Markt, Anzeige | Autor/in: Prof. Dr. Marco Speicher |

Noch mehr Potenziale für die Sport-, Fitness- und Gesundheitsbranche

Die Sport-/Gesundheitsinformatik wendet Methoden aus der Informatik auf wissenschaftliche Probleme der Sport-, Fitness- und Gesundheitsbranche an und hat sich mittlerweile zu einer eigenständigen Teildisziplin entwickelt, die die Informatik mit den Sport- und Gesundheitswissenschaften verbindet.

Digital: Sport- und Gesundheitsinformatik (BSGI) an der DHfPG studieren

Hinweis: Die im Artikel 'Digitale Fitnesswelt' begonnene Darstellung von Potenzialen, die sich aus der Symbiose von Informatik mit den Sport- und Gesundheitswissenschaften ergeben, wird in diesem Teil fortgesetzt.


Bereits betrachtet wurden die (1) Erfassung und Speicherung von Daten sowie die (2) Modellierung, Analyse und Simulation.

Weitere Themen der Informatik, die für die Sport-, Fitness- und Gesundheitsbranche relevant sind, stellt Informatik-Experte Prof. Dr. Marco Speicher (DHfPG) im Folgenden vor: (3) Präsentation und Visualisierung von Daten sowie (4) Kommunikationstechnologie (vgl. Abb. 1).

(3) Präsentation und Visualisierung

Für die Visualisierung von komplexen Informationen und Trainingsdaten sind Werkzeuge aus der Informationstechnologie wichtig.

So ist beispielsweise bei Sportspielen die Verknüpfung von Videosequenzen und Datenbanken für die Spielbeobachtung sinnvoll (etwa die bekannte Hawk-Eye-Technologie oder Abseitsassistenten beim Fußball).

Schon heute verwenden Trainer in der Leichtathletik oder Gymnastik eine Software, die es ermöglicht, zusätzliche Informationen wie Kraftvektoren, Torsionsbewegungen oder Geschwindigkeitsinformationen in einem Video anzuzeigen oder Bilder von zwei Bewegungen zu überlagern, um dem Sportler genauere Anweisungen geben und Verbesserungsvorschläge machen zu können.

Computersoftware hilft bei Entschlüsselung

Auch der sogenannte perfekte Wurf beim Basketball konnte mithilfe einer Computersoftware entschlüsselt werden: Anhand von verschiedenen physikalischen Parametern (wie etwa das Gewicht des Balls, Luftwiderstand und Erdanziehungskraft) kann so auf Grundlage der Lösung einer sogenannten Differenzialgleichung der optimale Abwurfwinkel und die passende Abwurfgeschwindigkeit für den Basketball berechnet werden, sodass dieser ohne Ring- oder Brettberührung den Korb trifft.

Forscher der Justus-Liebig-Universität Gießen konnten so die folgenden Werte für einen perfekten Freiwurf mithilfe von Computer-Algorithmen berechnen: Bei einem Abwurfwinkel von 56 Grad und einer Wurfgeschwindigkeit von etwa 26 km/h beträgt der Eintreffwinkel am Korb circa 45 Grad.

Eine solche Computersoftware wurde schon früh von Dirk Nowitzkis damaligem Trainer Holger Geschwindner genutzt, der Mathematiker und Physiker ist. (Lesen Sie auch: Buchtipp 'The Great Nowitzki' – die Dirk Nowitzki Biographie)

Fehlhaltungen erkennen, Schmerzen vorbeugen

Zukünftig wird es auch möglich sein, eine Art 'Ideallinie' für einen Wurf darzustellen, die etwa beim Tragen einer 'Augmented Reality'-Brille direkt beim Training helfen kann, um bisherige Wurfversuche zu analysieren und gegebenenfalls Verbesserungsvorschläge durch die Darstellung der idealen Flugkurve zu machen.

Ähnliches wäre auch am Arbeitsplatz denkbar, um BGM-Maßnahmen effizienter einsetzen zu können. Sensoren am Schreibtisch oder direkt am Körper können Fehlhaltungen (wie etwa ein nach vorne gelehnter Oberkörper) erkennen und Schmerzen vorbeugen, indem man beispielsweise Erinnerungen zur Haltungskorrektur auf dem Smartphone erhält.

Auch nicht zu unterschätzen sind Erinnerungen zur regelmäßigen Flüssigkeitsaufnahme. Denn am Arbeitsplatz zu wenig zu trinken, kann nach Feierabend zu Kopfschmerzen führen.

Die Datenerfassung und -speicherung ist eine Sache, sie dem Benutzer hilfreich und verständlich zu visualisieren und zu präsentieren ist eine andere. Oft werden hier Konzepte aus dem Bereich der 'Gamification' genutzt, also die Anwendung spieltypischer Elemente in einem spielfremden Kontext, wie etwa Punkte und Belohnungen oder auch Ranglisten.

(4) Kommunikationstechnologie

Nicht zuletzt kann die Kommunikationstechnologie bei der Organisation in der Sport-, Fitness- und Gesundheitsbranche helfen: Soziale Medien sind heute für die Organisation von Trainingseinheiten und für die Suche nach Trainingspartnern oder sogar Trainern relevant.

Internetbasierte Groupware-Tools wie Videokonferenzen (etwa Skype, Zoom oder Google Hangout) und Whiteboards unterstützen Athleten bei internationalen Meisterschaften, indem sie die Kommunikation mit ihren Trainern und Betreuern, die nicht vor Ort sein können, realisieren.

Diese Betreuung auf Distanz funktioniert auch für das Coaching des Kunden durch den Fitnesstrainer. In diesem Zusammenhang werden mobile Geräte und die Digitalisierung des Coachings für die 360-Grad-Betreuung immer wichtiger.

Die digitale Kommunikation in der Sport-, Fitness- und Gesundheitsbranche wird besonders in Krisenzeiten zunehmend relevanter. Wenn Kunden nicht ins Fitnessstudio gehen dürfen, kommt man als Dienstleister nicht an der Digitalisierung seiner Angebote vorbei.

Live-Chats, Online-Kurse & Telemedizin

Bei Live-Chats oder Online-Kursen steht auch hier die Unterstützung durch neue Kommunikationstechnologien im Vordergrund. So kann beispielsweise die wöchentliche Yoga-Stunde weiter fortgesetzt werden, nur dass sich die Teilnehmenden und der Yoga-Trainer nicht mehr in einem Raum befinden. Aber auch das Thema Telemedizin – dieser Begriff war in der Vergangenheit sehr umstritten – wird immer aktueller.

Die Telemedizin ist jedoch bereits heute in Teilbereichen des Gesundheitswesens angekommen und umfasst neben einfachen Beratungen auch erste Diagnostik und sogar Therapien, trotz räumlicher oder auch zeitlicher Distanz zwischen Arzt, Therapeut, Apotheker und Patient oder zwischen zwei sich konsultierenden Ärzten.

In den App-Stores der beiden großen Anbieter Google und Apple finden sich schon erste Versuche mobiler Apps zur medizinischen Kommunikation und Telemedizin. Hier kann der Patient bereits im Voraus relevante Gesundheitsdaten digital übermitteln, wie etwa Röntgenaufnahmen, Herzfrequenz- oder Blutdruckdaten, Gewichtsmessungen oder den Ernährungsplan der letzten Wochen, sodass der Arzt besser auf das Gespräch vorbereitet ist.

Obwohl wir hier besonders in Deutschland noch am Anfang stehen, sind durch die gegebene Technologie und das Wissen aus der Forschung die Voraussetzungen für eine Digitalisierung der Sport-, Fitness- und Gesundheitsbranche geschaffen.

Fazit

In dieser Ausgabe haben wir zwei weitere potenzielle Anwendungsbereiche der Sport-/Gesundheitsinformatik als Grundlagen zur Weiterentwicklung und Digitalisierung der Fitness- und Gesundheitsbranche kennengelernt. Die Sport-/Gesundheitsinformatik wird immer mehr zu einer eigenständigen und für die Sport- und Gesundheitswissenschaften unverzichtbaren Disziplin.

Praxisbezug erhöhen, Nachwuchs fördern

Damit wird sie zur Grundlage von Wirtschaftssektoren mit großer ökonomischer Bedeutung wie der Fitnessbranche, den Firmen im Gesundheitssektor und der Trainingslehre. Trotz des bereits hohen Niveaus der Sportinformatikforschung in Deutschland bestehen noch vielfältige Potenziale, die durch einen erhöhten Praxisbezug, eine gezielte Nachwuchsförderung und die Etablierung langfristiger Infrastrukturen genutzt werden könnten.

In der nächsten Ausgabe werden wir Perspektiven der Informatik und der Digitalisierung im Sport- und Gesundheitsbereich für die kommenden Jahre vorstellen.


fMi-Kolumne: Digitale Transformation unserer Branche

Seit der Ausgabe 01/20 der fitness MANAGEMENT international (fMi) klärt Informatik-Experte Prof. Dr. Marco Speicher (DHfPG) in seiner sechsteiligen Kolumne über den digitalen Wandel im Sport-, Fitness- und Gesundheitsmarkt auf.

Der Experte erläutert, warum unsere Branche für diese Herausforderungen qualifizierte Nachwuchskräfte braucht und zeigt, welche innovativen und vielfältigen Berufsfelder Absolventen erwarten, die ab dem Wintersemester 2020/21 an der DHfPG den neuen dualen Studiengang 'B. Sc. Sport-/Gesundheitsinformatik' absolvieren. (Lesen Sie auch: Sport UND Informatik – Erster Bachelor of Science der DHfPG ab dem Wintersemester 2020)

Alle Informationen rund um den neuen Studiengang der DHfPG haben wir hier für Sie verlinkt.

Über den Autor

Prof. Dr. Marco Speicher ist Dozent an der DHfPG. 2019 promovierte er im Fachbereich Informatik an der Universität des Saarlandes zum Thema 'Measuring User Experience for Virtual Reality'.
Von 2014 bis 2019 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Dort war er Teil des Forschungs- und Entwicklungsteams des Ubiquitous Media Technologies Lab (UMTL) und des Innovative Retail Laboratory (IRL).

Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 03/2020 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.

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fMi 03/2020