogenen Werbeangaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut der Gesundheit des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können.
Obgleich in diesem Fall die Beklagte mehrere gesicherte Quellen angeben konnte, die ihre gesundheitsbezogenen Werbeaussagen untermauerten, ist sie vor dem Landgericht Frankfurt gescheitert.
Der Grund liegt darin, dass der Nachweis einer gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis regelmäßig nur durch die Vorlage einer Studie, durchgeführt nach dem 'Goldstandard'*, erfolgen kann.
*'Goldstandard' bedeutet, dass es sich bei der Studie um eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen wurde, handelt. Doppelblind bedeutet in diesem Zusammenhang, dass auch die studienbegleitenden Ärzte keine Kenntnis darüber haben, welche Dosierung eines Medikaments beispielsweise der Patient erhält. Nur bei entsprechenden Nebenwirkungen und zur Ergreifung von Gegenmaßnahmen kann diese Information eingefordert werden, womit die Teilnahme des Patienten an der Studie dann aber auch zu beenden ist.
Wie unschwer erkennbar ist, stellen Gerichte an gesundheitsbezogene Werbung sehr hohe Anforderungen. Da eine Studie nach Goldstandard im Bereich der Ganzkörperkältetherapie noch nicht existiert, muss sich aktuell bei der Werbung in diesem Bereich auf das 'Wohlfühlen' beschränkt werden, ohne konkrete Wirkaussagen.
Über die Autorin
Gülizar Cihan war jahrelang als selbstständige Rechtsanwältin in verschiedenen Fachrichtungen tätig. Gleichzeitig war sie einige Zeit in einem mittelständischen Unternehmen rechtsberatend aktiv. Seit August 2021 gehört sie zur Rechtsabteilung des DSSV und berät die Mitglieder vor allem in wettbewerbsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Fragen.
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Das 'Gesundheitszentrum'
Wer als Physiotherapeut mit dem Begriff 'Gesundheitszentrum' werben und auf sich aufmerksam machen möchte, muss nachfolgende Punkte beachten:
Das Werben als 'Gesundheitszentrum' wird grundsätzlich als gesundheitsbezogene Werbung eingestuft. Daher werden strenge Anforderungen an die Richtigkeit der Werbeaussage gestellt.
Auch lesenswert: 'DSSV Recht: Physiotherapie im Fitnessstudio'
Maßgeblich ist und bleibt der Gesamteindruck, den der Verbraucher mit dem Begriff 'Zentrum' in Verbindung bringen würde. In der Rechtsprechung herrscht Einigkeit darüber, dass der Begriff 'Zentrum' beim Verbraucher die Erwartung weckt, dass eine bestimmte Größe, gemessen an der personellen und sachlichen Struktur eines Unternehmens, vorliegt.
Im Rahmen der Begriffsnutzung 'Gesundheitszentrum' ist zusätzlich darauf zu achten, dass neben beispielsweise Apotheken, Sanitätsbedarf und dem Physiotherapiestudio selbst auch Arztpraxen in dem Gebäude angesiedelt sind.
De facto bedarf es stets einer Einzelfallprüfung, ob eine Physiotherapiepraxis als Gesundheitszentrum bezeichnet werden darf.
Bei der Bezeichnung als medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) nach § 95 Abs. 1 SGB V bleibt die Größe wiederum unbeachtet und bereits eine Praxis mit zwei Ärzten kann als sogenanntes MVZ zugelassen werden. Hier spielen Aspekte der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 3 GG mit rein, die ein Verbot der Nutzung des Begriffes 'Zentrum' verhindern.
'Verliere Gewicht' – Werbung für EMS-Training
Das Werben mit dem Hinweis, man würde durch die entsprechende Dienstleistung Gewicht verlieren, ist ebenfalls unter das Werben mit gesundheitsbezogenen Angaben zu sortieren.
In einem uns bekannten Fall hat die Wettbewerbszentrale einem EMS-Studio davon abgeraten, ohne das Vorliegen einer Studie entsprechend dem 'Goldstandard' mit den Worten 'verliere Gewicht' zu werben.
Zur Vertiefung der Thematik 'Werben mit Gewichtsreduktion' darf folgendes Urteil nicht vorenthalten werden:
OLG Oldenburg, Az. 6 U 103/12, Urteil vom 21. Dezember 2012 (Ultraschallbehandlungen gegen Fettpolster)
Hier wurden u. a. die Werbeaussagen: „Ultraschalltechnologie ... mit der Fettpolster ohne Operation nachgewiesen effektiv reduziert werden können“ und: „... effektiver Fettzellenabbau“, untersucht.
Das Oberlandesgericht Oldenburg kam zu dem Schluss, dass…
…[die] streitgegenständliche Werbung die effektive Reduktion von Fettpolstern in Aussicht [stellt] und verweist darauf, dass begleitende Diäten, wie bei anderen ästhetischen Behandlungen komplett entfallen. Komplikationen wie bei einer Fettabsaugung seien nicht zu erwarten; eine Operation sei nicht erforderlich. Mit diesen Werbeaussagen werden auch Kunden angesprochen, die als Mittel gegen ihr Körperfett eine operative Fettabsaugung in Erwägung ziehen. Aus Sicht der angesprochenen Verbraucher wendet sich die Werbung auch an krankhaft fettleibige Menschen, die sich von dem Verfahren eine potenzielle Linderung ihres Leidens versprechen werden. Die Werbung beschreibt damit auch eine potenzielle Heilwirkung und ist gesundheitsbezogen, so dass das HWG anwendbar ist
In diesen Urteilen wird außerdem verdeutlicht, wann das Heilmittelwerbegesetz Anwendung findet. „Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG ist das Gesetz auf Werbung für Behandlungen anwendbar, wenn sich die Werbeaussage auf die Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden bezieht.“ (Oberlandesgericht Oldenburg, 2012)
Damit wird deutlich, dass selbst Werbeaussagen, die auf den ersten Blick so wirken mögen, als hätten sie primär nichts mit einer gesundheitsbezogenen Angabe zu tun (Abnehmen), juristisch aber sehr wohl unter den Schutz des Heilmittelwerbegesetzes fallen können.
Kundenbewertungen
In der Praxis wird nicht selten mit Kundenbewertungen bzw. Testimonials geworben. Doch Vorsicht: Auch dort getätigte Aussagen können gesundheitsbezogene Angaben darstellen. Diese Aussagen werden dem Unternehmen zugerechnet. Insofern kann über diesen Weg ebenfalls nicht unbedacht geworben werden.
Lesetipp: 'DSSV Recht: Studiokauf und -verkauf'
Disclaimer am Ende einer Webseite o. Ä. können außerdem eine Irreführung bezogen auf gesundheitsbezogene Angaben nicht ausräumen und sind daher als funktionslos anzusehen.
Fazit
Um Menschen vor Gesundheitsschäden zu bewahren und sich selbst vor Rechtsverfolgung und ggf. schweren finanziellen Einbußen zu schützen, empfiehlt es sich, jede Werbeaktion gut zu durchdenken und bei geringstem Zweifel ihrer Rechtmäßigkeit einer Kontrolle durch juristische Fachexperten unterziehen zu lassen.
Werberecht: Beratung durch DSSV-Juristinnen
Im Rahmen einer DSSV-Mitgliedschaft berät der Verband zur Rechtswirksamkeit von Werbung. Mitglieder erreichen das Juristinnen-Team per E-Mail oder Telefon 040-766 240 0.
Diesen und weitere Artikel finden Sie in der mfhc 02/2023 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.
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