Philipp Hartewig: „Appell an die Politik für mehr Wertschätzung gegenüber der Fitnessbranche“
In einem Vorstoß hat die Arbeitsgruppe Sport der Fraktion der Freien Demokraten (FDP) im April im Deutschen Bundestag eine gesundheitspolitische Agenda erarbeitet, die die Rolle der Fitnessbranche als entscheidenden Akteur im Kampf gegen den Bewegungsmangel hervorhebt. Im jüngsten Positionspapier werden jahrelange Forderungen des DSSV e. V. aufgegriffen und die Bedeutung der Fitnessbranche für die Gesundheit der Bevölkerung betont. Im Interview spricht Philipp Hartewig über aktuelle Herausforderungen, die schrittweise Verbesserung der Rahmenbedingungen und die wichtige Zusammenarbeit mit dem DSSV e. V.
fM: Was waren die Beweggründe der AG Sport, das Positionspapier gerade zum Zeitpunkt der FIBO zu verabschieden?
Philipp Hartewig: Die FIBO war tatsächlich der Anlass, da auf dieser weltweiten Leitmesse viele Innovationen vorgestellt werden. Die gesamte Branche blickt nach Köln. Deswegen haben wir die Messe bewusst als Zeitpunkt gewählt, um das Positionspapier zu veröffentlichen.
In dem Positionspapier wird die Fitness- und Gesundheitsbranche als maßgeblicher Lösungsanbieter für die Gesundheitsprobleme unserer Gesellschaft genannt. Wie steht die Arbeitsgruppe Sport dazu?
Wir glauben, dass die Fitness- und Gesundheitsbranche in diesem Bereich ein enorm wichtiger Faktor ist. Wenn man sieht, wie viele Personen in der Bevölkerung erreicht werden und darüber hinaus, wie viel potenziell bei jedem Einzelnen durch das Training in den Fitnessstudios bewirkt werden kann, zeigt das die Relevanz auf.
Lesen Sie hier: 'Positionspapier zur Fitnessbranche'
Allein die Zahl von 11,3 Millionen Mitgliedern zeigt, dass kein anderer aus dem Bereich Gesundheit, Sport und Training so viele Menschen erreichen kann.
Wie stehen die anderen Fraktionen dazu?
Auch die anderen Fraktionen sehen grundsätzlich den Mehrwert, den die Fitness- und Gesundheitsbranche bringt. Teilweise wird die Fitnessbranche noch als Konkurrenz zum organisierten Sport gesehen, was ja überhaupt nicht der Fall ist.
Es handelt sich eher um eine wichtige Ergänzung, da es der Bevölkerung ohne die Fitness- und Gesundheitsbranche deutlich schlechter ginge.
Wir sind eine Gesellschaft, die derzeit vor vielen Herausforderungen steht, deswegen stehen Fitness und Gesundheit leider nicht bei allen Parteien so hoch auf der Tagesordnung wie bei uns. Grundsätzlich sehen jedoch alle den Mehrwert der Branche.
Wie kann die Fitness- und Gesundheitsbranche konkret von politischer Seite mehr gefördert werden?
Es fängt tatsächlich bei der Wertschätzung an, um überhaupt wahrzunehmen, was die Branche leistet. Das sollte die Politik stärker verfolgen und den Austausch suchen. Darüber hinaus sollte die Fitness- und Gesundheitsbranche bei allen Initiativen rund um das Thema Bewegung einbezogen und als gleichberechtigt zum organisierten Sport gesehen werden.
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Ein konkretes Beispiel ist hier der Bewegungsgipfel des Bundesgesundheitsministeriums.
Daneben müssen auch allgemeine wirtschaftliche Faktoren wie Bürokratie und Kosten, die alle Unternehmen in Deutschland betreffen, berücksichtigt werden.
Dort müssen wir ansetzen, um attraktive Rahmenbedingungen für die Fitness- und Gesundheitsbranche und die Wirtschaft zu schaffen.
Was muss getan werden, damit der gesundheitsfördernde und präventive Aspekt von Fitnesstraining in der Politik sowie auch in der Bevölkerung mehr Anerkennung bekommt?
Auf jeden Fall sollten wir in politischen Diskussionen immer die Fitness- und Gesundheitsbranche berücksichtigen und im Ausschuss beispielsweise bei Anhörungen mit erwähnen.
Es ist wichtig, dass die Fitness- und Gesundheitsbranche dort mit am Tisch sitzt. Die Fitnessbranche bringt viele Innovationen hervor und umfasst viele vorbildliche Unternehmen, die selbst dafür sorgen, dass ihre Kunden begreifen, was sie für einen Nutzen vom Training haben.
Deswegen glaube ich, dass die Anerkennung seitens der Bevölkerung in vielen Teilen besteht, aber dennoch weiter unterstützt und ausgebaut werden sollte.
In dem Papier sprechen Sie von einer dringend benötigten Bewegungsoffensive, bei der die Fitnessbranche ein wichtiger Bestandteil ist. Wie soll diese Offensive aussehen?
Als wir vor zweieinhalb Jahren in die Regierung kamen, war es meine erste Initiative, beim wissenschaftlichen Dienst eine Anfrage zu stellen, wie viel sich beispielsweise Kinder und Jugendliche in der Corona-Zeit bewegt haben und wie sich das Pensum entwickelt hat.
Dabei stellte sich heraus, dass Kinder und Jugendliche sich deutlich weniger bewegten als davor, was keine Überraschung war. Man beobachtet dieses Phänomen quer durch alle Bevölkerungsschichten.
Wir leben in einer alternden Gesellschaft, einer Gesellschaft, die sich verändert, z. B. immer mehr am Computer sitzt, weil Schreibtischarbeit zum Beruf gehört.
Daher müssen wir uns über die Themen Bewegung und auch Muskelaufbau Gedanken machen. Gerade in den älteren Semestern wird das sehr viel wichtiger; dort müssen wir ansetzen.
Es gibt dazu verschiedene politische Initiativen, da es dem Gesundheitssektor extrem hohe Kosten spart. Wir wollen aber nicht nur die wirtschaftliche Seite sehen, sondern auch, dass die Bevölkerung gesund ist und bis zur Rente arbeiten kann.
Wer körperlich aktiv ist, ist auch produktiver. Deswegen ist es wichtig, dass wir Bewegungsoffensiven starten und wieder mehr Menschen in Bewegung bringen.
Dabei müssen wir die Fitness- und Gesundheitsbranche integrieren. Sie ist der maßgebliche Faktor, da sie fächendeckend Bewegungsangebote schafft.
Die Fitnessbranche wird zunehmend professioneller. Wird dieser Wandel in der Politik wahrgenommen?
Dieser Wandel wird deutlich wahrgenommen. Jede Branche entwickelt sich weiter und man sieht genau, welche Berufsfelder sich verändern. In keiner anderen Branche gibt es so einen starken Grad der Professionalisierung.
Das sieht man bspw. an der Akademisierungsquote von rund 23 Prozent der Mitarbeitenden in der Fitness- und Gesundheitsbranche. So erreicht die Branche eine bestmögliche Angebots- und Betreuungsqualität im Sinne der wissenschaftlichen Bewegungsempfehlungen.
Die Professonalisierung spiegelt sich auch in der Entwicklung wider, insbesondere in der Forschung zu Geräteentwicklung, Digitalisierung, Einsatz von KI, Ernährung, Bewegung und Trainingswissenschaften. Die gesamten Politik nimmt wahr, dass es in der Branche schnell vorangeht.
Die Ergebnisse einer Studie der DHfPG zeigen, dass ein individualisiertes Fitnesstraining einen wichtigen Beitrag zur Krankheitsbewältigung beim Post-COVID-Syndrom leisten kann. Es kam zu einer Reduktion der Erschöpfungssymptomatik sowie zu einer Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit.
Was muss geschehen, damit die Forderungen aus dem Positionspapier in die Tat umgesetzt werden?
Was auf jeden Fall hilft, ist ein Appell an alle Studiobetreiber, auf die Politik zuzugehen und die regionalen Politiker vor Ort aus allen Fraktionen anzusprechen, damit das Thema präsent ist. Es fängt ganz allgemein mit der Wertschätzung an sowie damit, dass Fitness bei allen Initiativen mitgedacht wird.
Dann geht es mit den ganz konkreten Rahmenbedingungen und der Bürokratie weiter bis dahin, dass wir den Sport und den Wettbewerb schützen. Heute wirkt das selbstverständlich, aber als wir in die Regierung kamen, haben wir erstmal dafür gesorgt, dass z. B. Sportstätten aufgrund von Corona nicht mehr ohne Zustimmung des Bundes komplett geschlossen werden und die Länder die Nutzung nur noch einschränken konnten.
Sie dürfen sie aber nie mehr komplett schließen, ohne dass wir als Bund die epidemische Lage nationaler Tragweite ausrufen. So wird erstmal überhaupt ein Schutz gewährleistet.
Viele der Regelungen damals waren überzogen und es ist immer noch nicht ganz klar, welches Ausmaß diese Maßnahmen gerade im Bereich Gesundheit und Bewegung angerichtet haben.
Dann müssen wir Schritt für Schritt an die einzelnen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen herangehen. Es geht um Abschreibungsregeln und die Erhöhung der Mini-Midijob-Grenzen, um eine Flexibilisierung zu schaffen.
Wir wollen die Aufbewahrungsfristen, die jedes Unternehmen betreffen, verkürzen – viele kleinere Maßnahmen, mit denen wir versuchen, insbesondere Studiobetreiberinnen und -betreibern das Leben zu erleichtern.
Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit mit dem DSSV e. V.?
Diese Zusammenarbeit ist extrem wichtig. Der DSSV e. V. ist der erste Ansprechpartner in Sachen Fitness und Bewegung.
Wir haben den Verband schon mehrfach in Sachverständigenanhörungen benannt, weil er uns immer sehr gut spiegelt, vor welchen aktuellen Problemen die Branche steht, auch gerade, wenn es vielleicht rechtliche Fragen gibt.
Der DSSV e. V. zeigt uns, wie die Branche sich entwickelt und welche Stimmung dort herrscht. Die gegenseitige Zusammenarbeit macht großen Spaß, weil der Verband und die Branche einfach Lust haben, etwas zu bewegen – und das ist natürlich ehrlicherweise ein bisschen anders als in anderen Politikfeldern.
Unter den 11,3 Millionen Mitgliedern in den Fitnessstudios gibt es zahlreiche Wählerinnen und Wähler. Inwieweit wird die Fitness- und Gesundheitsbranche bei den bevorstehenden Wahlen in den Programmen der Parteien berücksichtig?
Ich kann es leider nicht konkret sagen, weil viele der Rahmenbedingungen auf Bundesebene verabschiedet werden, aber ich glaube, auch auf Landesebene kommt man nicht daran vorbei, die Fitnessbranche als einen der ersten Ansprechpartner bei allen Initiativen rund um das Thema Bewegung und Gesundheit zu sehen.
Das ist extrem wichtig. Die Branche ist gut für Körper und Geist und deswegen hoffe ich, dass diejenigen, die im Studio trainieren, besonders weise Entscheidungen treffen.
Über unseren Interviewpartner
Philipp Hartewig, MdB: Sportpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und Obmann im Sportausschuss
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