Fitness, Gesundheit | Autor/in: Dr. Joshua Berger |

GK-EMS im Leistungssport

Die Ganzkörper-Elektromyostimulation kann im Leistungssport in unterschiedlichen Kontexten Anwendung finden und Athletinnen und Athleten durch die spezifische Therapie von Verletzungen und eine Verbesserung der allgemeinen muskulären und sportartspezifischen Leistungsfähigkeit deutliche Vorteile bringen.

Anwendung und Entwicklungspotenziale mit GK-EMS im Leistungssport

Im Leistungssport wird, losgelöst von der betriebenen Sportart, immer auf die Erreichung der individuellen Höchstleistung abgezielt (Röthig & Prohl, 2003).

Eine planmäßige und systematische Trainingssteuerung ist essenziell, da die adäquate Dosierung der Trainingsinhalte sowie deren zeitliche Abfolge (Periodisierung) maßgeblich den langfristigen Leistungsaufbau sowie die sportartspezifische Leistungsfähigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt (z. B. Wettkampf) beeinflussen.

Unabhängig von der sportartspezifischen Leistungsfähigkeit ist eine ausgeprägte und ausgeglichene muskuläre Leistungsfähigkeit unabdingbar, um die nötige Kraftentwicklung in der Zielbewegung zu ermöglichen und Verletzungen durch potenzielle Gegnereinflüsse oder schnelle Abstoppbewegungen entgegenzuwirken


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Da das Trainingsvolumen im Hochleistungssport in der betriebenen Sportart selbst allerdings schon einen immensen Zeitaufwand mit sich bringt, ist ein systematisches, individualisiertes Krafttraining oftmals schwierig in die Trainingsroutine zu integrieren (Berger, Ludwig, Becker, Kemmler & Fröhlich, 2020; Filipovic et al., 2016).

Ganzkörper-Elektromyostimulation (GK-EMS) kann aufgrund ihrer Individualisierbarkeit, der Zeiteffizienz sowie der hohen Intensität eine Möglichkeit darstellen, in den angegebenen Problembereichen Abhilfe zu schaffen.

Anwendung von GK-EMS

GK-EMS beschreibt eine simultane Applikation über mindestens sechs Impulskanäle mit einem trainingswirksamen Impuls, der Adaptationen, also Anpassungen des Organismus auslöst (Kemmler, Kleinöder & Fröhlich, 2020).


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Die Anwendung dieser Trainingsform erfolgt vorrangig im Freizeit- und Breitensport, wurde allerdings in der Vergangenheit auch vereinzelt im leistungssportlichen Kontext genutzt (Berger, 2023). Die Potenziale hierbei erstrecken sich auf die Therapie von Verletzungen, den Aufbau der allgemeinen muskulären Leistungsfähigkeit sowie die Verbesserung der sportartspezifischen Leistungsfähigkeit von Athletinnen und Athleten.

GK-EMS in der Therapie von Verletzungen

In Abhängigkeit der Spezifika des Verletzungsbildes bedarf es unterschiedlicher Therapiemaßnahmen, um eine bestmögliche Regeneration und eine schnellstmögliche Wiederkehr in den laufenden Trainings- und Wettkampfbetrieb zu ermöglichen, was allerdings je nach Verletzungsbild ein kompliziertes Unterfangen sein kann.

In einer vorangehenden Untersuchung von Ludwig, Fröhlich und Kelm (2022) wurde ein 14-jähriger Fußballer integriert, der an einer Bone-Bruise-Symptomatik (Verletzung des Knochens durch stumpfe Gewalteinwirkung) litt.

Die Problematik des Verletzungsbildes liegt in der Notwendigkeit der Kräftigung und des Erhalts der umgebenden Muskulatur, um die betroffenen Strukturen zu schützen. Gleichzeitig sollten ausgeprägte Rotations- und Extensionsbewegungen vermieden werden, um diese nicht potenziell weiter zu schädigen.


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Die reine Anwendung isometrischer Übungen ohne zusätzlichen externen Widerstand hätte einen verminderten Effekt, da diese aufgrund des Trainingsniveaus des Athleten keinen ausreichenden Trainingsreiz generieren würden.

Basierend auf dieser Problematik wurde eine sechswöchige GK-EMS-Intervention (zweimal pro Woche) durchgeführt, da durch die unwillkürliche Stimulation der Muskulatur ein hoher Trainingsreiz, auch in statischer Position, ermöglicht werden konnte.

Nach der Intervention wurden deutliche Verbesserungen der Schmerzsymptomatik beobachtet (beschwerdefreie Einnahme der endgradigen Rumpfextension), die Maximalkraft der Rumpfflexion sowie -extension verbesserte sich und es konnte ein verminderter Beckenwinkel gemessen werden, was sich positiv auf diverse Haltungsparameter auswirkt (Ludwig, Fröhlich & Kelm, 2022).

GK-EMS war in diesem Setting ein effektiver Therapieansatz für den Athleten und konnte das beschriebene, durchaus spezielle Verletzungsbild positiv beeinflussen.

In Absprache mit den behandelnden Ärzten könnte GK-EMS als medizinisch-therapeutische Maßnahme bei weiteren Verletzungsbildern, wie z. B. vorderen Kreuzbandrissen oder muskulären Verletzungen, eine effektive Komponente im Therapieplan für Athletinnen und Athleten darstellen (Labanca, Rocchi, Carta, Giannini & Macaluso, 2022; Labanca et al., 2022).

Leistungssteigerung durch EMS

Nicht nur in der Therapie und Prävention von Verletzungen, sondern auch im Aufbau der muskulären Leistungsfähigkeit kann GK-EMS eine essenzielle Rolle spielen, wovon bereits unterschiedliche Athletinnen und Athleten aus diversen Sportarten profitieren konnten.

Eine mehrwöchige GK-EMS-Intervention führte z. B. bei Rugbyspielern zu einer Steigerung des Einerwiederholungsmaximums bei der Kniebeuge (15,0 %) sowie einer Verbesserung der Sprunghöhe des Counter Movement Jumps (CMJ, +5,6 %) (Babault, Cometti, Bernardin, Pousson & Chatard, 2007).

Kraftsportlerinnen konnten ebenfalls von einer deutlichen Verbesserung der Knieflexion (+18,5 %) und -extension (+13,5 %) profitieren sowie die Sprunghöhe des CMJ um 5,6 Prozent verbessern (Dörmann et al., 2019).


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Auch bei jugendlichen Fußballern wurde nach einer zehnwöchigen GK-EMS-Intervention eine Steigerung der Rumpfflexion (33,72 ± 27,43 %), der Knieflexion (20,68 ± 21,55 %) sowie -extension (31,43 ± 37,02 %) beobachtet (Ludwig et al., 2020).

Diese positiven Entwicklungen unterschiedlicher Parameter konnten des Weiteren bei einem Radsportler (Berger et al., 2020), Läufern (Amaro-Gahete et al., 2018) sowie weiteren Athletinnen und Athleten festgestellt werden (Micke, Held, Lindenthal & Donath, 2022).

Betrachtet man die sportartspezifische Leistungsfähigkeit ist nicht nur die Verbesserung der muskulären Leistungsfähigkeit, sondern auch der Transfer der Zuwächse in die Zielbewegung essenziell.

Hierbei scheint die Art der Durchführung der GK-EMS eine entscheidende Rolle zu spielen, da die Integration der sportartspezifischen Zielbewegung in die Trainingsdurchführung eine direkte Übertragung der Leistungssteigerungen positiv bedingt.

Die Integration von Sprungbewegungen in ein GK-EMS-Training steigert z. B. die vertikale Sprunghöhe von Fußballern, was eine direkte Wirkung auf das Spielgeschehen bei Kopfballduellen haben kann und die Schussgeschwindigkeit positiv beeinflusst (Filipovic et al., 2019; Filipovic, Kleinöder, Dörmann & Mester, 2012).

Die Integration der sportartspezifischen Bewegungen in das durchgeführte Training wird auch als 'superimposed WB-EMS' bezeichnet und scheint, zumindest für einige Zielbewegungen im Leistungssport, die bestmögliche Übertragung der generierten Kraftsteigerungen zu ermöglichen (Stephan, Hagedorn, Wehmeier, Tomschi & Hilberg et al., 2022; Wahl et al., 2012).

Trainingsdurchführung

Wichtig für die Durchführung des Trainings sind die individuellen Voraussetzungen der Athletinnen und Athleten, deren Trainingsziele sowie die darauf aufbauenden gewählten Trainingsinhalte.

Ebenso sollte im leistungssportlichen Kontext eine adäquate Kontrolle der Regeneration z. B. durch Regenerationsfragebögen erfolgen, die Abfrage des Perceived RecoveryStatus kann des Weiteren zu einer individualisierten Trainingssteuerung beitragen (Williams, Tolusso, Fedewa & Esco, 2017).

Der Einbezug dieser Informationen ermöglicht eine tagesspezifische und individualisierte Anpassung der Trainingsinhalte und ist vor allem im Leistungssport essenziell. Der Zusammenhang der unterschiedlichen Einflussfaktoren an ein GK-EMS-Training wird im Vier-Faktoren-Modell der GK-EMS genauer dargestellt (Abb. 1).

Die Faktoren beeinflussen sich in der kompletten Trainingsplanung und -durchführung gegenseitig, weswegen sie individualisiert und situationsspezifisch angepasst werden müssen, um ein bestmögliches Training zu gewährleisten (Berger, 2022).

Die Durchführung des Trainings obliegt hierbei ausgebildeten EMS-Trainerinnen und -Trainern und sollte immer in Betreuung dieser erfolgen (Berger, Fröhlich & Kemmler, 2022).

Lesetipp: Wenn Sie mehr zur Planung und Umsetzung von GK-EMS-Training erfahren möchten, klicken Sie einfach hier.


Fazit

Eine umfangreiche Anwendung der GK-EMS im Leistungssport ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht gegeben. Die Potenziale sind allerdings sowohl in der Therapie als auch in Bezug auf die spezifische Leistungssteigerung deutlich zu erkennen.

Die Geräteanschaffung sowie personelle Anforderungen an die Trainierenden stellen jedoch eine potenzielle Hürde dar. Eine Kooperation eines Vereins oder der Individualathletinnen und -athleten selbst mit einem EMS-Betrieb könnte daher eine durchaus sinnvolle Lösung sein, um durch ein professionelles, individualisiertes Training sowohl die Leistungsfähigkeit zu verbessern als auch Verletzungen vorzubeugen sowie diese in der medizinisch-therapeutischen Anwendung zu behandeln.


Über den Autor

Dr. Joshua Berger arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent im Fachbereich Fitness/Individualtraining an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und als Referent an der BSA-Akademie. Seit 2017 ist er Mitglied im EMS-Fachkreis, der sich mit aktuellen Themen rund um EMS-Training sowie mit praktischen Leitlinien für den konventionellen Gebrauch befasst.

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Auszug aus der Literaturliste

Berger, J., Ludwig, O., Becker, S., Kemmler, W. & Fröhlich, M. (2020). Effects of an 8-Week Whole-Body Electromyostimulation Training on Cycling Performance, Back Pain, and Posture of a 17-Year-Old Road Cyclist. International Journal of Athletic Therapy and Training, 26 (2), 96–100.
Filipovic, A., Kleinöder, H., Dörmann, U. & Mester, J. (2012). Electromyostimulation — a systematic review of the effects of different electromyostimulation methods on selected strength parameters in trained and elite athletes. Journal of Strength & Conditioning Research, 26 (9), 2600–2614.
Micke, F., Held, S., Lindenthal, J. & Donath, L. (2022). Effects of electromyostimulation on performance parameters in sportive and trained athletes: A systematic review and network meta-analysis. European journal of sport science, 1–11

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

Diesen Artikel können Sie folgendermaßen zitieren:

Berger, J. (2023). GK-EMS im Leistungssport. fitness MANAGEMENT international, 4 (168), 100-102.

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