Fitness, Gesundheit | Autor/in: Florian Schmidt |

So verändert COVID-19 unseren Alltag: Erste Ergebnisauszüge der 2. Erhebungswelle

Bis zu 50 Prozent unseres alltäglichen Handelns basiert auf Gewohnheiten. Sie haben für uns eine stabilisierende Funktion, indem wir sie ritualisierend ausüben. Gleichermaßen geben sie uns Struktur und damit Sicherheit und werden als hilfreich und gesund wahrgenommen. Aber was passiert, wenn wir, wie jetzt, in der Gewohnheitsfalle stecken und viele lieb gewonnene Routinen, wie etwa regelmäßiges Fitnesstraining im Studio, nicht oder nur eingeschränkt möglich sind? Die aktualisierte fM Infografik liefert dazu neue Ergebnisse von Prof. Dr. Oliver Schumann (DHfPG).

fM Infografik: Update zur Gewohnheitsstudie von Prof. Dr. Oliver Schumann

Gewohnheiten sind aus der Sicht des Experten spannende, ambivalente Konstrukte, die es zu untersuchen gilt: Sie gelten als die größten Verhinderer von (Weiter-)Entwicklung, sowohl von Menschen, Unternehmen sowie ganzen Gesellschaften.

Gleichzeitig stellen sie die Grundlage für Planungssicherheit, Leistungsfähigkeit und Excellence dar. Gewohnheiten agieren oftmals unbewusst und unbemerkt – jetzt werden sie sichtbar, weil sie eingeschränkt werden.


 


Wie wirkt sich die Pandemie auf unsere Gewohnheiten aus?

Prof. Dr. Oliver Schumann (DHfPG) ist dieser spannenden Frage in einer explorativen Online-Befragung auf den Grund gegangen und hat dazu das Netzwerk seines Consulting- und Coaching-Unternehmens Schumann ACC im Schneeballsystem in zwei zeitlich versetzten Erhebungswellen befragt.

Spagat zwischen Einschränkungen und Bewegungsdrang

Trotz erster Lockerungen stellt uns COVID-19 nach wie vor große Herausforderungen: Die Einschränkungen sind in vielerlei Hinsicht spürbar und der Verzicht schwer. Die ersten explorativen Analysen des Sportökonomen und Sportpsychologen zeigen, dass es den Befragten leichter fällt, auf Spontanes und Überflüssiges (z. B. unnötiges Shoppen und spontanes Bummeln) zu verzichten, wohingegen gerade der Verzicht von fitnessnahen Gewohnheiten oder dem Training vielen Befragten schwerfällt

Laut den Ergebnissen der ersten Ergebungswelle (Stand: 4. April 2020) wie auch der zweiten Ergebungswelle (Stand: 3. Mai 2020) verfestigt sich der Trend: Frauen vermissen ihre Gewohnheiten stärker als Männer, Alleinlebende mehr als Menschen in Partnerschaften.

Da gerade der soziale Kontakt und Austausch insbesondere beim Sport ebenfalls eine wichtige Rolle spielt, könnte eine Ableitung sein, dass gerade Alleinstehende diese Aspekte noch stärker vermissen

Kompensationsstrategien aus der Praxis

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier: In der Corona-Krise mussten alternative Lösungen her, denn Gewohnheiten wollen schließlich befriedigt oder zumindest kompensiert werden. Schließlich führt das Ausüben von Gewohnheiten zu einem guten Gefühl, Genuss und Glück, denn gerade das Training wirkt sich positiv auf die Psyche (Lesen Sie auch: 'Starke Psyche durch Fitness') und das Immunsystem (Lesen Sie auch: 'Fitnessraining als Immun-Booster') aus. 

In puncto Training haben viele Fitnessstudiomitglieder die letzten Wochen improvisiert zu Hause trainiert (analog und digital unterstützt) und die Betreiber, wie auch die Kunden wurden auf eine große Geduldsprobe gestellt. 

Verzichtbereitschaft im Fokus

In der zweiten Erhebungswelle wurden die Teilnehmer zusätzlich befragt, wie lange sie tendenziell noch bereit sind, wegen der gesetzlichen Auflagen und Beschränkungen auf ihre Gewohnheiten zu verzichten.

Auch hier zeigen sich wieder alters-, geschlechts- und familiär-spezifische Unterschiede. Mit fortschreitender Dauer der Krise fiel der Verzicht auf die eigenen Gewohnheiten zunehmend schwerer. 

Neue Gewohnheiten auf einen Blick

Angesichts der aktuellen Befragungsergebnisse ist bei knapp 70 Prozent der Studienteilnehmer in den vergangenen Wochen eine deutliche Bewegung in der Gewohnheitsum- bzw. -neubildungfestzustellen. Hier zeigen Frauen im Vergleich zu Männern eine stärkere Veränderungstendenz.

Mit steigendem Alter der Befragten sinkt die Entwicklungsbereitschaft hier etwas ab. Dabei lässt sich nachweisen: Je länger die Verzichtbereitschaft ist, desto – statistisch signifikant – mehr neue Gewohnheiten werden gebildet. Was sich hinsichtlich der Gewohnheiten konkret verändert hat, sehen Sie hier.


Steigendes Gesundheitsbewusstsein und ein 'Mehr' an Sport

Die Befragten kompensieren stark mit Sport und Bewegung und gerade in dieser Krise mit „mehr, viel, öfters“ davon – so die Studie. Die Ableitung daraus: Aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen und vielleicht auch aufgrund der Angst vor einer Infektion gehen viele Menschen aktuell bewusster mit dem Thema Gesundheit um und haben ihre Gewohnheiten dahingegen umgestellt, noch mehr für ihr Immunsystem zu tun und sich intensiver körperlich fit zu halten. Fast jeder Dritte der Befragten bestätigt zudem, dass sich durch die Corona-Krise sein Essverhalten ebenfalls verändert hat.

Alte Gewohnheiten vs. neue Normalität

Ob sich alte Gewohnheiten nach den Lockerungen und der Wiedereröffnung der Studios wieder festsetzen oder aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen durch eine 'neue Normalität' abgelöst oder ergänzt werden, werden die nächsten Wochen zeigen.

Fazit zu den bisherigen Studienergebnissen

Die Studienergebnisse verdeutlichen: Gewohnheiten scheinen eine funktionale Ressource zu sein – gerade in Krisen und gerade für die, die Gewohnheiten positiv belegen. Die erlebten Einschränkungen von Gewohnheiten stellen sich dabei als einflussreich dar, so dass durch ein Gefühl des Vermissens entweder mit Aktionismus (z. B. Neues ausprobieren) oder mit einer Intensivierung der bekannten Gewohnheiten (z.B. noch mehr Sport und Bewegung) in der Praxis reagiert wird.

Sensibilisierung als Chance und Ausweg aus der Krise

Die gesamtgesellschaftliche Sensibilisierung durch die Corona-Pandemie und das damit verbundene Gesundheitsbewusstsein ist für die Fitness- und Gesundheitsbranche eine große Chance, um nach der Wiedereröffnung Neukunden zu gewinnen und für das gesundheitsorientierte Krafttraining zu begeistern. Aber auch für die Bestandskunden kann das Gewohnheitsfeld neu bestellt werden: Für eine noch tiefere Verankerung des Wertes Gesundheit.

Innovationspotenzial erkennen und nutzen

Des Weiteren schafft die derzeitige Situation auch zahlreiches Innovationspotenzial, da auch auf Unternehmensseite alte Gewohnheiten, Denkmuster und Routinen auf Funktionalität geprüft, hinterfragt und überdacht werden. Denn nur, wer sich ständig weiterentwickelt und professionalisiert, ist für zukünftige Krisen und Herausforderungen bestmöglich gewappnet.

Mehr über DHfPG-Dozent Prof. Dr. Oliver Schumann, sein Unternehmen Schumann ACC und die Detailanalysen seiner explorativen Online-Befragungen finden Sie hier.