Gesundheit, Markt, DSSV | Autor/in: Iris Borrmann |

Physiotherapie im Fitnessstudio

Wollen Fitnessstudios Gesundheitsdienstleistungen anbieten, holen sie oft Physiotherapeuten mit ins Boot. Für diese ist es oft lukrativer und fachlich interessant, ihre Leistungen im Studio anzubieten. Der Erste und Zweite Gesundheitsmarkt arbeiten bei diesem Modell Hand in Hand. Dabei ergeben sich einige Fragen hinsichtlich des rechtlichen Status sowie in Bezug auf wettbewerbsrechtliche Überlegungen der zulässigen Bewerbung dieser Dienstleistung. Auch die Vorgehensweise bei einem Vertragsabschluss zwischen Fitnessstudio und Patient nach Ablauf der ärztlichen Verordnung will wohlüberlegt sein.

FAQ zu Physiotherapie im Fitnessstudio

Wie können Physiotherapeut und Fitnessstudio zusammenarbeiten?

Die Tätigkeit als Physiotherapeut lässt sich sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausüben. Im Zusammenhang mit einem regulären Beschäftigungsverhältnis muss lediglich ein Arbeitsvertrag zwischen Studioinhaber und Physiotherapeut geschlossen werden. (Lesen Sie auch: 'Therapie und Training')

Auch für einen selbstständigen Therapiebetrieb gibt es gute Gründe: Da Physiotherapeuten überwiegend auf ärztliche Verordnung arbeiten, obliegt ihnen ein Teil der Durchführung einer vom Arzt bestimmten Gesamtbehandlung. Innerhalb dieses Rahmens können sie aufgrund ihrer Ausbildung den Inhalt der Therapie und die Auswahl der Therapiemittel in eigener Verantwortung bestimmen.

Wenn also bei der Zusammenarbeit mit einem Studio keine Pflicht zur Erbringung einer Arbeitsleistung besteht, der Therapeut seine Arbeitszeit im Hinblick auf Umfang und Lage selbst bestimmen und eine ihm angetragene Behandlung von Patienten auch ohne Angabe von Gründen ablehnen kann, spricht viel für eine selbstständige Tätigkeit.

Ist zusätzlich keine Vertretungsregelung für Krankheits- und Urlaubszeiten vorhanden, sodass keine Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation erfolgt, und verfügt der Physiotherapeut über eigene Patientenkarteien, sind weitere Kriterien erfüllt. Tritt er darüber hinaus durch eigene Visitenkarten als selbstständiger Physiotherapeut in Erscheinung und erlangt nur einen Vergütungsanspruch, wenn er tatsächlich Behandlungen durchführt, steht einer Selbstständigkeit nichts im Weg. Um diese Selbstständigkeit sicher bestätigen zu lassen, sollte ein Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung durchgeführt werden. (Auch interessant: 'Erfolgreiche Physiotherapie')


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Wenn weder ein reguläres Beschäftigungsverhältnis noch eine selbstständige Tätigkeit in Betracht kommen, kann der Physiotherapeut auch Räumlichkeiten im Studio oder in der Nähe mieten.

Räumliche Aufteilung

Selbst wenn der Therapeut selbstständig arbeitet, ist dazu nicht zwingend eine eigene Betriebsstätte oder eine eigene Abrechnung der Leistungen erforderlich, wenn ansonsten die Gesamtumstände auf eine selbstständige Tätigkeit hindeuten (s. o.).

Allerdings bestehen für Physiotherapiepraxen, die auch ärztliche Verordnungen bearbeiten wollen, räumliche Auflagen, wie eine Mindesthöhe der Decke, die Anzahl und Größe der Behandlungsräume und das Vorhandensein bestimmter medizintechnischer Geräte. Der Praxisbereich muss außerdem räumlich vom Fitnessstudio abgegrenzt sein. Patienten müssen den Behandlungsbereich betreten können, ohne vorher durch einen gewerblich genutzten Raum, wie z. B. eine Trainingsfläche, gehen zu müssen. (Lesen Sie dazu: 'Training ergänzt Therapie')

Bevor man eine solche Kooperation startet, sollten daher die Zulassungsbedingungen einer Praxis überprüft werden. Diese ergeben sich aus dem Vertrag nach § 125 Abs. 1 SGB V (Anlage 5 Zulassungsvoraussetzungen) oder sind bei den physiotherapeutischen Verbänden zu erfragen.

Wie darf der Physiotherapeut nicht für seine Leistung werben?

Grundsätzlich darf man für seine Leistungen werben. Im Gesundheitsbereich muss man neben dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) auch noch das Heilmittelwerbegesetz (HWG) beachten. Beide Gesetze sollen die Verbraucher davor schützen, dass sie mit unlauteren Methoden oder zweifelhaften Heilsversprechen angeworben werden.

 

Insbesondere sind Heilsversprechen nicht erlaubt, wenn es keine wissenschaftlichen Studien gibt, die genau die getätigte Aussage nachweisen. Vorsicht ist also u. a. bei folgenden Sätzen geboten: „Hilft garantiert gegen …“, „Heilung garantiert durch …“, „Rückenschmerzen ade mit …“. Ist eine Wirkung umstritten, muss der Therapeut ggf. darauf hinweisen und deutlich machen, dass diese schulmedizinisch nicht als erwiesen gilt.

Stolperfallen können ebenfalls als Fachvorträge getarnte Werbevorträge sein. Auch die Veröffentlichungen von Bildern sind immer fehlerträchtig. Zum einen darf nicht mit abstoßenden Bildern geworben werden, zum anderen darf man nicht einfach Bilder aus dem Internet kopieren – was dem Künstler bzw. dem Rechteinhaber gegenüber gegen das Kunsturhebergesetz oder das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstoßen kann. Da einige Rechteinhaber Suchmaschinen nutzen, um „ihre“ Bilder auf fremden Websites aufzuspüren, wird die unerlaubte Nutzung von Bildern häufig (überteuert) abgemahnt!

Wie dürfen das Studio und der Physiotherapeut werben?

Nach den Vorgaben des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) sind Werbemaßnahmen für Therapieleistungen und die Vorstellung der Person des Physiotherapeuten sowie seines Fachgebiets zulässig. Physiotherapeuten dürfen – z. B. auf Flyern – Behandlungen, Übungen und Therapiesituationen bildlich darstellen. Es darf mit Fachbegriffen und erworbenen Zertifikaten geworben werden.

Nach genau diesen Maßgaben darf auch das Studio „seine Physiotherapie“ bewerben. Dabei müssen die einzelnen Leistungsbereiche getrennt voneinander beworben werden. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Studiomitgliedschaft bedeutet, dass ein Kunde dort fortwährend physiotherapeutische Leistungen erhält, zumindest dann, wenn diese Leistung nicht stetig abrufbar ist. (Lesen Sie auch: 'Neues Gesetz für faire Verbraucherverträge')

Je nachdem, wie die Physiotherapie rechtlich eingebunden ist, muss der Kunde immer erkennen können, ob er gerade Leistungen nach seiner ärztlichen Verordnung oder ein Fitnesstraining erhält.

Kann das Studio einen Anschlussvertrag mit aktuellen und ehemaligen Patienten schließen?

In der Praxis werden einige Physiotherapiepraxen und Fitnessstudios räumlich zusammenhängend betrieben. Ist der Studioinhaber selbst Physiotherapeut, führt er oft beide Unternehmen. Da in der Physiotherapie Heilbehandlungen von der Umsatzsteuer befreit sind, Leistungen ohne ärztliche Verordnung hingegen nicht, muss hier eine saubere Trennung vorgenommen werden. 

Häufig wird schon – begleitend zu der ärztlichen Verordnung für Physiotherapie – ein ergänzendes Training im Fitnessstudio angeboten. Dabei wird den Patienten dann ein Vertrag für das Fitnessstudio offeriert. (Lesen Sie auch: 'Verträge via Internet')

Bereits vorher sollte man die Überlegung anstellen, ob ein Vertrag lediglich befristet auf den Zeitraum angeboten werden soll, in dem auch das „Training auf Rezept“ stattfindet. Sollte das Studio eine längere Vertragslaufzeit anbieten, muss auf eine transparente Vertragsgestaltung geachtet werden. Die offensichtliche Gewährung von Rabatten durch das Studio für ein unterstützendes Training während einer Physiotherapie ist nicht durch das Antikorruptionsgesetz sanktioniert! Der Straftatbestand der Bestechlichkeit (§ 299a StGB) regelt nur, dass ein Heilberufler z. B. bei der Zuführung von Patienten an einen Dritten widerrechtlich handeln würde, wenn er diesen in unlauterer Weise bevorzugen würde.

Dazu müsste eine Entscheidung zwischen z. B. zwei Studios auf sachfremde Erwägungen zurückgehen. Es müsste außerdem noch eine Unrechtsvereinbarung zwischen Studio und Physiotherapeuten geben.

Exkurs: aktuelles Urteil „Bewegung auf Rezept“

Das Niedersächsische Finanzgericht (Urteil vom 14.12.2022, Az.: 9 K 17/21) hatte sich im Dezember 2022 mit der Frage zu befassen, ob Beiträge für das Fitnessstudio und Beiträge für einen Rehaverein, der ärztlich verordnete Kurse in einem Fitnessstudio durchführt, als außergewöhnliche Belastungen und damit nach § 33 EStG abzugsfähig sind. Die Klage hatte nur teilweise Erfolg. Es wurde entschieden, dass die Beiträge für einen Rehaverein, der die ärztlich verordneten Kurse in einem Fitnessstudio durchführt, abzugsfähig sind, da es sich dabei um als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennende Heilbehandlungskosten handele.

Dagegen sollen die Fitnessstudiomitgliedsbeiträge für ein „für die Teilnahme an dem verordneten Funktionstraining zugeschnittenes Grundmodul“ jedenfalls dann keine außergewöhnlichen Belastungen im Sinne des § 33 EStG darstellen, wenn mit dem Mitgliedsbeitrag auch weitere Leistungen abgegolten werden (im Streitfall: Saunanutzung, Aquafitnesskurse), die ihrer Art nach nicht nur von kranken, sondern auch von gesunden Menschen in Anspruch genommen werden.

Allerdings hat das Finanzgericht die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Da die Revision bereits eingelegt wurde, erhält nun der Bundesfinanzhof (BFH) Gelegenheit, höchstrichterlich zu klären, ob und ggf. inwieweit bei medizinischer Indikation der Behandlung die Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio – gerade auch in den Fällen, in denen wie im Streitfall mindestens ein auf die Behandlung zugeschnittenes Grundmodul für die Ableistung der Kurse gebucht werden muss – außergewöhnliche Belastungen sein können (Aktenzeichen der Revision beim BFH: VI R 1/23).

Über die Autorin

Iris Borrmann, DSSV-Juristin

Zu allen rechtlichen Fragen rund um den Studioalltag bietet die Rechtsabteilung des DSSV im Rahmen einer bestehenden Mitgliedschaft die Möglichkeit, eine kostenlose rechtliche Erstberatung mit Einschätzung der Rechtslage zu erhalten, beispielsweise nach Erhalt einer Attestkündigung, zur Überprüfung von Vertragsklauseln oder zu arbeitsrechtlichen Themen.

Tel.: 040 - 766 24 00, E-Mail: jurist@dssv.de, Website: www.dssv.de

 

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