Fitness, Gesundheit | Autor/in: Carolin Schmidt |

Post-COVID-Studie zu Fitnesstraining bei Fatigue

Wer Corona hat, denkt meist auch an das Post-COVID-Syndrom, das unabhängig vom Schweregrad der Primärinfektion auftreten kann. Ob und unter welchen Voraussetzungen individuelles Fitnesstraining eine Fatigue-Symptomatik verbessert, untersucht aktuell eine Studie der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und des Universitätsklinikums des Saarlandes (UKS). Die Ergebnisse der Studie werden voraussichtlich 2024 veröffentlicht.

Prof. Dr. Arne Morsch und Dr. med. Jürgen Rissland präsentieren ihre Studie zu den Auswirkungen eines individualisierten Fitnesstrainings auf die Fatigue-Symptomatik des COVID-Syndroms.

mfhc: Ganz zu Beginn, was versteht man unter Post und/oder Long COVID? Wo liegt der Unterschied und wie zeichnet sich die Symptomatik ab?

Prof. Dr. Jürgen Rissland: Beide Phänomene beschreiben im Grunde das Gleiche. Bei einer Akutinfektion können sich Symptome für bis zu vier Wochen zeigen. Von Long COVID spricht man, wenn die Symptome für vier bis zwölf Wochen bestehen – von Post COVID, wenn sie länger als zwölf Wochen andauern, und darauf haben wir uns in unserer Studie konzentriert.


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Die Langzeitsymptome sind sehr vielfältig. Da in fast allen Studien aber die Fatigue, eine Art 'überzogene Müdigkeit' kombiniert mit Konzentrations- und Denkstörungen, genannt wird, haben wir uns in unserer Studie auf diese als Leitsymptom fokussiert.

Prof. Dr. Arne Morsch:Diese anhaltende Erschöpfung und eingeschränkte Leistungsfähigkeit erschwert den Betroffenen die Alltagsbewältigung enorm und ist daher von hoher gesellschaftlicher Relevanz.

Wie kam es zur Idee der Studie? Was ist das Ziel?

Prof. Dr. Arne Morsch:Die Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) hat 2022 gemeinsam mit dem saarländischen Gesundheitsministerium und dem Verein für Prävention und Gesundheit im Saarland e. V. die 'Fitmach-Aktion: fit & gesund im Saarland' durchgeführt. (Auch interessant: ''Fitmach-Aktion': Training und Long/Post COVID')

1.000 Teilnehmende sollten nach der Pandemie zu mehr Bewegung motiviert werden. Eine Befragung zu den Begleitsymptomen einer COVID-Infektion ließ vermuten, dass Training diese positiv beeinflussen kann.

Prof. Dr. Jürgen Rissland: Ich selbst habe 2022 meinen Fokus immer mehr auf das Post-COVID-Syndrom gelegt. Durch den bereits bestehenden Kontakt zu Prof. Dr. Morsch kamen wir ins Gespräch über unsere beiden Studienschwerpunkte zu Corona.

Sehr schnell hatten wir die gemeinsame Idee, wissenschaftlich nachzuforschen. Mit der Studie wollen wir herausfinden, wem wir zu einer Symptomlinderung verhelfen können, wo wir eine Chronifizierung gegebenenfalls vermeiden können und an welcher Stelle des Krankheitsprozesses eine körperliche Aktivierung vielleicht noch zu früh ist.

Zur „Fitmach-Aktion“: Hatten Sie beim Projektdesign bereits den Verdacht, dass sich Fitnesstraining auf das Post-COVID-Syndrom, genauer Fatigue, auswirkt?

Prof. Dr. Arne Morsch:Ja, weil u. a. zu dem Zeitpunkt bereits in der S1-Leitlinie Post-COVID Sporttherapie in die Behandlungsstrategien einbezogen wurde. Empfohlen wird dort eine an die individuelle Belastbarkeit angepasste, kontrollierte Anleitung zu körperlicher Aktivität bzw. zu dosiertem körperlichen Training.


Über unsere Interviewpartner

SR Prof. Dr. med. Jürgen Rissland, MBA: Neben seiner Approbation und Promotion verfügt der Mediziner und Sanitätsrat auch über einen MBA-Abschluss (Health Executive). Seit 2011 ist er leitender Oberarzt und ständiger Vertreter der Institutsdirektorin am Institut für Virologie des Universitätsklinikums des Saarlandes.

Prof. Dr. Arne Morsch: Der promovierte Sportwissenschaftler leitet an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und der BSA-Akademie den Fachbereich Gesundheitswissenschaft/Gesundheitsförderung. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen der Individualprävention sowie der Gesundheitsförderung in Settings.


Prof. Dr. Jürgen Rissland: Neben dem von Professor Morsch erwähnten Ziel gab es also ein zweites: Diese Empfehlungen in der S1-Leitlinie mit wissenschaftlich belegten Daten zu untermauern.

Sie sprechen die ganze Zeit von „wir“. Welche Institutionen stehen hinter Ihnen?

Prof. Dr. Jürgen Rissland: Wir, das sind die Forschenden der DHfPG um Prof. Dr. Arne Morsch, meine Wenigkeit als leitender Oberarzt am Zentrum für Infektionsmedizin des Universitätsklinikums des Saarlandes und der Studienleiter Prof. Dr. med. Johannes Jäger, MME, Leiter des Zentrums Allgemeinmedizin der Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes.


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Unterstützt werden wir auch vom Saarländischen Hausärzteverband, v. a. bei der Rekrutierung von geeigneten Betroffenen, den gesetzlichen Krankenkassen im Saarland und dem saarländischen Gesundheitsministerium.

Prof. Dr. Arne Morsch: Wir haben es geschafft, alle wichtigen Institutionen für diese Studie zu begeistern und zu vereinen. Das steigerte nicht zuletzt auch die Aufmerksamkeit und Resonanz. Für die Rekrutierung von Studienteilnehmenden war es sehr wichtig, die medizinische Expertise der behandelnden Hausärzte einzubeziehen.

Wie haben Sie sichergestellt, dass nur Personen an der Studie teilnehmen, die auch die Vorgaben erfüllen?

Prof. Dr. Jürgen Rissland: Eine Sportfreigabe vom Hausarzt und ein positives PCR-Testergebnis mussten vorliegen. Es gab ein Vorscreening mit verschiedenen Befragungsinstrumenten, anhand derer die Einschlusskriterien überprüft wurden. U. a. mussten wir ausschließen, dass Probanden mit einer Belastungsintoleranz, d. h. jegliche körperliche Aktivität wirkt sich negativ auf die Symptome aus, in die Studie aufgenommen werden.

Entscheidend waren auch z. B. das Alter, das Vorliegen des Hauptsymptoms Fatigue und eine unregelmäßige sportliche Aktivität. Personen mit schweren funktionellen Einschränkungen wurden nicht aufgenommen.

Prof. Dr. Arne Morsch: Bereits bei der Registrierung auf der eigens geschaffenen Landingpage mussten Personen Angaben zu sich und dem Krankheitsverlauf machen. Hat alles gepasst, wurden sie zum Vor-Ort-Vorscreening eingeladen.

Danach wurden die Studienteilnehmenden zufällig auf zwei Gruppen verteilt, die Wartekontrollgruppe, die ihren normalen Lebensrhythmus beibehält, und die Interventionsgruppe, die nach einer kleinen Einführungsphase ein achtwöchiges, individuell gesteuertes körperliches Training im Sinne einer Kraft- und Ausdauerbeanspruchung durchführt.

Welche Tests wurden durchgeführt, um die Ausprägung der Fatigue-Symptomatik zu bestimmen?

Prof. Dr. Arne Morsch: Fatigue wirkt sich auch auf die muskuläre Leistungsfähigkeit aus. Daher haben wir einen doppelten Handkrafttest mit der dominanten Hand durchgeführt, zwei Durchläufe à zehn Wiederholungen mit einer Stunde Pause dazwischen. Während Gesunde sich von Durchgang eins zu zwei verbessern, nimmt die Kraft von Fatigue-Betroffenen häufig ab.

Mit dem Chester-Step-Test haben wir die Ausdauerleistungsfähigkeit durch ein submaximales Verfahren geprüft. Der Proband steigt dabei in einem vorgegebenen Rhythmus auf ein Aerobic-Step und durchläuft mehrere Stufen à zwei Minuten mit steigender Geschwindigkeit.

Welches Bild zeigt die Probandengruppe hinsichtlich Alter, Geschlecht, Krankheitsverlauf, Symptomschwere?

Prof. Dr. Jürgen Rissland:Bei zwei Aspekten können wir schon Aussagen treffen. Teilgenommen haben Menschen zwischen 22 und 75 Jahren. Wir lagen mit dem Einschlusskriterium zwischen 18 und 79 Jahren richtig.

Wir gingen auch davon aus, dass die Gruppe der Frauen überwiegen wird. Und man kann jetzt schon sagen, dass auch diese Annahme auf unsere Probandengruppe zutrifft – 63 Prozent der Teilnehmenden sind weiblich.


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Prof. Dr. Arne Morsch: Bezüglich eines unserer Hauptzielparameter – der Fatigue – können wir sagen, dass diese in unserer Probandengruppe im Vergleich zu gesunden Menschen deutlich ausgeprägt ist. Wir haben also genau die Personen erreicht, die wir erreichen wollten.

Kann man nach acht Wochen Training tatsächlich bereits klare Ergebnisse erkennen?

Prof. Dr. Arne Morsch: Eine wichtige Frage, die wir für uns beantworten mussten, war: Wie lange lassen wir die Intervention laufen? Längere Laufzeiten lassen stärkere körperliche Effekte erwarten. Andererseits spielt bei Post COVID auch der Faktor Zeit eine Rolle, weil Symptome im Laufe der Zeit weniger werden können.

Insofern glauben wir, mit unserer Laufzeit von acht Wochen und dem Vergleich mit einer Kontrollgruppe eine gute Wahl getroffen zu haben, um die Effekte eines individualisierten Trainings darstellen zu können.

Prof. Dr. Jürgen Rissland:Man darf die Rechnung auch nicht ohne den Wirt machen. Die Probanden durchlaufen das Vorscreening, trainieren acht Wochen, idealerweise zwei bis drei Mal die Woche in einer gewissen Intensität, absolvieren ein Follow-up – irgendwann wird es den Leuten einfach zu viel.

Wie haben Sie die teilnehmenden Fitness- und Gesundheitsanlagen ausgewählt? Waren auch bestimmte Qualifikationen des Fachpersonals notwendig?

Prof. Dr. Jürgen Rissland: Insgesamt haben wir 19 Anlagen im Saarland ausgewählt, auch mit Blick auf die Flächendeckung. Eine Zusatzkomponente möchte ich noch erwähnen: Wir haben sehr viel Wert auf die medienbruchfreie elektronische Erhebung aller Daten gelegt.

Das Besondere war, dass sowohl die Interventionsgruppe als auch die Kontrollgruppe 24 Stunden am Tag einen Fitnesstracker getragen haben – mit Zustimmung der Ethikkommission des Saarlandes. Das liefert uns nicht nur riesige Datenmengen, sondern erleichtert auch die konkretere Einordnung und Erhärtung der Ergebnisse.


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Prof. Dr. Arne Morsch: Alle Studios wurden vor Ort in ihren eigenen Räumlichkeiten von uns geschult und es musste qualifiziertes Fachpersonal für die Durchführung verfügbar sein. Manuals und Videoanleitungen z. B. für die standardisierte Durchführung des Handkraft- oder Chester-Step-Tests halfen bei der methodischen Standardisierung und der einheitlichen Durchführung.

Wie haben Sie vermieden, dass sich die körperliche Aktivität negativ auswirkt? Gab es Abbrecher?

Prof. Dr. Arne Morsch: Durch das Vorscreening und die Brief-Fatigue-Inventory-, kurz BFI-Skala von 1 bis 10 zur Bestimmung der tagesaktuellen Fatigue-Ausprägung.

Nur eine Person musste die Intervention gleich zu Beginn abbrechen, weil die Belastung nicht toleriert wurde. Bei den allermeisten Probanden konnten wir keine Zustandsverschlechterung bzw. eine Überbeanspruchung mit eventuell nachfolgender Symptomverschlechterung feststellen, bezogen auf fast 2.200 Trainingseinheiten. Man kann festellen, dass die Trainingsintervention unter Einbezug von Strategien des Symptommanagements sicher umsetzbar ist.

Können wir explizite Handlungsempfehlungen erwarten?

Prof. Dr. Jürgen Rissland:Hat der positive Trend, den wir zu erkennen glauben, Bestand, werden wir naturgemäß auch sagen, unter welchen Rahmenbedingungen diese positiven Effekte zustande gekommen sind.

Prof. Dr. Arne Morsch: Eine Sache muss aber klar sein: Potenzielle Trainingsempfehlungen beinhalten die qualitativ hochwertige Betreuung der Betroffenen in den Einrichtungen. Es muss auch im Sinne der methodischen Qualität der Studie entsprechend umgesetzt und individualisiert werden. Ein Vorgehen im Sinne von 'One size fits all' wird hier nicht funktionieren.

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