Fitness, Gesundheit | Autor/in: Tobias Mischo |

HIIT bei kardiovaskulären Erkrankungen: Eine Alternative zur Dauermethode?

Hochintensives Intervalltraining findet mittlerweile immer häufiger Anwendung, sowohl im Leistungs- als auch im Breitensport. Ist dieses Training auch bei vorliegenden kardiovaskulären Erkrankungen umsetzbar und welche Möglichkeiten und Chancen bietet ein HIIT im Rahmen der Prävention?

Vorteile von HIIT für kardiovaskuläre Erkrankungen

Maßnahmen zur Prävention und Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKE) sind von enormer Bedeutung, da diese mit über 33 Prozent (Stand: 2021) die häufigste Todesursache in Deutschland darstellen (Statistisches Bundesamt [Statista], 2023). Dies zeigt, dass großer Handlungsbedarf sowohl im Rahmen der Prävention als auch in der Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen besteht.

Eine Möglichkeit hierzu stellt das medizinische Fitnesstraining dar. Dabei stellt sich die Frage, welche Belastungsformen geeignet sind, um kardiovaskulären Erkrankungen präventiv sowie rehabilitativ entgegenzuwirken.


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    Da die maximale Sauerstoffaufnahme, kurz VO2max, als entscheidender Parameter für die Herzgesundheit angesehen wird (Khan et al., 2014), steht das Ausdauertraining zur Verbesserung dieser im Fokus. Zumeist kommt die moderate kontinuierliche Dauermethode (MICT) zur Anwendung. Eine zeiteffizientere Alternative könnte jedoch das Hochintensive Intervalltraining, kurz HIIT, darstellen.

    Was ist HIIT?

    Unter HIIT versteht man ein Training, das aus wiederholten Belastungen oberhalb der Laktatschwelle, also einer subjektiv wahrgenommenen Anstrengung von anstrengend oder höher, unterbrochen von Perioden mit niedriger Intensität oder vollständiger Ruhe (Laursen & Buchheit, 2019, S. 3) besteht.


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    Abzugrenzen ist das HIIT vom Hochintensitätstraining, kurz HIT. Das HIT stellt eine Methode zur Förderung der Proteinsynthese (Hypertrophie) dar und ist dementsprechend dem Krafttraining zuzuordnen.

    Formen von HIIT

    Wie in Abbildung 1 zu erkennen, wird Ausdauertraining in verschiedenen Intensitätsbereichen durchgeführt. Die darin genannte Borg-Skala stellt ein Mittel zur Steuerung der Belastungsintensität dar (Löllgen, 2004, S. 299).

    Zinner und Sperlich differenzieren diesbezüglich drei Zonen (Zinner & Sperlich, 2019, S. 94–95):

    • Zone 1: moderat (< 2 mmol/l Blutlaktat); Anstrengungsempfinden: etwas anstrengend (Borg: < 13)
    • Zone 2: intensiv (2–4 mmol/l Blutlaktat); Anstrengungsempfinden: anstrengend (Borg: 15–16)
    • Zone 3: sehr intensiv (> 4 mmol/l Blutlaktat); Anstrengungsempfinden: sehr anstrengend (Borg: > 17)

    Diese Zonen sind wichtig, um das HIIT im Rahmen des Ausdauertrainings einordnen zu können. Das HIIT findet ausschließlich in Zone 3 statt, des Weiteren existieren verschiedene Arten von Hochintensivem Intervalltraining. Differenziert wird hier zumeist in Lang-, Mittel- sowie Kurzzeitintervalle.

    Je nach vorliegendem Erkrankungsbild, Leistungsfähigkeit sowie ärztlicher Freigabe können diese Belastungvorgaben auch von Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen umgesetzt werden.

    Hier stellt sich nun die Frage, mit welcher Methode die maximale Sauerstoffaufnahme als Bruttokriterium der Ausdauerleistungsfähigkeit sowie entscheidender Faktor der Herzgesundheit optimal trainiert werden kann.

    Training der VO2max durch HIIT

    Den größten Einflussfaktor auf die VO2max stellt das Herzminutenvolumen (HMV) dar. Es setzt sich aus dem Produkt von maximaler Herzfrequenz und maximalem Schlagvolumen (SV) zusammen. Das HMV wird primär über das SV beeinflusst. Verbessern lässt sich dieses durch Belastungsphasen mit Intensitäten von über 90 Prozent der maximalen Herzfrequenz (Borg: > 17).

    Am wirksamsten sind somit HIIT-Einheiten, bei denen ein sehr hoher Prozentsatz der VO2max erreicht wird, weswegen sich der Trainierende pro Trainingseinheit möglichst lange im Bereich des maximalen Schlagvolumens bewegen sollte.


    Über den Autor

    Tobias Mischo, M. A. Prävention und Gesundheitsmanagement, ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent im Fachbereich Trainings- und Bewegungswissenschaft an der  Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und der BSA-Akademie tätig. Durch seine langjährige Berufserfahrung im Bereich der Sport- und Bewegungstherapie verfügt er über umfassende Praxiserfahrung in diesem Bereich.


    Hier sind verschiedene Faktoren von Relevanz. Zunächst ist wichtig zu wissen, wann das maximale SV erreicht wird: Es hat sich gezeigt, dass das maximale Schlagvolumen in Abhängigkeit verschiedener Parameter nach ein bis vier Minuten erreicht wird, bevor es stabil bleibt bzw. aufgrund von Erschöpfung abnimmt (Buchheit & Laursen, 2019, S. 36).

    Eine Intervalldauer von bis drei bis vier Minuten erscheint zur Verbesserung des Schlagvolumens also sinnvoll.

    Cumming (1972) zeigte diesbezüglich, dass das maximale Schlagvolumen bei kürzeren Intervallen nicht während der Belastungsphase, sondern in der Erholungsphase erreicht wird. Somit können auch Intervalle mit einer Belastungszeit von 30 Sekunden oder weniger zu einer Verbesserung der VO2max führen, jedoch scheinen Intervalle von drei bis vier Minuten einen größeren Effekt auf diese zu haben (Helgerud et al., 2007).


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    Zudem stellt sich die Frage, wie die Erholungsphasen optimal zu gestalten sind. Stanley und Buchheit (2014) zeigten, dass kein eindeutiger Unterschied hinsichtlich des Schlagvolumens zwischen passiven Erholungsphasen sowie geringen Belastungen von 30 bzw. 60 Prozent der VO2max besteht.

    Moderate sowie intensivere Erholungsphasen sind also vermutlich nicht erforderlich, um ein hohes Schlagvolumen während der HIIT-Intervalle aufrechtzuerhalten. Daher empfehlen sich relativ leichte oder passive Erholungsphasen, um möglichst viele hochintensive Intervalle absolvieren und somit eine Akkumulation der Trainingszeit bei maximalem Schlagvolumen zu erzielen (Buchheit & Laursen, 2019, S. 37–38).

    Aufbau einer Trainingseinheit

    Die gängigste Variante einer hochintensiven Intervalltrainingseinheit stellt ein 4x4-Training dar (vier Intervalle à vierminütigen Belastungsphasen über 85 % der HFmax bzw. Borg: ≥ 17). Die Erholungsintervalle liegen hier in der Regel bei drei Minuten mit 50 bis 60 Prozent der HFmax (Borg: 11–12). Zu Beginn bzw. nach den Intervallen erfolgt eine Aufwärm- bzw. Cool-down-Phase von sechs bis zehn Minuten bei ca. 60 Prozent der HFmax (Borg: 12).

    Sollte es den Trainierenden nicht möglich sein, die hier vorgegebene Intensität aufrechtzuerhalten (z. B. bei Patienten mit Herzinsuffizienz), so kann alternativ ein Trainingsmodell mit mehreren Belastungsphasen (in der Regel zehn bis zwölf) à 30 Sekunden mit über 90 Prozent der HFmax (Borg: ≥ 18) bei Erholungsphasen von 45 Sekunden mit einer Intensität von bis zu 50 bis 60 Prozent der HFmax (Borg: 11–12) angewendet werden.

    Da sich die Herzfrequenz vor allem bei kürzeren Intervallen erst mit einer Verzögerung an die Intensität anpasst, stellt die Trainingssteuerung mittels Borg-Skala eine durchaus praktikablere Lösung für das angegebene Patientenkollektiv dar.

    Die Auswahl der Intensität ist abhängig von verschiedenen Faktoren, unter anderem der Leistungsfähigkeit, gegebenenfalls dem Schweregrad vorliegender Erkrankungen sowie den ärztlichen Vorgaben. Um möglichst im Bereich des maximalen Schlagvolumens zu trainieren, ist es notwendig, die vorgegebenen Intensitäten während der Belastungsphasen einzuhalten.


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    Dies setzt bei den Trainierenden sowohl eine hohe Compliance gegenüber des Trainings als auch ein großes Maß an Volition bezüglich des Trainings respektive der Aufrechterhaltung entsprechender Trainingsintensitäten voraus.

    Diese Trainingsempfehlungen beziehen sich grundsätzlich auf Personen ohne gesundheitliche Einschränkungen. Nach ärztlicher Absprache können sie jedoch auch für Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen übernommen werden. Kontraindiziert ist diese Trainingsform unter anderem bei Angina pectoris, einem akuten Herzinfarkt (< 4 Wochen), Hypertonie Grad 3 (> 180/110 mmHg) oder verschiedenen Neuropathien (Weston, Wisløff & Coombes, 2014, S. 6).

    Auch eventuell vorliegende orthopädische Probleme sollten vorab mit dem behandelnden Arzt abgeklärt werden. So ist beispielsweise bei vorliegenden Gelenkersätzen oder akuten Wirbelsäulenproblematiken von Hochintensivem Intervalltraining abzuraten oder aber die Durchführung nur eingeschränkt möglich (z. B. Fahrradergometer).

    Zudem sollte eine engmaschige Betreuung durch Trainerinnen und Trainer erfolgen, die Qualifikationen und Berufserfahrung aus dem Bereich der Sport- und Bewegungstherapie sowie Eigenerfahrung im Umgang mit hochintensiven Trainingsformen nachweisen können. (Auch interessant: 'Dualer Bachelor-Studiengang Sport- und Bewegungstherapie')

    HIIT vs. MICT

    Verschiedene Studien verglichen die Effekte von HIIT mit denen eines MICT. Hinsichtlich der VO2max war das HIIT dem MICT bei Personen mit kardiologischen Krankheitsbildern ebenbürtig oder sogar überlegen. Interessanterweise zeigte sich zudem bei den meisten Studien, dass bei HIIT trotz der intensiveren Belastung kein erhöhtes Risiko für kardiale Ereignisse während des Trainings bestand.

    Auch bei der Reduktion verschiedener Risikofaktoren wie beispielsweise Adipositas, Bluthochdruck oder Cholesterin führten beide Trainingsformen zu vergleichbar signifikanten Ergebnissen (Mueller et al., 2021; Ramos, Dalleck, Tjonna, Beetham & Coombes, 2015; Su et al., 2019; Wang et al., 2022).


    Fazit

    HIIT stellt zur Prävention und Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen eine sinnvolle Alternative zum MICT dar. Verschiedene Aspekte wie eine ärztliche Freigabe, eine kompetente und engmaschige Betreuung durch einen qualifizierten Trainer sowie eine individuelle Trainingsgestaltung sollten zur sicheren Umsetzung unbedingt beachtet werden.


    Auszug aus der Literaturliste

    Buchheit, M. & Laursen, P. (2019). Physiological Targets of HIIT. In P. Laursen & M. Buchheit (Hrsg.), Science and application of high-intensity interval training (S. 33–50). Champaign, IL: Human Kinetics.

    Mueller, S., Winzer, E. B., Duvinage, A., Gevaert, A. B., Edelmann, F., Haller, B. et al. (2021). Effect of High-Intensity Interval Training, Moderate Continuous Training, or Guideline-Based Physical Activity Advice on Peak Oxygen Consumption in Patients With Heart Failure With Preserved Ejection Fraction: A Randomized Clinical Trial. JAMA, 325 (6), 542–551.

    Zinner, C. & Sperlich, B. (2019). Definition und Steuergrößen von (Hoch-)intensivem Intervalltraining in Bewegungstherapie & Gesundheitssport. B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport, 35 (02), 93–99.

    Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

    Diesen Artikel können Sie folgendermaßen zitieren:

    Mischo, T. (2023). HIIT bei kardiovaskulären Erkrankungen. medical fitness and healthcare, 2, 56–58.

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