Fitness, Gesundheit | Autor/in: Barbara Nützel |

Ganzheitliche Trainings- und Therapiebetreuung: Das biopsychosoziale Modell

Die Vorteile eines biopsychosozialen Betreuungsansatzes sind für Trainer und Therapeuten von hoher Relevanz, um ein ganzheitliches Verständnis von Gesundheit zu vermitteln und nachhaltige Trainingserfolge zu erzielen.

Das biopsychosoziale Modell

Die Gesundheitsbranche ist im Wandel und mit diversen Herausforderungen konfrontiert. Ferner treten aufgrund der aktuellen Bevölkerungsentwicklung eine Überalterung und eine Zunahme von psychischen Erkrankungen auf, weswegen die Bedeutung von Prävention und Gesundheitsförderung immer mehr in den Vordergrund rückt (Badura, Ducki, Baumgardt, Meyer & Schröder, 2023). (Auch interessant: 'Selbstwirksamkeit stärken')

Aufgrund der heutigen digitalen Informationsmöglichkeiten sowie eines steigenden Bewusstseins und einer verbesserten Kompetenz zum Thema Gesundheit fühlen sich viele Menschen zunehmend befähigt und nehmen demzufolge ihre Gesundheit selbst in die Hand (Trendguide, 2021).


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Diese Veränderungen erfordern jedoch auch neue Wege zur Förderung der Gesundheit sowie eine individuelle und spezialisierte Beratung und Betreuung. Genau an dieser Stelle kann ein biopsychosozialer Betreuungsansatz im Trainingskontext integriert werden.

Der biopsychosoziale Betreuungsansatz

Das „biopsychosoziale Modell von Gesundheit und Krankheit“ geht von einem integrativen medizinischen Ansatz aus, der Krankheit nicht rein mechanistisch, sondern als Störung der Interaktion von körperlichen, psychischen und sozialen Faktoren versteht.

Es stellt einen ganzheitlichen Ansatz dar, der über die rein biologischen Ursachen von Krankheit und Gesundheit hinausgeht. Das biopsychosoziale Modell betrachtet Gesundheit und Krankheit als Ergebnis einer komplexen Wechselwirkung zwischen drei Hauptbereichen (Engel, 1977):

  • Biologische Aspekte: Dieser Bereich umfasst die organisch begründbaren Befunde, wie genetische Veranlagungen, physiologische Prozesse, Krankheiten und andere biologische Aspekte, die die Gesundheit beeinflussen, da diese genetischen Faktoren das Risiko für bestimmte Krankheiten erhöhen können.
  • Psychologische Dimensionen: Hierbei handelt es sich um mentale, emotionale und kognitive Aspekte, die die Gesundheit beeinflussen können, kurzum das Denken, Fühlen und Handeln. Stress, emotionale Belastungen, Bewältigungsmechanismen und die psychische Gesundheit spielen eine entscheidende Rolle.
  • Soziale Faktoren: Soziale Determinanten wie sozioökonomischer Status, familiäres Umfeld, soziale Unterstützung, Bildung und kulturelle Aspekte beeinflussen die Gesundheit und das Wohlbefinden. Eine geschwächte oder benachteiligte soziale Situation kann ein höheres Gesundheitsrisiko mit sich bringen.

Bedeutung für den Trainings- und Therapiebereich

Für Gesundheitseinrichtungen eröffnen sich neue Potenziale auf dem Gesundheitsmarkt entsprechend der anfangs beschriebenen Herausforderungen, Probleme und Entwicklungen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Fokus nicht mehr ausschließlich auf sportlicher Aktivität liegt, sondern ein ganzheitliches, an das biopsychosoziale Modell angelehntes Konzept unter Berücksichtigung verschiedenster Angebote im Vordergrund steht.

Dies beginnt mit der Erkenntnis, dass Gesundheitsprobleme oftmals nicht auf eine einzige Ursache, sondern auf eine komplexe Interaktion der drei Hauptbereiche (biologisch, psychologisch und sozial) zurückzuführen sind. (Auch lesenswert: 'Ganzheitliche Angebote')

Der biopsychosoziale Ansatz zielt darauf ab, all diese Faktoren zu berücksichtigen und in den Trainings- bzw. Therapieplan zu implementieren, um eine umfassendere und nachhaltigere Verbesserung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu erreichen sowie den Trainings- und Therapieerfolg zu unterstützen (Giertz, Große & Röh, 2022, S.63).

Dabei ist es sinnvoll, dass die Inhalte nicht nur theoretisch unter Berücksichtigung der neuesten Forschungsergebnisse und deren Relevanz für die Umsetzung im Training vermittelt werden, sondern auch den Bezug zur Praxis im Alltag herstellen.

Aus diesem Grund ist es unabdingbar, auch mit mehrjähriger Erfahrung als Trainerin oder Trainer einen stetigen, berufsbegleitenden Weiterbildungsprozess einzugehen, um den wechselnden Ansprüchen unterschiedlicher Kundinnen und Kunden generationenübergreifend gerecht werden zu können (Deloitte, 2023), mit der entsprechenden fachlichen Expertise qualifiziert aufzutreten und sich von der Konkurrenz abzuheben (Taimer, 2021).

Integration im Kontext Training und Therapie

Die Integration des ganzheitlichen Betreuungsansatzes und das Bewusstsein für seine Vorteile bietet den Trainern die Möglichkeit, an allen drei Hauptbereichen (biologisch, psychologisch und sozial) anzusetzen.

Zu Beginn ist ein umfassender sporttherapeutischer Eingangscheck mit der Ermittlung aller biologischen Faktoren unumgänglich. Dieser umfasst die physischen Aspekte des Trainings, wie Fitnesslevel, körperliche Gesundheit, Ernährung und genetische Veranlagungen, um eventuell vorhandene Risikofaktoren oder Vorerkrankungen zu erkennen und den Status quo zu erfassen.


Über die Autorin

Barbara Nützel, M. A. Gesundheitsmanagement, ist als Dozentin, Tutorin und Autorin an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und der BSA-Akademie im Fachbereich Psychologie und Gesundheitsförderung tätig. Zusätzlich verfügt sie über langjährige Erfahrung im Projektmanagement sowie als Yoga-, Pilates- und Personal Trainerin.


Die biologischen Faktoren spielen eine entscheidende Rolle bei der Leistungsfähigkeit im und der Anpassungsfähigkeit des Körpers an das Training.

Im Bereich der psychologischen Faktoren sollten sich Trainer und Therapeuten mit den Patienten zusammensetzen, um sich über die mentale Einstellung bzw. mentale Voraussetzung, wie z. B. die Motivation, die Selbstwirksamkeitserwartung, die Stressbelastung und die Bewältigung von Herausforderungen abzustimmen. (Auch interessant: 'Therapie und Training')

Nach der Erhebung der biologischen und psychologischen Bereiche ist ein Austausch über die sozialen Aspekte für einen individuellen Trainings- und Therapieplan von erheblicher Bedeutung. Hierbei spielen die soziale Unterstützung von Freunden und Familie sowie die sozialen Normen in Bezug auf Gesundheit und Wohlbefinden und der aktuelle Lebensstil eine bedeutende Rolle.

Der Wissenszuwachs über das Zusammenspiel von körperlichen, mentalen und sozialen Prozessen kann dann auch die Stärkung der Selbstwirksamkeit und den Aufbau von Resilienz unterstützen (Egle, Heim, Strauß & von Känel, 2020).

Auf Basis der Ergebnisse der ganzheitlichen Bewertung können Trainer und Therapeuten das Training an die individuellen Bedürfnisse und Ziele ihrer Kunden anpassen (Munz & Thiel, 2018, S. 191). Ein individuelles und auf den Patienten abgestimmtes Programm kann demzufolge auch Techniken und Strategien zur Stressbewältigung, wie unterschiedliche Entspannungsmethoden, gezielte Atemtechniken und formelle bzw. informelle Achtsamkeitsübungen beinhalten.


Lesetipp: 'Ganzheitliche Betreuung im medizinischen Fitnesstraining'


Darüber hinaus kann der Patient dazu ermutigt werden, die soziale Unterstützung in Anspruch zu nehmen und die Trainingsziele mit Familie und Freunden zu teilen. Im besten Fall können diese das Training begleiten, um die Motivation und das Durchhaltevermögen zu steigern.

Die Bereitschaft seitens der Trainer und Therapeuten hinsichtlich einer offenen und unterstützenden Kommunikation in allen Bereichen des biopsychosozialen Ansatzes ist zum einen wertvoll, um das Vertrauen zwischen Trainer und Trainierenden zu schaffen, und zum anderen notwendig, um im Laufe der Zeit Veränderungen der individuellen Bedürfnisse rechtzeitig zu erkennen und entsprechend Anpassungen vornehmen zu können.

Trainer und Therapeuten sollten sich dieser Aufgabe bewusst sein und sich über aktuelle Entwicklungen in den Bereichen Psychologie, Sport- und Bewegungstherapie sowie Ernährung auf dem Laufenden halten. Wichtig für eine adäquate Positionierung in einem von Konkurrenz belebten ständig wachsenden Gesundheitsmarkt ist eine kontinuierliche Evaluation und Qualitätssicherung des gesamten Angebotes inklusive der Zusatzleistungen. Interne Schulungen und mögliche Kooperationen mit Psychologen, Ernährungsberatern und Sportärzten können zu einer exklusiven Positionierung beitragen und somit die Position am Markt stärken.


Fazit

Der gesellschaftliche Wandel in Verbindung mit seinen Herausforderungen, wie der zunehmenden Digitalisierung und Überalterung sowie dem Anstieg psychischer Erkrankungen, macht auch vor der Gesundheitsbranche nicht halt. Wer die Chance in diesem Transformationsprozess nutzt, profitiert auf mehreren Ebenen. Demzufolge gilt es für Gesundheitseinrichtungen, neue Nutzungspotenziale zu eruieren. Das biopsychosoziale Modell mit seinem ganzheitlichen Betreuungsansatz bietet hierbei wichtige Umsetzungsmöglichkeiten, um zielgerichteter auf die Bedürfnisse der Mitglieder, Patienten und Klienten einzugehen und eine gesunde Balance zwischen Geist und Körper zu entwickeln.


Auszug aus der Literaturliste

Badura, B., Ducki, A., Baumgardt, J., Meyer, M. & Schröder, H. (2023). Fehlzeiten-Report 2023. Zeitenwende – Arbeit gesund gestalten. Berlin: Springer.

Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. (Hrsg.). (2023). Der deutsche Fitnessmarkt. Studie 2023. München: Hrsg.

Egle, U. T., Heim, C., Strauß, B. & von Känel, R. (2020). Das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell – revisited. In U. T. Egle, C. Heim, B. Strauß, & R. von Känel (Hrsg.), Psychosomatik: Neurobiologisch fundiert und evidenzbasiert (S. 39–48). Stuttgart: Kohlhammer.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

Diesen Artikel können Sie folgendermaßen zitieren:

Nützel, B. (2023). Das biopsychosoziale Modell. medical fitness and healthcare, 2, 60-62

Diesen und weitere Artikel finden Sie in der mfhc 02/2023 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.

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