Ruderweltmeister Hannes Ocik im Interview: „Man darf den Spaß nicht verlieren“
Hannes Ocik hat als Schlagmann im Deutschlandachter drei Weltmeistertitel gewonnen. Im Interview spricht er über die Eigenschaften, die ein:e Leistungssportler:in braucht, den Erfolgsfaktor Rücksichtnahme sowie sein beeindruckendes Trainingsvolumen und die Zuverlässigkeit des Concept2 RowErg.
Der Weltklasseruderer Hannes Ocik wurde 1991 in Rostock geboren und ist Polizeiobermeister bei der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern, Sportfördergruppe. Als Schlagmann des Deutschlandachters wurde er drei Mal Weltmeister (2017, 2018, 2019), gewann zwei Mal Olympia-Silber (2016, 2021) und konnte sieben Europameister-Titel erringen. Darüber hinaus wurde Hannes Ocik im Achter auch Juniorenweltmeister sowie U23-Weltmeister im Vierer ohne Steuermann.
fM: Herr Ocik, Sie sind als Ruderer seit über zehn Jahren in der Weltspitze aktiv. Wie sind Sie zum Rudersport gekommen?
Hannes Ocik: Ich komme aus einer sehr sportlichen Familie. Meine Eltern waren beide ehemalige Leistungssporttreibende. In der Jugend habe ich verschiedene Sportarten ausprobiert, u. a. Leichtathletik, Judo und Triathlon. (Lesen Sie auch: 'Rudern immer beliebter')
In meinem Triathlon-Verein in Schwerin hat mich dann ein ehemaliger Ruderer angesprochen und meinte, von meiner Statur her könnte ich es mal beim Rudern versuchen.
Bei der Schweriner Rudergesellschaft haben wir zunächst zweimal pro Woche freizeitmäßig mit einem Wanderboot gerudert bis der Landestrainer in Schwerin auf mich zukam und meinte: „Hannes, willst du es nicht mal ein bisschen ernsthafter versuchen?“ Und schwuppdiwupp sind irgendwie 15 Jahre rum.
Viele Menschen rudern, aber nur wenige werden Weltmeister:in. Was haben Sie anders, bzw. besser gemacht, als viele andere Ruder:innen?
Vor allem muss man immer mit Spaß an der Sache bleiben. Wenn man den Spaß verliert, dann verliert man sehr schnell die Motivation. Rudern ist eine der Sportarten, die sehr umfangreich ist, was das Training angeht. Da gibt es durchaus Momente, in denen man zweifelt und sich fragt, ob das der richtige Weg ist.
Das Rudern macht vor allem aus, dass man dann im Frühjahr und im Sommer auf dem Wasser unterwegs ist. Man muss es genießen, den Spaß daran behalten und nicht zu verbissen rangehen.
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Ich würde sagen, ich habe ein gutes Durchhaltevermögen gehabt. Ich habe immer versucht, neue Bewegungsabläufe oder neue Reize kennenzulernen. Neue Übungen im Training fühlen sich zunächst immer eigenartig an und ich glaube, dass ich mich im Vergleich zu vielen anderen besser durchkämpfen konnte.
Ich hatte nie die Megawerte auf dem Ergometer oder im Kraftraum, aber dieses Durchhaltevermögen und die Ausdauer dranzubleiben, haben mich schon ausgezeichnet.
Ihre größten Erfolge haben Sie bisher im Deutschlandachter gefeiert. Welchen besonderen Eigenschaften und Fähigkeiten müssen Team-Rudernde mitbringen?
Im Ruderachter hat man mit Steuermann neun, rechnet man den Trainer dazu, sogar zehn unterschiedliche Charaktere, die untereinander Rücksicht nehmen müssen. Diese Zehn sind das ganze Jahr über zusammen, jeden Tag etwa fünf Stunden; in Trainingslagern zwei bis drei Wochen lang sogar 24/7.
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Dass man unter solchen Umständen hin und wieder aneckt, ist ganz normal, denke ich. Eine der wesentlichen Softskills, die man lernen muss, ist Rücksichtnahme. In unserem Fall: Neun Athleten, die der Trainer ausgewählt hat, sitzen in einem Boot und wollen etwas erreichen.
Diese Athleten müssen keine Freunde sein, aber die Fähigkeit zur Rücksichtnahme und das Verständnis für Schwächen oder einen schlechten Tag des anderen ist die Grundvoraussetzung dafür, sich gegenseitig zu pushen.
Nach sieben Jahren als Schlagmann des Deutschland-Achters wechselten Sie im Herbst 2021 in den Einer – von Riemen zu Skulls. Was waren Ihre Beweggründe für diesen Schritt?
Ich war zehn Jahre im Riemenbereich aktiv. Nach den Olympischen Spielen in Tokio 2021 hatte ich das Gefühl, dass ich erst einmal eine Auszeit, eine Pause oder besser einen Perspektivwechsel brauche.
Ich bin zu der Zeit nach München umgezogen und hatte dort die Möglichkeit, mit Oliver Zeidler zu trainieren, der 2019 Weltmeister im Einer war – und den Einer fährt man mit Skulls. Ich habe mich dann entschieden, für das Jahr 2021/22 die Disziplin zu wechseln, von Riemen zu Skulls.
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Der grundlegende Gedanke hinter dem Wechsel war, etwas anderes zu probieren und den Sport von der Außenperspektive zu beobachten, um den Spaß und die Neugier auf Neues wieder in den Vordergrund zu rücken.
Das ist auf jeden Fall eingetreten und ich bin sehr dankbar für die letzten Monate und dass ich diesen Schritt machen konnte.
Wie oft sind Sie pro Woche zum Training mit dem Boot auf dem Wasser? Wie gestalten Sie Ihr zusätzliches Training?
Wenn man den Durchschnitt der letzten zehn Jahre nimmt, dann bin ich etwa acht- bis zehnmal pro Woche auf dem Wasser gewesen. In Trainingslagern absolviert man auch zwölf bis fünfzehn Einheiten im Boot. Die Trainingseinheiten haben immer einen Umfang zwischen 60 und 90 Minuten.
Das Training im Boot wird durch Krafttraining – zwei- bis dreimal pro Woche –, Gleichgewichts- und Stabilitätstraining, z. B. Yoga, und Beweglichkeitstraining ergänzt. Um die Ausdauer auf einer anderen Ebene zu trainieren, laufen wir auch, fahren Rad oder schwimmen – je nachdem, was welcher unserer Trainer bevorzugt.
Diese Einheiten dauern in der Regel auch 60 bis 90 Minuten. Viel mehr Zeit bleibt dann in einer Woche auch nicht. (Auch interessant: 'Medaillen-Regen bei World Indoor Rowing Championships')
Inwiefern ändert sich diese Trainingszusammenstellung in den Wintermonaten?
Wir versuchen, auch in den Wintermonaten so viele Kilometer wie möglich auf dem Wasser zu absolvieren. Im Vergleich zu anderen Nationen verfügen wir nicht über die finanziellen Möglichkeiten, so viele Trainingslager im Süden zu machen.
Wenn die Witterungsbedingungen das nicht mehr zulassen, geht es aufs Ergometer, auch in Einheiten von rund 90 Minuten.
Welchen Stellenwert hat das Training auf dem Ergometer?
Einen großen. International spielt das Ergometertraining aber eine wesentlich größere Rolle; Deutschland hinkt da noch ein bisschen hinterher. In einigen anderen Ländern wird klar festgelegt, welche Normen die Kaderathlet:innen auf dem Ergometer erfüllen müssen, um nominiert zu werden.
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Dementsprechend spielt das schon eine sehr große Rolle. Ein:e Athlet:in, der:die auf dem Ergometer stark gewertet ist, wird im Zweifel bei Nominierungen bevorzugt berücksichtigt.
Die kontinuierlichen Stufentests, die wir in Deutschland in regelmäßigen Abständen machen, sowie unsere Leistungstests und eine Meisterschaft fahren wir alle auf dem Ruderergometer von Concept2.
Der RowErg hat den großen Vorteil, dass er sehr genau ist und dass die Leistungen auf den Geräten sehr gut vergleichbar sind, sodass alle Athlet:innen unter gleichen Bedingungen antreten.
Davon profitieren wir im Spitzensport und auch die CrossFit®-Szene setzt deshalb auf die Geräte. Die Concept2-Geräte sind einfach konstruiert und deshalb sehr robust. Die müssen bei unserem Trainingsvolumen schon einiges aushalten. (Auch lesenswert: 'HYROX setzt auf Concept2')
Was ist Ihr Ziel für die Rudersaison 2022?
Ich habe unglaublich Spaß daran, den Rudersport zu betreiben und auch schnell, d. h. auf Wettkampfniveau zu betreiben. Das Ziel für nächstes Jahr geht in die Richtung, einfach das Maximum zu investieren, um dann auch maximal erfolgreich zu sein. In welcher Bootsklasse, das wird sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen.
Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 04/2022 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.
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