Fitness, Management | Autor/in: Florian Schmidt & Jürgen Wolff |

Hybride Fitnessangebote – Patrick Müller im Interview: „Wenn es die Clubs nicht machen, machen's andere!“

Nach anfänglicher Abneigung gegenüber hybrider Angebote ist Patrick Müller vom pm sports Club Dresden jetzt Feuer und Flamme für stationäre und digitaler Konzepte. In seinem Studio bietet er Livestream zu Kursen vor Ort an, die vor allem von Mitgliedern im Alter von Mitte 30 bis 40 Jahren genutzt werden. Die Jüngeren nutzen eher die virtuellen Classes im Studio. Ergänzt wird das Konzept durch die LES MILLS + Club Affiliate Plattform.

Interview Patrik Müller 'Digitale Generation'

fM: Wie wichtig ist für Studios heute ein guter Mix aus stationären und digitalen Betreuungs- und Kursangeboten?

Patrick Müller: Es ist vor allen Dingen innerhalb der letzten drei Jahre sehr wichtig geworden. Ich selbst bin seit dem Umzug meines Studios in die neue Location vor fünf Jahren mit digitalen Angeboten und einer virtuellen Plattform relativ gut unterwegs gewesen, wobei diese Plattform noch eine Vor-Ort-Betreuung mit sich bringt.


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Die Lockdowns haben uns natürlich noch einmal die Augen geöffnet. Im ersten Lockdown war ich noch strikt dagegen, mit eigenem Content nach außen zu gehen und wir haben nur über LES MILLS+ Club Affiliate Content an unsere Kunden weitergegeben.

Als es sich abzeichnete, dass wir längere Zeit geschlossen bleiben würden, habe ich meine Meinung komplett geändert. Jetzt sind wir soweit, dass wir unsere Partner und Kunden virtuell mit Live-Classes und Livestreams über die LES MILLS Affiliate-Plattform versorgen können.

Die ganz simple Aussage ist: Wenn wir es in den Clubs nicht machen, machen‘s andere. Apple Fitness+, Peloton oder andere Anbieter, die jetzt auf den Markt gekommen sind, machen es ja ganz gut. Ich denke auch, dass große Unternehmen wie Amazon sich nicht davor verschließen werden, irgendwann Content bereitzustellen. (Lesen Sie auch: 'Mit sechs Maßnahmen erhobenen Hauptes den Tech-Giganten trotzen')

Inwiefern haben hybride Angebote in den beiden Corona-Jahren an Bedeutung gewonnen?

Sie haben stark an Bedeutung gewonnen. Man merkt immer noch, dass die Mitglieder im Studio nach wie vor vorsichtig und zögerlich sind. Gerade jetzt, in den vergangenen Monaten hat man die Unsicherheit im Hinblick auf diesen Winter gespürt.

Wir hatten einige Anfragen von Kundinnen und Kunden, die nach Mitgliedschaftsmodellen gefragt haben, bei denen sie sich über Livestreams oder andere Arten von Content ins Studio einloggen und auch zu Hause trainieren können. (Auch interessant: 'Zurück in die Studios')

Um welche digitalen Formate haben Sie Ihr Studioportfolio in diesem Zeitraum erweitert?

Hinzugekommen sind die Livestream-Classes. Die Kunden können sich über Zoom einwählen. Wir sind Partner bei Magicline, die ihre App ganz gut weiterentwickeln und Zoom integriert haben. Das hat das Handling von Bild und Ton sehr vereinfacht – und darum ging es eigentlich. Im Lockdown war es noch schwierig, Zoom-Classes anzubieten, weil Zoom noch nicht in die Verwaltungsstruktur eingebunden werden konnte.


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Bei uns sind mehrere Kameras dauerhaft installiert. Wir haben nicht einfach nur ein Bild und filmen die Trainerinnen und Trainer von vorn, sondern die Kameras wechseln selbstständig und wir haben einen abwechslungsreichen Stream. Alle Kunden können sich einwählen.

Wir haben auch eine Online-Mitgliedschaft ins Leben gerufen. Es kam häufiger vor, dass Kundinnen und Kunden aus Dresden wegzogen, aber trotzdem weiterhin unsere Kurse besuchen wollten. Diese Kunden haben über uns Equipment gekauft und sind über ihre Online-Mitgliedschaft jetzt dabeigeblieben und loggen sich immer wieder mit ein. Das bleibt auch so. (Auch lesenswert: 'Klar positionieren')

Wie sieht der hybride Mix bei Ihnen im Studio konkret aus?

Wir haben nur einen Raum, das ist ein Indoor-Cycling-Raum. Wir haben für diesen Raum eine kleine Station aufgebaut. Am Anfang und in der Übergangsphase, als die Leute lieber noch zu Hause geblieben sind, hatten die Trainer vorn noch einen Monitor, wo sie die Teilnehmenden gesehen haben.

Das ist jetzt nicht mehr so. Unser Team hat über einen gesonderten Log-in Zugriff auf den Chat und kann dort auf Fragen oder Hinweise der Teilnehmenden – Musik zu laut, Bild zu dunkel oder Ähnliches – reagieren.


Über den Interviewpartner

Patrick Müller ist 46 Jahre alt und Vater von drei Kindern. Als Leistungsturner ist er mit Sport aufgewachsen. Nachdem er die Karriere als Turner verletzungsbedingt aufgeben musste, war er in der Wettkampfaerobic erfolgreich und kam über Jobs als Trainer mit Studios in Kontakt.

Nach einem parallel laufenden Studium der Sportwissenschaften machte er sich als Gruppenfitnessmanager für eine Studiokette in Chemnitz selbstständig. Durch diese Tätigkeit kam Patrick Müller mit LES MILLS in Kontakt und arbeitete dort zunächst im Vertrieb, besuchte weltweit Trainings und Events und wurde mit 28 Jahren National Trainer.

2012 eröffnete er einen eigenen Club in Dresden. Nach einem Umzug 2017 hat der pm sports Club sein Zuhause heute in einem ehemaligen Theater in der Äußeren Neustadt, einem Szeneviertel Dresdens.


Unsere Trainerinnen und Trainer geben eine ganz normale Class für die Kunden, die live vor Ort sind. Die Trainer müssen am Rechner mit der Maus nur auf 'Start' drücken und dann geht es los.

Es kam für uns darauf an, dass alles einfach zu handhaben ist, damit jeder Instruktor das System bedienen kann.

Darüber hinaus muss das System stabil funktionieren, damit man seine Teilnehmer nicht enttäuscht. Selbst preislich war es am Ende für uns keine so große Investition.

Produzieren Sie den virtuellen Content für den pm sports Club inhouse mit Ihrem Team oder greifen Sie auf externes Know-how und die Infrastruktur von Dienstleistern zurück?

Sowohl als auch – die Livestreams produzieren wir selbst. Diese Inhalte kombinieren wir mit Content von der LES MILLS+ Club Affiliate Plattform zu einem digitalen Zusatzangebot für unsere Kunden. (Lesen Sie mehr: 'Zu Hause digital trainieren')

Bei der Affiliate-Plattform haben unsere Kunden über einen besonderen Link, den wir kreieren, Zugriff auf die LES MILLS+ App, melden sich dort an und bezahlen dort auch ihren Beitrag, der nicht ans Studio geht.

Für uns funktioniert es sehr gut. Wir haben rund 100 Subscriber, die unser Angebot regelmäßig zu Hause nutzen und sich zum Teil sogar Indoor-Bikes für zu Hause angeschafft haben.

Mit neuen Tools gehen auch immer wachsende Herausforderungen an die Trainerqualifikation einher: Was müssen Fachkräfte heute mitbringen, um Kunden im Studioalltag analog und digital rundum professionell betreuen zu können?

Grundvoraussetzung sind natürlich die 'Fitnesstrainer/in-B-Lizenz' und in unserem Fall die entsprechenden LES MILLS Qualifikationen. Darüber hinaus war unsere Hauptprämisse, dass wir die Bedienung aller Tools so einfach wie möglich gestalten wollten.

Dazu gehört auch, dass die Trainerinnen und Trainer nicht noch Unmengen an neuem technischen Know-how brauchen, um eine Class zu unterrichten. Deshalb haben wir die Handhabung intern geschult.

Am Anfang hatten wir mehrere Workshops von LES MILLS zum Verhalten bei Livestreams. Da haben wir das grundlegende Werkzeug bekommen, um auf die Kameras einzugehen und mit den Kameras zu arbeiten.

Vor Ort, online-live und on demand: Welche Generation bevorzugt welche Angebote?

Mit einem Altersdurchschnitt unter unseren Mitgliedern von 31 Jahren sind wir ein sehr junges Studio.

Die Mittdreißiger und Anfang Vierziger nutzen die Livestream-Formate vor allen Dingen spät abends stärker, weil sie vielleicht zu Hause Kinder haben und mit dem Sport ihren Alltag ausklingen lassen. (Lesen Sie mehr: 'Zielgruppe versus Lifestyle')

Die virtuellen Classes im Studio werden stärker von den Jüngeren genutzt. Da kristallisiert sich eine Zielgruppe heraus, die schon früh um 18 Uhr am Start ist.

Welche Rolle spielen dabei ihre Trainerinnen und Trainer?

Die meisten meiner Trainerinnen und Trainer sind fest angestellt und natürlich angehalten, die Kurse in Gesprächen mit den Kunden anzuteasen, damit sie Lust bekommen, mal reinzuschnuppern. Grundsätzlich entwickeln wir all unsere Trainingspläne immer inklusive Kursangebot.


Weitere Hintergründe

Lesen Sie außerdem unseren Artikel 'Das Beste aus zwei Welten' als Einstieg zum Interview.

Indem Sie auf das Bild oberhalb dieses Textes klicken, gelangen Sie direkt zum Artikel.


D. h. wir bieten die Kurse nicht nur an und sagen „Das könnte dir Spaß machen“, sondern integrieren sie konkret in den Plan: Von z. B. vier Trainingstagen pro Woche solltest du eine halbe Stunde BODYPUMP® machen, an einem anderen Tag brauchst du ein Cardioformat – immer plus Ergänzung auf der Trainingsfläche.

Wir binden unser Kursangebot in das umfassende Training fest ein. Das teasert die Leute und die Trainer spielen dabei natürlich eine entscheidende Rolle.

Was gilt es bei der Planung und Umsetzung von Hybridlösungen für Studios zu beachten?

Bei der Investition in digitale Angebote sollte man immer versuchen, den Club auf verschiedene Beine zu stellen. Die Digitalisierung sollte nie das Leitthema ablösen, sondern immer als ergänzendes Angebot gesehen werden.

Es sollte nicht die Intention von Studios sein, alles digital oder hybrid anzubieten, um mit weniger Personal die gleiche Anzahl an Mitgliedern zu erreichen. Die Intention von Studios sollte immer das qualitativ hochwertige betreute Training sein.


Auch lesenswert: 'Qualifizierte Trainer wichtiger denn je'


Der entscheidende Gedanke hinter unserem hybriden Angebot war immer, den Kursraum optimal zu nutzen. Der Kursraum wird durch fünf, vielleicht sechs Liveformate am Tag belegt. Das sind fünf oder sechs Stunden. Der Club hat aber in der Regel 14 bis 16 Stunden geöffnet. Um diese Leerstände zu überbrücken, eignen sich virtuelle Formate sehr gut.

Ein weiterer guter Aspekt digitaler Angebote ist, dass wir es ganz gut schaffen, damit die Hemmschwelle für Neueinsteiger abzubauen, die vielleicht nie in eine Class gehen würden, in der alle schon alles zu können scheinen.

Was Clubs auf alle Fälle beachten müssen, ist die Bedienbarkeit. Es darf nicht kompliziert sein, weil es sonst Zeit kostet und Ressourcen frisst. Für die Streamingausrüstung sollte man sich bemühen, das beste Tool zu finden, damit der Ton mit der Instruktor-Stimme und der Musik sowie das Bild bei den Leuten zu Hause gut ankommen.

Wie groß darf die Ausrüstung sein? Wie viel Platz habe ich dafür vorgesehen? Das sind so die Punkte, bei denen man sich entweder gut beraten lassen oder halt probieren sollte. Wir haben viel probiert.

Mehr: 'Gemeinsame Zukunft: LES MILLS verkündet Markenpartnerschaft mit adidas'

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