„Die Branche hat wirklich gute Arbeit geleistet“: Interview mit Alexander Dillmann
Der behördlich angeordnete Shutdown hatte die Fitness- und Gesundheitsunternehmer bereits im März 2020 deutschlandweit vor bisher nie dagewesene Herausforderungen gestellt. Ein schnelles Krisenmanagement war gefragt. Selbiges gilt nun auch für den November-Lockdown. Die fitness MANAGEMENT international hat dazu mit drei Studiobetreibern gesprochen, die sich mit viel Know-how, Kreativität und starken Netzwerken der Krise entgegengestellt haben: Hier berichtet Alexander Dillmann (Vivana Fitness & Wellness Park, myline®) über seine Erfahrungen während des ersten Corona-Lockdowns. Wie hat er sein Unternehmen und seine Mitarbeiter durch diese schwierige Zeit geführt?
Die deutschlandweite Schließung der Fitness- und Gesundheitsstudios Mitte März 2020 hat die Branche hart getroffen. Die Zeit seit Beginn des Lockdowns war von vielen Unsicherheiten geprägt. Lange war nicht sicher, wann und unter welchen Bedingungen die Studios wieder öffnen dürfen. Daher mussten Fitnessunternehmer mehrere mögliche Szenarien in ihre Entscheidungen miteinbeziehen. Mit wenig bis gar keiner Vorlaufzeit mussten Betreiber vielfältige Probleme meistern und neue Prozesse aus dem Boden stampfen – gefragt waren Krisenmanager.
Auswirkungen der Corona-Krise für Clubbetreiber
Eine Studie hat Anfang April 2020 die Maßnahmen von Clubbetreibern im Rahmen einer Online-Umfrage untersucht. Im Auftrag des Informationsnetzwerks für Fitnessclubbetreiber (iff), initiiert durch den Studiobetreiber und myline®-Geschäftsführer Alexander Dillmann, hat die Muench Solutions Consulting GmbH eine aktuelle Marktstudie durchgeführt. Diese lieferte konkrete Hinweise, wie es um die Lage der Fitness- und Gesundheitsbranche in der Corona-Krise im April bestellt war. (Lesen Sie auch: Erste Bilanz: Auswirkungen der Corona-Krise für Clubbetreiber im April 2020)
Alexander Dillman sagt über die wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie: „Die Studie zeigt, dass die Mitglieder sich in allen Fitnessclubs sehr solidarisch zeigen und ihren Mitgliedsbeitrag weiter bezahlen, obwohl unsere Unternehmen geschlossen haben. Der größte Prozentsatz der befragten Studios kalkulierte daher auch nur, dass unter zehn Prozent der Mitglieder ihre Beitragszahlung stilllegen werden.
Wirtschaftlich gesehen haben mehr als zwei Drittel der befragten Studios die finanziellen Unterstützungsangebote des entsprechenden Bundeslandes beziehungsweise des Bundes in Anspruch genommen oder dies geplant. Das zeigt auch, dass diese Hilfspakete der Regierung mehr als notwendig waren. Knapp die Hälfte der Teilnehmenden gab an, zum Zeitpunkt der Studie Kurzarbeit für die Mitarbeiter beantragt zu haben. Eine besonders auffällige Entwicklung ist das Bereitstellen von Online-Kursen und Coaching-Angeboten. 90 Prozent bieten diese digitalen Tools ihren Mitgliedern während der Schließungszeit an.“
Die Branche hat reagiert
Die Betreiber deutscher Fitness- und Gesundheitsanlagen haben mit ihren Teams erfolgreich Maßnahmen umgesetzt, die den eigenen Betrieb über mehrere Wochen Shutdown „getragen“ und auf die Wiedereröffnung unter Auflagen vorbereitet haben.
fM: Herr Dillmann, woher kam der Impuls, die Inititative „iff – Informationsnetzwerk für Fitnessclubbetreiber“ ins Leben zu rufen?
Alexander Dillmann: Der eigentliche Impuls war die Notwendigkeit, dass wir unsere vier myline® Unternehmertreffen in Deutschland am Freitag, den 13. März 2020, absagen mussten. Diese sollten ab dem 17. März, mit über 450 festen Anmeldungen, starten. Zu diesem Zeitpunkt spitzte sich die Situation mit dem Coronavirus in Deutschland gerade zu. Es drohte eine Ausgangssperre und es war schon abzusehen, dass die Fitnessclubs wenige Tage später geschlossen werden würden. Damit war klar, dass wir unseren über 500 myline® Partnerstudios eine Plattform liefern mussten, um uns alle zusammen schnell, sicher und effektiv austauschen zu können.
Vor diesem Hintergrund bin ich eben an diesem Freitag den 13., auch in der Rolle als Fitnessclubbetreiber des Vivana Fitness & Wellness Parks, auf die Idee gekommen, die Facebook-Gruppe für alle Fitnessclubbetreiber in Deutschland zu gründen, damit wir alle als Branche von diesem Austausch profitieren.
fM: Wenige Tage nach der Gründung am 13. März zählte Ihr Netzwerk bereits mehrere 1.000 Fitnessstudios. Hätten Sie dies erwartet?
Alexander Dillmann: Nach zwei Tagen, am Sonntag, den 15. März, waren es tatsächlich bereits über 1.000 Studios. Ich bin zwar von einer hohen Nachfrage ausgegangen, aber diese Wachstumsgeschwindigkeit hatte ich so nicht erwartet. Das Tempo, mit dem die Teilnehmerzahl der Gruppe steigt, hat sich bis heute zwar verringert, wir verzeichnen aber immer noch täglich neue Mitglieder. Wir rechnen damit, dass wir auf weit mehr als 4.000 Teilnehmer kommen werden.
Da uns Qualität wichtiger ist als Quantität, möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir nur Fitnessclubbetreiber und deren Bereichsleiter zulassen, die bei ihrer Anfrage zum Gruppenbeitritt die vorab gestellten Fragen beantwortet haben.
fM: Wie wird das Netzwerk von den Studios genutzt und wie lautet Ihr vorläufiges Fazit für „iff“?
Alexander Dillmann: Ich habe unzählige Danksagungen und positive Feedbacks von meinen Kollegen erhalten. Immer wieder wird der wertvolle Netzwerkaustausch geschätzt, der für viele von enormer Bedeutung ist. Ein Schwerpunkt des Austausches war und ist die rechtliche Situation im Umgang mit der Krise. An dieser Stelle war es besonders dem Rechtsanwalt Dr. Hans Geisler, mit dem ich in engem Kontakt stehe, zu verdanken, dass bereits am Sonntagabend, dem 15. März, Antworten auf die rechtlichen Kernfragen, wie sich ein Fitnessclub gegenüber den bestehenden Mitgliedern verhalten kann und muss, vorlagen.
Auch die Initiative „Stay Strong – Stay Together“, die von Nico Scheller ins Leben gerufen wurde, ist aus unserem Netzwerk entstanden. Momentan entwickelt sich der Austausch sehr dynamisch. Insbesondere durch die fast täglichen Pressemeldungen seitens der Bundesregierung reagiert auch das Netzwerk entsprechend intensiv. Besonders hervorzuheben ist, dass auch die Industrie viele positive Impulse in den Netzwerkaustausch einbringen konnte und es uns, als Moderatoren der Gruppe, dabei gelungen ist, dass aus dem Netzwerk keine Werbeplattform wurde. Mein Fazit lautet daher, dass unser Netzwerk genau zum richtigen Zeitpunkt ins Leben gerufen wurde. Ich sehe sogar eine positive Zukunft darin, wenn die Krise einmal vorüber ist, sich auch dort weiter über hochaktuelle Fragen, die die Branche bewegen, auszutauschen.
fM: Welche Leistungen müssen die Branche und einzelne Studios Ihrer Ansicht nach erbringen, damit die Fitness- und Gesundheitsbranche trotz anhaltender Corona-Krise erfolgreich durchstarten kann?
Alexander Dillmann: Insbesondere die Sicherstellung der Hygienemaßnahmen ist von entscheidender Bedeutung. Hier muss ein schlüssiges Konzept für alle Fitnessclubs entwickelt werden. Ich bin der festen Überzeugung, dass es unserer Branche sogar gelingen muss, die geforderten Hygienestandards zu übertreffen, um den Mitgliedern so schnell wie möglich das Gefühl der Sicherheit geben zu können.
Der wichtigste Aspekt ist zum Zeitpunkt unseres Interviews aber natürlich der, dass die Bundesregierung bei ihrer Entscheidung am 6. Mai zu dem Ergebnis kommt, dass die Fitnessbranche in der Lage ist, die Hygienemaßnahmen zu erfüllen und einer Wiedereröffnung zugestimmt wird. Um dieses Ziel mit der höchstmöglichen Erfolgschance zu erreichen, sehe ich an dieser Stelle ein Bündnis aus allen Verbänden unserer Branche, die sich jetzt zusammensetzen sollten, um dann über nur einen Kommunikationskanal mit der Regierung ins Gespräch zu kommen, als zwingend notwendig an.
fM: Aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus ordnete die Bundesregierung am 16. März 2020 eine Kontaktbeschränkung an, was zur Folge hatte, dass Fitnessstudios geschlossen werden mussten.Was waren die ersten Maßnahmen, die Sie für den Vivana Fitness & Wellness Parkergriffen haben und welche Aspekte hatten für Sie dabei Priorität?
Alexander Dillmann: Im Vordergrund stand natürlich die rasche und positive Kommunikation zwischen uns als Unternehmen und unseren Mitgliedern. Dazu haben wir alle Mitglieder über sämtliche digitale Kanäle und auch auf postalischem Weg informiert. Die Kernbotschaft des Schreibens war, dass wir auf nicht absehbare Zeit schließen müssen, dass wir zur Sicherung der Arbeitsplätze um Solidarität bezüglich der Zahlung der Mitgliedsbeiträge bitten, dass wir mit einem Gutschriftenmodell nach der Wiedereröffnung auf unsere Kunden zukommen und dass wir aber auch schon die ersten Trainings- und Kursvideos zur Verfügung stellen.
Erst im nächsten Schritt haben wir dann die wirtschaftlichen Maßnahmen zur Kostensenkung gemeinsam mit dem gesamten Team besprochen und entwickelt. Wie in unserem Netzwerk festzustellen, war das exakt auch die Strategie, die viele Fitnessclubs ebenso mit Erfolg umgesetzt haben.
fM: Welche Angebote haben Sie für Ihre Mitglieder in der Zeit des Shutdowns bereitgestellt?
Alexander Dillmann: Unsere Mitglieder profitieren von dem ins Leben gerufenen Online-Kursangebot unseres Kooperationspartners LES MILLS®. Zudem produzieren wir jede Woche Trainingsvideos mit den beliebtesten Kurstrainern unseres Fitnessclubs und stellen diese unseren Mitgliedern ebenfalls über alle digitalen Kanäle zur Verfügung. Interessant ist aber auch, dass statistisch gesehen genau jetzt die Menschen dennoch zu Hause zunehmen. Aus diesem Grund bieten wir unseren Mitgliedern die digitalen Coaching-Programme myline® und myintense+ an. Unter dem Motto „Gesund und schlank zu Hause“ haben wir eine dauerhaft hohe Nachfrage nach unserem myintense+ Programm, das von den gesetzlichen Krankenkassen bis zu 100 Prozent bezuschusst wird.
fM: Welchen Stellenwert haben Ihre Mitarbeiter in dieser Krise für Sie?
Alexander Dillmann: Unsere Mitarbeiter haben den höchsten Stellenwert. Wir sind mit 61 Mitarbeitern in die Krise gegangen und werden auch mit 61 Mitarbeitern wieder aus der Krise heraustreten. Alle vorgenommenen Schritte wie die Kurzarbeit und sämtliche organisatorische Maßnahmen während der Schließung haben wir mit unseren Mitarbeitern gemeinsam entwickelt und abgestimmt.
fM: Welche Ihrer Entscheidungen und Schritte haben sich rückblickend für Sie am meisten bewährt?
Alexander Dillmann: Am meisten bewährt hat sich, dass wir in der Führungsmannschaft einen Strategieplan A, B und C entwickelt haben. Plan A steht für vier Wochen Schließungszeit, B für acht Wochen, C für zwölf Wochen. Die Strategiepläne D und E sehen wir zur Zeit nicht, haben aber diese bereits zur Planung eingetaktet. Die Strategiepläne berücksichtigen alle Faktoren einer möglichen politischen, wirtschaftlichen, aber auch organisatorischen Entwicklung und die entsprechend darauf abgestimmten Maßnahmen. Diese Leitfäden haben sich interessanterweise zum jetzigen Zeitpunkt zu 100 Prozent bewährt.
fM: Was sind für Sie die prägenden Eindrücke und Erkenntnisse, die von dem Shutdown in der Corona-Krise bleiben werden?
Alexander Dillmann: Der Shutdown hat mir gezeigt, dass wir als Vivana Fitness & Wellness Park und auch als Fitnessbranche insgesamt offenbar eine wirklich gute Arbeit für fast zwölf Millionen Mitglieder leisten und geleistet haben. Hintergrund dazu ist die spürbare Treue unserer Mitglieder und die damit verbundene Solidarität, ihre Mitgliedsbeiträge weiter zu bezahlen obwohl ihre Fitnessclubs geschlossen haben.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist auch der Zusammenhalt der Branchenkollegen und der Fitnessindustrie. Corona hat es geschafft, die Grenzen des Wettbewerbs fallen zu lassen. Erstmalig fand unter den Fitnessclubbetreibern und der Fitnessindustrie ein offener Austausch satt. Auch die Initiative „Stay Strong – Stay Together“ ist ein Ergebnis der Krise und bietet ganz neue Chancen für die Zukunft. Allerdings lebt „Stay Strong – Stay Together“ nur durch die Solidarität der Fitnessclubbetreiber, auch ihren freiwilligen Beitrag dem Verein zu überweisen, damit aus der entwickelten Kommunikationsstrategie auch Wirklichkeit werden kann. Corona hat uns zwar körperlich auseinandergebracht, aber die Herzen zusammengeführt.
Über den Interviewpartner
Der ehemalige Leistungssportler Alexander Dillmann betreibt seit 1984 den Vivana Fitness & Wellness Park und ist Geschäftsführer der myline Deutschland GmbH. Am Wochenende vor dem Corona-bedingten Shutdown startete er die Initiative „iff – Informationsnetzwerk für Fitnessclubbetreiber“.
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