Management, DSSV | Autor/in: fM Redaktion |

DSSV im Gespräch mit der Politik: Interview mit Nicole Westig und Philipp Hartewig

Seit rund vier Dekaden setzt sich der DSSV e. V. – Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen für mehr Anerkennung der Fitness- und Gesundheitsbranche seitens der Politik ein. Mit dem politischen Positionspapier „Fitness und Fitnessbranche“ der AG Sport der Fraktion der Freien Demokraten (FDP) wurde ein wichtiger Meilenstein erreicht. In diesem Papier wird die enorme gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Fitness- und Gesundheitsbranche dargestellt. Im Interview mit fitness MANAGEMENT international erläutern Nicole Westig, MdB, Obfrau im Gesundheitsausschuss und pflegepolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, sowie Philipp Hartewig, MdB, sportpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der FDP, die Hintergründe dazu.

DSSV e. V. kämpft um mehr Anerkennung durch die Politik

fM: Der ehemalige Biathlet Frank Ullrich (SPD), der als Vorsitzender des Sportausschusses aktiv ist, sagte: „Sport ist zugleich Prävention und bietet die Chance, eine fittere Gesellschaft hervorzubringen“. Wie schätzen Sie die Bedeutung von Bewegungs- und Trainingsangeboten ein?

Nicole Westig: Sicherlich ist die Bedeutung von Bewegung und Training noch nicht in allen Teilen der Bevölkerung angekommen. Dies zu ändern, ist unser gemeinsames Anliegen. Wir setzen uns stark dafür ein, dass der ganze Bereich der Gesundheitsförderung mit den Komponenten gesunde Ernährung, aber auch Bewegung und Training präsenter wird.

Dazu sollte Gesundheitskompetenz mit den Elementen gesunde Ernährung und Bewegung auch vermehrt Eingang in die Lehrpläne an unseren Schulen finden.

Philipp Hartewig: Wir sehen dies als Querschnittsaufgabe. Beispielsweise haben wir in dieser Legislaturperiode zum ersten Mal gemeinsame Ausschusssitzungen mit dem Sport- und dem Gesundheitsausschuss durchgeführt. Ziel ist es, das Thema von politischer Seite auch übergreifend anzugehen.


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Dafür müssen alle Bereiche dem Thema einen entsprechenden Stellenwert zuschreiben. Robuste Informationen, wie beispielsweise die Eckdatenstudie der deutschen Fitnesswirtschaft des DSSV, helfen uns dabei in der Argumentation. Wir haben einen hohen Bedarf, mehr Menschen in Deutschland in Bewegung zu bringen.

Entsprechend gewinnt sowohl das Thema als auch die Fitness- und Gesundheitsbranche zunehmend an politischer Bedeutung.

In Deutschland trainieren über 10 Millionen Menschen in einer Fitness- und Gesundheitsanlage. Im Jahr 2022 konnten zwar eine Million hinzugewonnen werden, allerdings liegt die Branche immer noch unter dem „Vor-Corona-Niveau“ von fast 12 Millionen Mitgliedern. Wie schätzen Sie diese Entwicklung – insbesondere vor dem Hintergrund des anhaltenden Bewegungsmangels – ein?

Philipp Hartewig: Der Bedarf ist riesig. Die Politik musste feststellen, dass einige der coronabedingten Einschränkungen, insbesondere im Sport- und Fitnessbereich, falsch waren. Körperliche Betätigung ist der Schlüssel, um fit und gesund zu bleiben. Zudem bestehen auch präventive Potenziale, um viele der Zivilisationskrankheiten zu mildern oder ganz zu vermeiden. (Lesen Sie auch: '7. Parlamentarischer Abend')


Über den Interviewpartner:

Philipp Hartewig aus Mittelsachsen zog 2021 für die FDP in den Deutschen Bundestag ein.

Als ordentliches Mitglied im Rechtsausschuss, Obmann im Sportausschuss und sportpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion arbeitet der Rechtsanwalt an seinen Herzensthemen. Hartewig ist Generalsekretär der FDP Sachsen.


Gerade in den letzten Jahren ist der Bedarf deutlich gestiegen, was zum einen auf die Corona-Maßnahmen, aber zum anderen auch auf die alternde Bevölkerung in Deutschland zurückzuführen ist. Deswegen ist das Mitgliederplus von einer Million ein positives Zeichen.

Wir freuen uns sehr darüber, dass die Fitness- und Gesundheitsbranche wieder Kunden dazugewinnt und mehr Menschen für ein regelmäßiges Training begeistert.


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Nicole Westig: Die Menschen konnten während der Pandemie nicht in Fitnessstudios trainieren – auch ein Grund für die vermehrte Gewichtszunahme der Bevölkerung. Umso mehr freue ich mich, dass jetzt wieder der Run auf die Fitnessstudios startet.

Zudem ist das wachsende Bewusstsein, sich mehr zu bewegen und wieder mehr für den Körper zu tun, ein positives Zeichen. Es ist wichtig, dass diese Botschaft auch bei den Menschen in Deutschland ankommt, die sich aktuell wenig oder gar nicht bewegen.


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Denn körperliche Betätigung tut der Gesundheit gut und hat auch soziale sowie psychische Aspekte. Es schafft Teilhabe, man fühlt sich besser und ist mental stärker. Gerade jetzt nach der Pandemie ist dies wichtiger denn je.

Wie können aktive gesundheitliche Prävention und Training dazu beitragen, den aktuell deutlichen Anstieg der Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenkassen zu reduzieren und das kontinuierliche Fortschreiten sogenannter Zivilisationskrankheiten aufzuhalten?

Nicole Westig: Prävention und Gesundheitsförderung brauchen mehr gesellschaftliche und politische Aufmerksamkeit. Deswegen haben wir uns auch als Ampelkoalition in unserem Koalitionsvertrag darauf verständigt, dies mehr zu fördern. Gerade vor dem Hintergrund des akuten Fachkräftemangels in unserem Land kommt dem eine besondere Bedeutung zu.

Denn wir sollten alles tun, damit Menschen so lange wie möglich fit bleiben und – wenn sie das wünschen – mit Freude ihrer Arbeit nachgehen können

Philipp Hartewig: Die Thematik ist sehr weitreichend. Es sollte grundsätzlich überlegt werden, wie eine stärkere Sensibilisierung für das Thema Bewegung, Training und Ernährung in der Bevölkerung angegangen werden kann.

Ein Best-Practice-Beispiel ist die „Fitmach-Aktion“ im Saarland, bei der das saarländische Gesundheitsministerium sowie die gesetzlichen Krankenversicherer bereits sehr eng mit der Fitness- und Gesundheitsbranche kooperiert haben.


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Zudem sehen wir, wie über ein Betriebliches Gesundheitsmanagement große Bevölkerungsschichten bereits heute sehr direkt angesprochen werden. Solche Maßnahmen haben für die Politik einen großen Stellenwert und wir freuen uns über jeden Akteur, der hier mit gutem Beispiel vorangeht.

Unsere Aufgabe als Politiker ist es, hierfür eine Bühne zu bieten. Dafür haben wir eine Verantwortung und ich bin optimistisch, dass wir das gemeinsam mit den Unternehmen, den Sozialversicherungsträgern und den Fitness- und Gesundheitsanlagen hinbekommen.

Die Deutschen investierten 2022 rund 4,9 Milliarden Euro aus eigenen Mitteln in ihr Training im Fitnessstudio und ihre Gesundheit – und generierten dabei Steuereinnahmen für den Staat. Denken Sie, dass diese wirtschaftlichen Faktoren unterschätzt werden?

Philipp Hartewig: Ja, weil die gesamte Branche ja nicht nur wirtschaftlich ein großer Faktor ist, sondern auch ein wichtiger Innovationstreiber. Für jeden Menschen, unabhängig von Alter und Trainingsniveau, ist ein Bewegungsangebot verfügbar – und zwar flächendeckend.

Meines Erachtens wird unterschätzt, was die Fitness- und Gesundheitsbranche leistet und auch insbesondere in den Jahren 2020 und 2021 geleistet hat.

Nicole Westig: Die Menschen leben zunehmend gesundheitsbewusster und wollen gezielt einen bestimmten Zeitraum in der Woche der körperlichen Bewegung widmen. Unabhängig von wirtschaftlichen Faktoren ist diese Haltung ganz im Sinne der Gesellschaft und sie wird auch zunehmend  vom Gesundheitsmanagement vieler Unternehmen aufgegriffen. Die Politik sollte diesen Win-win-Effekt anerkennen.

Wie kann die Branche von politischer Seite mehr gefördert werden? Was muss aus Ihrer Sicht noch getan werden, damit nicht nur in der Politik, sondern auch in der allgemeinen Bevölkerung dem gesundheitsfördernden und präventiven Aspekt von Fitness- und Gesundheitsanlagen mehr Anerkennung zukommt?

Philipp Hartewig: Wir können da allgemein bei dem Thema Bürokratie anfangen. Hier können viele Dinge wie z. B. die Zusammenarbeit mit der Zentralen Prüfstelle Prävention vereinfacht werden. Wenn es um das Thema der Anerkennung geht, dann müssen wir zum einen sehen, was der kommerzielle Fitness- und Gesundheitsbereich leistet. Zum anderen müssen wir das Konkurrenzdenken mit dem organisierten Sport überwinden.

Es ist wichtig zu verstehen, dass hier kein Wettbewerb vorliegt, sondern dass alle Bereiche ineinandergreifen und sich gegenseitig befruchten.

Nicole Westig: Fitness- und Gesundheitsanlagen sind eine tragende Säule der sportlichen Aktivitäten, mit denen die Deutschen sich fit und gesund halten. Wichtig ist, dass der Sport sich in unserem Land als Ganzes versteht und mit einer Stimme spricht, damit alle Teile der Bevölkerung erreicht werden können.


Über die Interviewpartnerin

Nicole Westig aus Bad Honnef (Rhein-Sieg-Kreis) sitzt seit 2017 für die FDP im Deutschen Bundestag. Sie ist ordentliches Mitglied im Gesundheitsausschuss, dort Obfrau und pflegepolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion.

Sie ist stellvertretende Landesvorsitzende der FDP Nordrhein-Westfalen und Mitglied im FDP-Bundesvorstand.


Der Bevölkerung muss die Vielfalt klargemacht werden. Mein Wunsch ist, dass wir alle Menschen – vom Kleinkind bis hin zur Person mit Pflegebedarf – mehr für die Bedeutung von Bewegung für ihre Gesundheit sensibilisieren. Als pflegepolitische Sprecherin der FDP-Fraktion trete ich dafür ein, dass wir Pflegebedarf hinauszögern.

Im Hinblick auf den demografischen Wandel werden wir zukünftig nicht alle Menschen mit Pflegebedarf professionell betreuen können. Wir müssen daher alles tun, damit dieser Bedarf so spät wie möglich eintritt. Darum muss alles, was für die Gesunderhaltung getan werden kann, auch ergriffen werden – und das sind Bewegung, Training und Sport in ihrer ganzen Vielfalt. (Lesen Sie auch: 'Unbeschwert altern')

Die AG Sport der FDP-Bundestagsfraktion hat zum Start der FIBO ein politisches Positionspapier verfasst. Darin wird auf die kommerziellen Fitness- und Gesundheitsanlagen als Lösung für die gesundheitlichen Herausforderungen der Bevölkerung verwiesen. Was waren die Gründe dafür?

Philipp Hartewig: Anlässlich der FIBO war es für uns als FDP-Fraktion im Sportausschuss wichtig, ein Signal zu setzen. Wir beobachten die Arbeit der Fitness- und Gesundheitsbranche sehr aufmerksam. Mit diesem Positionspapier unterstreichen wir die Vielfalt der Branche sowie ihren Innovationsgeist.

Für eine Steigerung der Lebensqualität kann Fitnesstraining der entscheidende Faktor sein. Aus diesen Gründen stellen wir eine fitnesspolitische Agenda auf, denn die Bedeutung der Fitness- und Gesundheitsbranche muss sich auch in politischer Wertschätzung ergründen.

Für die Bewegungsoffensive sehen wir neben dem organisierten Sport die Fitnessbranche mit über 10 Millionen Mitgliedern als weiteren wichtigen Akteur und messen ihr ein herausragendes öffentliches Interesse bei. (Lesen Sie dazu: 'Positionspapier betont Relevanz der Fitness- und Gesundheitsbranche')

Positionspapier hier herunterladen

Nicole Westig: Wir müssen die Leute auch da abholen, wo sie sind. Die mehr als 10 Millionen Mitglieder in den Fitnessstudios sprechen für sich. Für diese Personen gehört ein regelmäßiges Training zum Alltag und das wollen wir wertschätzen. Zudem erweitert Fitness das Spektrum, und wir müssen den Sport in seiner ganzen Vielfalt sehen, anerkennen und voranbringen – und somit auch die Fitness- und Gesundheitsbranche.

Mit Prof. Dr. Thomas Wessinghage hat der DSSV seit Beginn des Jahres einen erfahrenen und renommierten Fachmann aus der Medizin als 1. Vorsitzenden. Wie ist dies aus Ihrer Sicht zu bewerten und welchen Stellenwert schreiben Sie dem DSSV als politische Vertretung der Fitness- und Gesundheitsbranche zu?

Philipp Hartewig:Für uns ist der DSSV ein sehr wichtiger Ansprechpartner. Sowohl bezüglich der fachlichen Expertise als auch wenn es um die aktuellen Entwicklungen in der Branche geht. Prof. Dr. Wessinghage ist für uns ein wertvoller Experte.

Wir hatten ihn bereits bei mehreren Anhörungen des Sportausschusses als Sachverständigen dabei und auch fraktionsübergreifend ist er ein sehr geschätzter Impulsgeber. Dass er seit Januar 2023 in seiner Funktion als Vertreter der Fitness- und Gesundheitsanlagen aktiv ist, kommt uns sehr entgegen, da wir ein gemeinsames Ziel haben. Deswegen freuen wir uns auch weiter auf die gute Zusammenarbeit.

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