Digital, Fitness, Gesundheit | Autor/in: Prof. Dr. Marco Speicher |

Digitale Trainingserlebnisse: VR-Training setzt neue Motivationsimpulse

Die Fitnessbranche unterliegt einem stetigen Wandel, getrieben von Technologie und Innovation. In den letzten Jahren hat sich insbesondere die virtuelle Realität als ein wegweisendes Element etabliert, das das Trainingserlebnis auf ein völlig neues Level hebt und den Mitgliedern faszinierende und motivierende Trainingseinheiten ermöglicht.

'Digitale Trainingserlebnisse' – Fachartikel von Prof. Dr. Marco Speicher aus der fMi-Ausgabe 06/2023

In der heutigen schnelllebigen Welt, in der Technologie nahezu jeden Aspekt unseres Lebens beeinflusst, hat auch die Fitness- und Gesundheitsbranche innovative Wege gefunden, um das Trainingserlebnis zu revolutionieren. Eine dieser wegweisenden Entwicklungen ist die Integration von Virtual Reality (VR) in traditionelle Fitnessstudios, um ein völlig neues und motivierendes Trainingserlebnis zu schaffen.

Entwicklung des Begriffs der virtuellen Realität

Es gibt keine konkrete Definition von VR, sodass die Meinungen hierzu je nach Bereich und Art der VR unterschiedlich sind. Vielmehr gibt es für VR verschiedene Definitionen, die auf unterschiedlichen Sichtweisen beruhen, wie z. B. die von Mensch-Maschine-Schnittstellen, die es dem Benutzer nicht nur ermöglichen, die Maschine zu steuern, sondern auch zu beobachten und einzugreifen.


Auch interessant: 'Nachhaltige Kundenbindung durch Digitalisierung'


In diesem Zusammenhang definieren frühere Arbeiten (Aukstakalnis & Blatner, 1992) VR als ein Mittel der natürlichen Interaktionstechnologie, d. h. der Benutzer kann in eine computerisierte oder simulierte Umgebung eintauchen und auf natürliche Weise mit der Umgebung arbeiten und interagieren.

VR wird auch anhand ihrer Geräte definiert, genauer gesagt als die Bereitstellung einer 3D-Realität, die durch eine Reihe von Sensorgeräten wie Head-Mounted Displays (HMD), Trackingsystemen und Controllern realisiert wird (Sutherland, 1965).

Burdea und Coiffet erweiterten schließlich die früheren Definitionen von VR als 'High-End-Mensch-Maschine-Schnittstelle', indem sie Echtzeitsimulation und Interaktion in einer virtuellen Umgebung durch multisensorisches Feedback (z. B. visuell, auditiv und haptisch) einschließen (Burdea & Coiffet, 2003).

Das Spektrum des Reality-Virtuality-Kontinuums

VR ermöglicht es Menschen, virtuelle Welten so zu erleben, als wären sie selbst Teil dieser Welten. Während einer solchen Erfahrung stimuliert die virtuelle Welt viele Kanäle des Wahrnehmungssystems des Benutzers, wie den visuellen, akustischen oder haptischen Kanal.

Diese Reize werden von Computersystemen berechnet, die die virtuelle Umgebung simulieren. Diese leistungsstarke Technologie verspricht unser Leben wie keine andere zu verändern. Durch die künstliche Stimulierung unserer Sinne wird unser Körper dazu verleitet, eine andere Version der Realität zu akzeptieren.


Lesetipp: 'Digitalisierung im Fitnessstudio:'


In der Virtualität können die Naturgesetze gelten, müssen es aber nicht. VR sollte jedoch nicht mit simulierter Realität verwechselt werden, die davon ausgeht, dass die Simulation bis zu einem gewissen Grad nicht von der 'wahren Realität' unterschieden werden kann.

Virtualität ist ein philosophisches Konzept, das auf den französischen Denker Gilles Deleuze zurückgeht, der mit dem Begriff 'virtuell' einen Aspekt einer idealen Realität bezeichnete, der dennoch real ist.

Um den Unterschied zwischen realen und virtuellen Umgebungen zu verstehen, bietet das sogenannte Reality-Virtuality-Kontinuum (Milgram et al., 1995) einen einfachen und klaren Überblick anhand einer kontinuierlichen Skala, die sich zwischen einer vollständig virtuellen Umgebung und der realen Umgebung bewegt (siehe Abb. 1).

Es umfasst alle möglichen Variationen und Kompositionen von realen und virtuellen Objekten. Der Bereich zwischen den beiden Extremen, in dem sowohl das Reale als auch das Virtuelle vermischt sind, wird als gemischte Realität (engl. mixed reality, MR) bezeichnet.

Diese wiederum besteht sowohl aus Augmented Reality (AR), bei der das Virtuelle das Reale ergänzt, als auch aus Augmented Virtuality (AV), bei der das Reale das Virtuelle ergänzt. In einer VR-Umgebung befindet sich der Benutzer also vollständig in einer irrealen Welt, in der die Naturgesetze (z. B. Schwerkraft oder Zeit) zwar gelten können, aber nicht müssen (Milgram et al., 1995).

Die Verschmelzung von Fitness und Technologie

Traditionelle Fitnessstudios bieten eine breite Palette an Trainingsgeräten und Kursen, um die unterschiedlichsten Bedürfnisse der Mitglieder zu erfüllen. Dennoch kann es mit der Zeit schwierig sein, die Motivation aufrechtzuerhalten und sich konstant für das Training zu begeistern.

VR-Training ermöglicht es den Trainierenden, in eine immersive und fesselnde Umgebung einzutauchen, die sie aus dem Alltag herauszieht und gleichzeitig ein effektives Workout bietet.

Dadurch wird das Training nicht mehr nur als Pflichtübung wahrgenommen, sondern als spannendes Erlebnis. Diese Verschmelzung schafft eine bemerkenswerte Gelegenheit, Motivationshürden zu überwinden und die Trainingsbereitschaft zu steigern.

Motivation neu entfachen

Viele kennen das folgende Phänomen: Man läuft schon eine geraume Zeit auf dem Laufband und hat das Gefühl, dass die zehn Minuten Warm-up schon längst vergangen sind. Doch die tatsächlich verstrichene Zeit auf dem Display zeigt gerade einmal '02:00' an.

Wodurch kommt dieser Unterschied zwischen der wahrgenommenen und der tatsächlichen Dauer einer Tätigkeit zustande? Das liegt daran, dass die Zeit an sich relativ wahrgenommen wird.

Würde man stattdessen ein motivierendes Warm-up-Spiel in VR spielen, wie beispielsweise 'Beat Saber' (was in etwa leichtem Tennistraining entspricht), kommen einem schnell 20 Minuten wie fünf Minuten vor.


Über den Autor

Prof. Dr. Marco Speicher leitet den Fachbereich Informatik an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG). 2019 promovierte er an der Universität des Saarlandes zum Thema 'Measuring User Experience for Virtual Reality'. Von 2014 bis 2019 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und dort im Ubiquitous Media Technologies Lab (UMTL) und Innovative Retail Laboratory (IRL) tätig.


 

Mehr von diesem Autor

Weitere Fachartikel dieses Autors lesen Sie, indem Sie auf eines der nachstehenden Bilder klicken.


Das vollständige Eintauchen in eine virtuelle Umgebung kann also eine stark motivierende Wirkung auf bestimmte Phasen des Fitnesstrainings haben. Diese immersiven Umgebungen lassen die Trainierenden vergessen, dass sie sich eigentlich in einem Fitnessstudio befinden.

Diese Ablenkung vom Alltäglichen kann dazu beitragen, dass das Training weniger wie eine Pflicht und mehr wie ein spannendes Abenteuer empfunden wird. Die visuelle Stimulation und das Eintauchen in verschiedene Szenarien können die Trainierenden motivieren, ihre Grenzen zu überschreiten und ihre Ziele zu erreichen.


FOLGEN Sie uns bei LinkedInFacebookInstagram & X
und verpassen Sie keine Fitness-NEWS mehr!


Ein weiterer vielversprechender Ansatz, um die Motivation im Fitnessbereich zu steigern, wäre eine Integration von VR in ein HIIT oder ähnliche Trainingsformen. Hier könnte die Motivation der Mitglieder erheblich gesteigert werden, insbesondere durch die Anwendung von Gamificationelementen, wie einem Belohnungssystem und/oder Wettbewerben. (Auch lesenswert: 'Vor- und Nachteile von Gamification im Fitnessstudio')

Die Trainierenden könnten beispielsweise Hindernissen ausweichen, Gegner bekämpfen oder Aufgaben in einer virtuellen Welt erledigen, während sie gleichzeitig ein intensives Training absolvieren.

VR ermöglicht es den Trainierenden auch, gemeinsam mit anderen in der gleichen virtuellen Umgebung zu trainieren, selbst wenn sie sich physisch an verschiedenen Orten befinden. Dadurch entsteht ein soziales Element, bei dem sie sich gegenseitig unterstützen und herausfordern können, was die Motivation steigert.

Vielfalt der Trainingsmöglichkeiten

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie ein Fitnessstudio VR konkret in seine Angebote integrieren könnte. Fitnessstudios könnten VR-Cardiostationen mit Laufbändern, Fahrrädern oder Rudergeräten einrichten, die mit VR-Brillen verbunden sind. Während des Trainings könnten die Mitglieder immersive Laufrouten erkunden oder virtuelle Rennen gegen andere Trainierende bestreiten.

VR-Training beschränkt sich aber nicht nur auf das Cardiotraining. Das Fitnessstudio könnte auch regelmäßige VR-Gruppenkurse anbieten, bei denen die Teilnehmenden sich in einer virtuellen Umgebung treffen, um gemeinsam zu trainieren.

Es kann nahezu alle Arten von Übungen und Trainingsarten abdecken. Von Yoga in einer virtuellen ruhigen Naturumgebung bis hin zu intensiven HIIT-Workouts in einer futuristischen Stadtlandschaft – die Möglichkeiten sind grenzenlos.

VR-Fitnessspiele wie Wettläufe, Boxkämpfe oder Abenteuerspiele, bei denen die Bewegungen der Trainierenden in die virtuelle Welt übertragen werden, steigern die Motivation und liefern dank der intensiven Gestaltung einen nachhaltigen Trainingseffekt.

Nach dem Training könnten Mitglieder in virtuellen Entspannungszonen meditative oder entspannende VR-Erfahrungen genießen, was den Stressabbau positiv bedingen kann und die Regeneration nach dem Training fördert.


Fazit

Es ist wichtig zu beachten, dass die erfolgreiche Integration von VR im Fitnessstudio eine sorgfältige Planung, Schulungen sowie Technologieinvestitionen erfordert. Insgesamt eröffnet die Integration von VR in Fitnessstudios aber eine aufregende neue Ära des Trainings.

Die Kombination aus Technologie und Fitness ermöglicht es den Trainierenden, aus der üblichen Trainingsumgebung auszubrechen und ihre Ziele auf eine ganz neue Art und Weise zu verfolgen. Die Technologie entwickelt sich stetig weiter und zukünftige VR-Trainingssysteme werden weitere innovative Möglichkeiten des Fitnesstrainings bieten.


Literaturliste

Aukstakalnis, S. & Blatner, D. (1992). Silicon Mirage: The Art and Science of Virtual Reality. Berkeley: Peachpit Press.

Milgram, P., Takemura, H., Utsumi, A. & Kishino, F. (1995). Augmented reality: A class of displays on the reality-virtuality continuum. Proceedings of SPIE – Telemanipulator and Telepresence Technologies, 2351, 282–292.

Burdea, G. C. & Coiffet, P. (2003). Virtual Reality Technology (2 ed). Wiley: Hoboken.

Sutherland, I. E. (1965). The Ultimate Display. Multimedia: From Wagner to Virtual Reality, 506–508.

Diesen Artikel können Sie folgendermaßen zitieren:

Speicher, M.  (2023). Digitale Trainingserlebnisse. fitness MANAGEMENT international, 6 (170), 114–116.

Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 06/2023 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.

Zum Abonnement
fMi 06/2023
Unsere Partner
DHZ Fitness Europe GmbH
EGYM Wellpass GmbH
gym80
InBody
KWS GmbH
MATRIX
milon
seca
EGYM
FIBO
Hoist
KS Einrichtungen
LES MILLS GERMANY GmbH
miha bodytec
Panatta srl
Technogym
Unser Netzwerk
EuropeActive
BfB
BSA-Akademie
Aufstiegskongress
DSSV e. V.
DHfPG
BSA-Zert
aufstiegsjobs.de