Digital, Fitness, Gesundheit | Autor/in: Jürgen Wolff |

Stefan Lang: „Valide Ergebnisse aus der Praxis stoppen Vergleiche mit Gartenarbeit“

Die Corona-Krise hat den digitalen Wandel in der Fitnessbranche massiv beschleunigt. Um den Kontakt zu den Mitgliedern auf sportlicher und emotionaler Ebene zu halten sowie perfekte Trainingsfortschritte zu erzielen und zu dokumentieren, ist die digitale Transformation von immenser Bedeutung. Stefan Lang, Betreiber des STEP Sports & SPA in Stuttgart Vaihingen, spricht im Interview mit fM darüber, wie er mit der dynamischen Entwicklung umgeht und welche Perspektiven sie für sein Unternehmen bietet.

Welche Lösungen haben Fitnessanbieter schon entwickelt? Stefan Lang vom Step Sports im Interview.

HINWEIS: Dieses Interview ist Teil unserer Titelreihe zum Thema 'Digitaler Wandel' in der Fitness- und Gesundheitsbranche aus der fitness MANAGEMENT international Ausgabe 03/2021 – zwei weitere Interviews und einen einleitenden Übersichtsartikel können Sie hier lesen.


fM: Welchen Stellenwert räumen Sie als Unternehmer der Digitalen Transformation in Ihrem Betrieb ein?

Stefan Lang: Wie alle Branchen kann sich auch die Fitness- und Gesundheitsbranche einer gewissen Disruption nicht entziehen. Auch wenn unser Produkt in den Clubs primär „analog“ ist, werden sich Abläufe und Prozesse durch die Digitalisierung verändern müssen. Entsprechend verändern sich auch die Aufgaben, Positionen und Gewichtungen im Unternehmen.

Haben die Auswirkungen der Corona-Pandemie diesen Stellenwert verändert? Wenn ja, inwiefern?

Die Corona-Pandemie hat bei uns eher wie ein Katalysator gewirkt – Projekte, die sowieso geplant waren, haben wir beschleunigt. Dies lag zum einen daran, dass wir mehr Zeit hatten, zum anderen haben Firmen, die uns monatelang warten ließen, plötzlich innerhalb von vier Wochen die Dinge lösen können.

Inwieweit ist Ihrer Einschätzung nach die Digitalisierung Ihres Unternehmens vollzogen und wie groß ist der Teil, den Sie noch vor sich sehen?

Ich würde sagen, wir sind mit den aktuell verfügbaren Systemen in unserer Branche schon am Limit des Machbaren. Zwar sehe ich uns noch lange nicht am Ende, aber dazu müssten erstmal die Softwareanbieter nachziehen.


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Wie sind Sie bei der Planung der Digitalisierung Ihres Unternehmens vorgegangen?

Im ersten Schritt habe ich mir überlegt, wo der Schuh drückt und ob das Thema mit Digitalisierung besser abgebildet werden könnte. Parallel haben wir eine Vision vom „STEP Sports der Zukunft“ geschaffen.

Anschließend habe ich überprüft, was die Systeme, mit denen ich aktuell schon arbeite, im Augenblick abbilden können und was sie in der Timeline haben.

Dann wurden die Prozesse überdacht und auf die Möglichkeiten im digitalen Prozess adaptiert, getestet und entweder übernommen oder verworfen. Es gab durchaus auch Stellen, wo wir nach einer digitalen Testphase wieder zurück zu Stift und Papier sind. Die Checkliste für den Servicebereich hat z. B. digital einfach nicht funktioniert.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten „Knackpunkte“ und Fallstricke, wenn es um die Digitale Transformation der Studios geht? 

Dazu gibt es ein Zitat, das mit einem Satz den größten 'Knackpunkt' auf den Punkt bringt: „Wenn Sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben Sie einen scheiß digitalen Prozess“.

Sprich, einfach die bestehenden Prozesse zu digitalisieren, erspart zwar Papierkram, aber macht die Arbeit keinesfalls effizienter. Man muss jeden Prozess neu überdenken und entscheiden, ob es passt, diesen überhaupt zu digitalisieren.

Nach welchen Kriterien haben Sie bei der digitalen Weiterentwicklung Ihr Budget, die Reihenfolge der und den zeitlichen Rahmen für die einzelnen Unternehmensbereiche aufgestellt? In welchen Bereichen lagen Ihre Prioritäten und warum?

Priorität haben der Mehrwert für unsere Mitglieder und die Vorteile für unsere Mitarbeiter.

Wir haben geschaut, was technisch möglich ist und dann geprüft, ob die Digitalisierung unsere Prozesse vereinfacht oder verbessert. Unsere Zugangskontrolle und die Spinde waren schon immer elektronisch gesteuert und seit Ende 2019 haben wir in unserem Club kein Bargeld mehr.

Seit einiger Zeit arbeiten wir daran, den kompletten Betreuungsprozess digital abzubilden. Ziel dabei ist, dass auch unerfahrene Trainer oder Studierende die Betreuung ohne große Qualitätsunterschiede übernehmen können, weil sie digital geführt werden und auf die entsprechenden Daten zugreifen können.

Wenn wir den gesamten Trainingsbereich von der Anamnese über die Cardiogeräte, die elektronischen Zirkel bis hin zu den Steckgewichten und auch das freie Training vernetzt haben, dann können wir nachweisen, dass wir Erfolge produzieren – und zwar subjektiv und auch objektiv.


 


Inwieweit spielen Ihre Mitarbeiter und deren Know-how eine Rolle bei der Planung und Umsetzung der Digitalen Transformation?

Die meisten meiner Mitarbeiter sind Digital Natives und dementsprechend fit in der Anwendung und Bedienung der digitalen Tools.

Wenn es aber darum geht, neue Strukturen und Prozesse zu entwickeln und diese dann digital abzubilden, ist fundiertes IT-Know-how gefragt. Das ist ein ganz anderes Niveau.

Deshalb habe ich mich entschieden, selbst noch einmal zu studieren. Ich habe mich bei der DHfPG für den dualen Studiengang B. Sc. Sport-/Gesundheitsinformatik angemeldet. Je mehr Wissen ich habe, desto effektiver kann ich mit den Geräte- und Softwareherstellern besprechen, was ich brauche.

Wie haben Sie Ihre Mitarbeiter in den Transformationsprozess miteinbezogen?

Die Bereichsleiter waren an der Planung der Prozesse beteiligt, da sie die Stärken und Schwächen ihrer Bereiche im Detail kennen. Anschließend war das Feedback beim 'Quasi-Beta-Test' sehr wichtig, um zu sehen, ob das Ganze auch in der Praxis sinnvoll ist.

Inwiefern hilft der digitale Wandel Ihnen dabei, Prozesse und Arbeitsabläufe im Studio weiter zu optimieren und Ihren Kunden noch bessere Trainingserlebnisse zu ermöglichen?

Abläufe und Prozesse werden effizienter und transparenter. Dazu habe ich mit Spinden, Bargeld, etc. schon Beispiele genannt, die mir viele Stunden sinnloser Tätigkeiten ersparen.

'Noch bessere Trainingserlebnisse der Kunden' ist ein weit gefasstes Thema, das für verschiedene Kunden individuell definiert werden muss. Der eine möchte mehr Gamification, das geht mit einer erweiterten Digitalisierung hervorragend. Ebenso ist das einfache Tracken des Trainings und teilweise auch der Fortschritte möglich.

Andere Kunden wollen keine Digitalisierung – entweder sind sie schon älter oder sie haben den ganzen Tag damit zu tun und wollen beim Sport ihre Ruhe davor haben. Trotzdem ist für diese Kunden Digitalisierung wichtig – allerdings eher für die Prozesse der Betreuung im Hintergrund, von denen die Kunden nichts mitbekommen, sondern sie dann in einer besseren Ansprache und Betreuungsqualität wahrnehmen.

Wie profitieren Sie, Ihre Mitarbeiter und Kunden von den Digitalisierungsmaßnahmen im Unternehmen? Welche Veränderungen haben sich in der Zusammenarbeit und in der Betreuung der Kunden entwickelt?

Wir profitieren von einer effizienteren Möglichkeit zu arbeiten – und das von überall. Langwierige Prozesse wurden auf ein paar Klicks heruntergebrochen und wir haben wieder mehr Zeit für das Wesentliche – die Kunden.

Die Betreuungsqualität wird sich nach dem Lockdown nochmals deutlich verbessern, da wir sämtliche Betreuungsprozesse so digital hinterlegt haben, dass jeder auf höchstem Niveau betreut werden kann. 

Welche digitalen Projekte stehen aktuell bzw. in den nächsten Monaten bei Ihnen an?

Ich habe in Zusammarbeit mit verschiedenen Branchenexperten ein neues Betreuungskonzept gelauncht. Um es in der Praxis optimal umzusetzen, ist die Digitalisierung ein wichtiges Element. Die digitalen Abläufe des Konzeptes funktionieren sehr zuverlässig.

Das Ziel unseres Konzeptes ist es, den Kunden nicht nur ein bestmögliches Trainingserlebnis zu bieten, sondern auch messbare Erfolge nachzuweisen und diese valide zu dokumentieren. Vielleicht schaffen wir es dann irgendwann, dass wir nicht mehr mit Gartenarbeit gleichgesetzt werden, wenn wir Ergebnisse aus der Praxis vorweisen können.

Aktuell ist die Herausforderung, dass die Trainer mit möglichst wenigen Fehlerquellen, alle relevanten Daten dokumentieren und wir die Ergebnisse ohne viel Aufwand in Echtzeit ablesen und präsentieren können.

Inwiefern wird die Digitalisierung die Fitness- und Gesundheitsbranche aus Ihrer Sicht weiter verändern und wie bereiten Sie sich darauf vor?

Generell wird die Digitalisierung viele Tätigkeiten einfacher oder sogar überflüssig machen. Die papierlose Online-Buchhaltung hilft mir z. B. enorm, Zeit zu sparen, und auch beim Steuerberater fallen weniger Stunden an.

Viele Veränderungen sehen wir heute noch nicht. Ich gehe davon aus, dass Fitness überall per App verfügbar sein wird. Die Voraussetzungen für eine Premiumbetreuung im Studio werden aber immer besser. Die digitalen Tools helfen uns, dass diejenigen zuerst unsere Aufmerksamkeit bekommen, die sie am meisten brauchen.


 

Unser Interviewpartner

Stefan Lang ist Inhaber und Geschäftsführer des STEP Sports & Spa und begann während seiner Schulzeit in der Fitnessbranche zu arbeiten, zunächst als Trainer und Servicekraft. Nach einem Studium der Versorgungs- und Umwelttechnik absolvierte er die Ausbildung zum Fitnessfachwirt IHK, mehrere ergänzende Ausbildungen, u. a. zum Heilpraktiker, sowie ein Studium zum B. A. Fitnessökonomie und arbeitete mehrere Jahre als Bereichs- und später als Clubleiter. Seit 2013 betreibt er das STEP Sports & Spa in Stuttgart-Vaihingen, das Ende 2015 als erster Club nach der DIN 33961 zertifiziert wurde. Stefan Lang ist für verschiedene Clubs und Firmen im Bereich BGM auch als freiberuflicher Berater tätig.

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