Fitness | Autor/in: Jürgen Wolff |

'Muskeln, Kraft und Trainingsform – Der beste Weg zum Maximum' Teil 1: Joshua Wichtrup

Wie muss ich trainieren, um meine maximale Leistung zu erreichen? Wir haben drei der stärksten und fittesten Männer der Welt in der Reihe 'Muskeln, Kraft und Trainingsform – Der beste Weg zum Maximum' genau diese Frage gestellt. In Teil 1 verrät Joshua Wichtrup, einer der erfolgreichsten CrossFitter Deutschlands, wie er trainiert.

CrossFit Portrait: Joshua Wichtrup, der fitteste Deutsche

Functional Fitness und leistungsorientierte Fitness haben in den vergangenen Jahren eine Fangemeinde entwickelt, die stetig wächst. Die Popularität von CrossFit mit seinen Wettkämpfen, die steigende Zahl von Fitness-Competitions und auch die steigende mediale Aufmerksamkeit von Strongman-Wettbewerben sind Merkmale dieser Entwicklung.

Gibt es ein Patentrezept für ein Training, das zur optimalen Leistungsfähigkeit führt?

Müssen die Muskeln und das Herz-Kreislauf-System im Training vollständig ausbelastet werden, um die Leistung maximal zu steigern und auch im Wettkampf die beste Leistung zu bringen?

Für die Antworten auf diese Fragen haben wir drei absolute Experten befragt, die ihr Training darauf ausrichten, in Wettkämpfen maximale Leistung zu bringen: Die beiden Legenden des Strongman-Sports, Magnús Ver Magnússon (Island) und Žydrūnas Savickas (Litauen), waren beide vier Mal 'World’s Strongest Man'. Joshua Wichtrup ist einer der erfolgreichsten CrossFitter Deutschlands und konnte sich 2019 als erster Deutscher für die CrossFit Games qualifizieren.

So trainieren die stärksten und fittesten Männer der Welt!

fM: Herr Wichtrup, Sie gelten als einer der besten CrossFitter Deutschlands und haben diesen Status bei den CrossFit Games 2019 in den USA als bester Deutscher und viertbester Europäer eindrucksvoll untermauert. Was bedeutet dieses Ergebnis für Sie?

Joshua Wichtrup: Als ich mit CrossFit angefangen habe, war eine Teilnahme noch utopisch. Über die Jahre habe ich mich dann bei internationalen Wettkämpfen ganz gut geschlagen und auch für die Europameisterschaften qualifiziert, sodass das Ziel 'CrossFit Games' immer näher kam.

Mein Gedanke war immer: Wenn ich bei den Games bin, dann kann ich zeigen, was ich drauf habe, weil dort die gesamte Fitness 'abgefragt' wird.

Als ich dann 2019 die Qualifikation geschafft hatte, war meine innere Zufriedenheit schon sehr groß. Die Games waren immer das oberste Ziel. Darauf hatte ich hingearbeitet. Einmal in meiner CrossFit-Karriere wollte ich bei den Games dabei sein, wollte wissen, wie sich das anfühlt.

Und die Frage, ob sich der Aufwand über all die Jahre gelohnt hat, kann ich zu 100 Prozent mit 'Ja' beantworten. Die harte Arbeit über all die Jahre, die Zeit und die Energie, die ich investiert habe, wurden mit der guten Platzierung belohnt. Das ist eine Erfahrung, die mich sicher nachhaltig prägen wird.

fM: Sie sind auch von Beginn an bei HYROX als National Ambassador an den Start gegangen und haben mehrere Wettkämpfe gewonnen – sowohl als Einzelstarter als auch im Doppel. Welche Pläne haben Sie für 2020?

Joshua Wichtrup: 2018 habe ich viele HYROX-Wettkämpfe mitgemacht, weil es zeitlich super gepasst hat und für mich auch eine perfekte Vorbereitung auf die Games war. Es war super für mich, die Events mit meinem Training für die Grundlagenausdauer zu kombinieren und es hat mir auch einfach Spaß gemacht.

Ich finde an HYROX gut, dass man sich darauf vorbereiten kann – anders als beim CrossFit, bei dem man nie weiß, was drankommt. Außerdem liegt mir die Kombination aus Übungen und Laufen. Das HYROX-Team konnte mich dementsprechend schnell dafür begeistern.

Bei uns in der Box bieten wir das HYROX-Training als Kurs an, der auch sehr gut ankommt, weil das Training und auch die Wettkämpfe wirklich für jeden geeignet sind. In diesem Jahr werde ich sicher an ein paar Events teilnehmen, auf jeden Fall in Hamburg.

fM: In welchen Bereichen liegen Ihre sportlichen Wurzeln? Wie kam es, dass Sie CrossFit-Athlet geworden sind?

Joshua Wichtrup: CrossFit trainiere ich seit sieben Jahren. Davor habe ich in der Jugend leistungsorientiert Handball gespielt. Von daher kannte ich schon viele funktionelle Übungen aus dem Athletiktraining und war motorisch sowie koordinativ auf einem sehr guten Niveau, was mir beim CrossFit von Anfang an geholfen hat, weil man als CrossFitter oder auch als HYROX-Athlet sehr vielseitig sein muss.

Vor sieben Jahre hatte ich meine Ausbildung als Sport- und Fitnesskaufmann beendet und mich entschieden, nicht in dem Studio zu bleiben, sondern mit einem Partner etwas Eigenes 'auf die Beine zu stellen'.

Einen Monat nach meiner Ausbildung – die Planung hatte natürlich früher begonnen – haben wir dann in Flensburg unsere CrossFit-Box eröffnet.

Diese Kombination aus dem Vermitteln von komplexen, technisch anspruchsvollen Bewegungsabläufen und Übungen beim CrossFit und den kaufmännischen Aufgaben als Inhaber eines Unternehmens hat mir von Anfang an so gut gefallen, dass ich den Job mit extrem viel Herzblut gemacht habe.

Das hat dazu geführt, dass wir heute eine sehr große Community sind, dass wir in Flensburg eine sehr schöne Box, ein unglaublich gut funktionierendes, motiviertes Trainerteam und wirklich tolle Mitglieder haben. Ich habe morgens nicht das Gefühl, dass ich zur Arbeit gehe, eher, dass ich meinem Hobby nachgehe. Besser kann es nicht sein.

fM: Wie häufig und in welchen Umfängen trainieren Sie?

Joshua Wichtrup: Grundsätzlich trainiere ich jede Woche an fünf Tagen zwei Mal – eine Einheit am Vormittag, eine am Nachmittag. Zusätzlich mache ich verschiedene ergänzende Einheiten, wie etwa Mobilitätstraining.

An einem Tag trainiere ich nur ein Mal und an einem Tag mache ich Pause: Sonntag ist mein 'Family Day'!

Mein Training geht dabei über das Pensum eines Workout of the Day hinaus. Ich kombiniere oft mehrere Trainingselemente miteinander: mal mehr Gewichtheben, mal mehr Turnen, mal mehr Ausdauer. Eine Trainingseinheit dauert je nach Intensität zwischen 1 und 2,5 Stunden.

fM: Beinhaltet Ihr Training ausschließlich funktionale und CrossFit-bezogene Belastungsformen oder trainieren Sie auch Einheiten an klassischen Fitnessgeräten?

Joshua Wichtrup: An Fitnessgeräten trainiere ich eigentlich gar nicht. Die klassischen Übungen aus dem Kraftdreikampf trainiere ich regelmäßig nach separaten Kraftplänen, weil diese Elemente auch bei Wettkämpfen immer gefordert werden.

Beim CrossFit ist die Herausforderung, den Spagat zwischen Kraft, Ausdauer und Geschicklichkeit möglichst effektiv zu schaffen. Es ist schwer, stärker zu werden, dabei die Ausdauer beizubehalten und gleichzeitig auch technisch auf Top-Niveau zu bleiben. Diese Balance muss ich immer berücksichtigen.

Ich denke aber, ich bin auf einem ganz guten Weg. Für mich macht das aber das CrossFit-Training aus: Es wird nie langweilig. Es gibt immer eine Übung, die du noch nicht oder noch nicht so gut kannst und noch viel effizienter machen könntest.

fM: Welche Rolle spielt der kompetitive Charakter von CrossFit für Sie?

Joshua Wichtrup: In dem Moment, in dem ich allein trainiere, ist die Uhr mein Gegner. Dann setze ich mir ein motivierendes Ziel, etwa fünf Durchgänge à zwei Minuten, also muss ich in zehn Minuten durch sein.

Anders ist es, wenn ich in der Gruppe trainiere oder natürlich bei Wettkämpfen. Da zählt die Zeit überhaupt nicht, solange ich schneller oder stärker bin als mein Gegner.

Ich mag den Wettbewerb und ich bin auch ein Wettkampf-Typ. Es gibt ja Athleten, die im Training enorme Leistungen bringen, diese aber im Wettkampf nicht voll abrufen können. Bei mir ist das genau andersherum.

Im Training bin ich immer in einem Bereich zwischen 80 und 90 Prozent. Das hat den Vorteil, dass ich kaum verletzt bin. Im Wettkampf bin ich aber immer bei 120 Prozent.

Die Regeln und der Zeitdruck im Wettkampf sind für alle gleich und fordern maximale Intensität. Da kann man nicht den besten von 20 Versuchen auf Instagram stellen und sich feiern lassen, sondern muss auf den Punkt Leistung bringen.

fM: Inwieweit richten Sie Ihr Training auf Saisonhöhepunkte wie die CrossFit Games aus?

Joshua Wichtrup: Im vergangenen Jahr lag mein Fokus schon zu 100 Prozent auf den Games – zuerst auf der Qualifikation, dann auf der Vorbereitung. Ich habe dabei von ganz vielen Seiten wertvolle Unterstützung bekommen, hatte aber nebenbei kaum Zeit für andere Projekte.

Ich bin zwar professioneller CrossFit-Athlet, muss mich aber auch um meine Firma und vor allem um meine Familie kümmern.

Deshalb bin ich in diesem Jahr als Mitglied des Teams 'The PROGRM' bei einigen Wettkämpfen angetreten. Das Training für Teams ist etwas anders, weil man insbesondere als Team gut agieren muss.

Das Trainingsvolumen ist etwas geringer, die Intensität dafür etwas höher – vor allem im Wettkampf, weil kein Mitglied das Team hängen lassen will und immer noch ein paar Prozent 'draufpackt'. Durch das etwas kleinere Trainingsvolumen habe ich aber entschieden mehr Zeit.

Mit 'The PROGRM' haben wir am 16. Februar 2020 die Norwegian CrossFit® Championship gewonnen und sind damit direkt für die Games qualifiziert, die vom 29. Juli bis zum 2. August 2020 wieder in Madison im US-Bundesstaat Wisconsin stattfinden werden. Ich freue mich riesig, in diesem Jahr mit dem Team dabei zu sein – das wird wieder eine neue Herausforderung.

fM: Welche Tipps würden Sie Existenzgründern mit auf den Weg geben, die eine eigene Box eröffnen möchten?

Joshua Wichtrup: Sie sollten sich nicht zu schade sein, sich Hilfe zu holen. Die Selbstständigkeit erfordert unglaublich viel Wissen und Erfahrung, die man als Existenzgründer einfach nicht hat. Steuern, Finanzen und Mitarbeiter – das sind nur drei Bereiche, in denen man viele unnötige Fehler vermeiden kann, wenn man sich von Profis helfen lässt.

Auf der anderen Seite sollten sie so viel wie möglich selbst machen und so viel Erfahrung sammeln wie möglich. Du kannst nur etwas vermitteln, wenn du es selbst schon einmal gemacht hast und Erfahrungen gemacht hast.

Das finde ich sehr wichtig, gerade am Anfang der Selbstständigkeit, wenn die finanziellen Mittel noch nicht da sind.

fM: Vielen Dank für das Interview!

„Man muss auf den Punkt Leistung bringen!“

Joshua Wichtrup (27) ist einer der erfolgreichsten CrossFit-Athleten Deutschlands: 18th Fittest on Earth 2019 (mit Rang 18 bester Deutscher bei den CrossFit Games 2019) und 'the fittest in Germany' 2015, 2018 und 2019.

Nach seiner Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann entschloss sich der ehemalige Handballer im Sommer 2013 gemeinsam mit seinem Partner Finn Schulz eine eigene Box zu gründen – CrossFit Flensburg.

Joshua Wichtrup war 2018 National Ambassador für HYROX, hat mehrere HYROX-Events gewonnen und hält mit Partner Bo Kruse den Weltrekord bei den HYROX DOUBLES.

Serie 'Muskeln, Kraft und Trainingsform'

Die anderen beiden Serienartikel der dreiteiligen Reihe 'Muskeln, Kraft und Trainingsform – Der beste Weg zum Maximum' können Sie hier noch einmal lesen:

Teil 2 über den litauischen Strongman Žydrūnas Savickas: 'Stark, stärker, Big Z'.
Teil 3 über den isländischen Strongman Magnús Ver Magnússon: 'Seid smart beim Training!'

Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 02/2020 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.

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