Management | Autor/in: Niko Russ |

Professionelle Kundenbindung nach dem Neujahrsboom

Wie viel Prozent der im Januar gewonnenen Neukunden trainieren im April noch regelmäßig im Studio? Fitnessbetreiber wollen immer den Königsweg: Der Vertrieb liefert die Neukunden und der Service macht diese zu Stammkunden. So weit die Theorie: In der Praxis sieht es häufig anders aus. Nach der Neujahrs-Euphorie nimmt zumindest bei einem Teil der Kunden die Trainingshäufigkeit merklich ab. Das muss aber nicht so sein, wenn Sie einige Praxis-Tipps beherzigen.

Neukunden effektiv und langfristig ans Studio binden – Niko Russ

Mit jeder Menge guter Neujahrsvorsätze und Motivation starten deutschlandweit Neukunden im Januar ins Training und schließen eine Studio-Mitgliedschaft ab. Die Trainingsflächen sind zu Beginn jeden Jahres hochfrequentiert und die Trainer sowie das Servicepersonal voll ausgelastet.

Doch nicht allen Studios gelingt es, im Laufe des Jahres an den Neujahrsboom als erfolgreichen Auftakt des Geschäftsjahres anzuknüpfen. Die Gründe dafür sind vielfältig und nicht nur in der abnehmenden Trainingsmotivation zu sehen.

Kunden- und Umsatzverlust

Den Unternehmen gehen dadurch in den Folgemonaten nicht nur Kunden, sondern vor allem auch wertvoller Umsatz verloren, wenn die Mitglieder nicht vom Studio- und Betreuungsangebot überzeugt werden.

Rechenbeispiel

Bei 1.500 Mitgliedern und einem Beitrag von 50 Euro pro Monat bringt eine Verbesserung der Kundenbindung um fünf Prozentpunkte einen jährlichen (Mehr-)Umsatz von 45.000 Euro.

Oder andersherum gesagt: Wenn nur 30 Ihrer Neukunden ihren Erstvertrag (Laufzeit sechs Monate) nicht verlängern, weil Sie sie in dieser Zeit nicht überzeugt haben, gehen Ihnen für das laufende Geschäftsjahr nicht nur mindestens 9.000 Euro, sondern auch Ihr wertvollstes Marketinginstrument verloren, denn zufriedene Kunden sind immer noch die beste Werbung für Ihr Unternehmen.

Intensive Betreuung trotz Neujahrsstress

In der 'heißen' Phase sollten Betreiber ein besonderes Augenmerk auf die Betreuung legen. Es gilt, die Trainer und das Servicepersonal für die im Folgenden erläuterten erfolgskritischen Aspekte zu sensibilisieren, da sonst wertvoller Umsatz verloren geht und später noch mehr Geld in die erneute Kundenakquise investiert werden muss.

Die 'Stages of Change Theorie'

Für den ersten Eindruck gibt es bekanntlich keine zweite Chance. Gerade neue Mitglieder sind sehr sensibel und deutlich kritischer. Nach der 'Stages of Change Theorie' (vgl. Prochaska & DiClemente, 1992; Prochaska, DiClemente, & Norcross, 1992) dauert die Eingewöhnungsphase ungefähr sechs Wochen.

Qualifizierte Trainer als Motivatoren

Über diese Zeit gilt es, die Kunden intensiv zu begleiten und vom eigenen Leistungsangebot und der Betreuung voll zu überzeugen.

Qualifizierte und empathische Trainer, die nicht nur als Lehrer, sondern als Motivatoren fungieren, sind einer der zentralen Erfolgsfaktoren, um in dieser entscheidenden Phase bei den Kunden zu punkten (vgl. Middelkamp, Wolfhagen & Steebergen, 2013).

Aber welche konkreten Maßnahmen lassen vom ersten Tag an die Drop-out-Rate sinken und sorgen für eine bessere Kundenbindung?

Was zählt, sind Kundennähe und persönlicher Kontakt

Ein zentraler Beweggrund, weshalb sich Neumitglieder für ein Training im Fitnessstudio entscheiden, ist die individuelle Betreuung. Häufig haben der Trainer, der Berater oder das Marketing diese beim Verkaufsgespräch angepriesen, aber wird das Versprechen auch tatsächlich eingehalten?

Dieses Versprechen sollte das Studio definitiv erfüllen und die Kundenerwartungen bestenfalls sogar übertreffen. Jedes Neumitglied sollte (je nach Studiokonzept) zu Beginn mit fünf Terminen ausgestattet werden, die im Idealfall durch denselben Trainer bzw. Ansprechpartner durchgeführt werden:

  • Check-up
  • Geräteeinweisung
  • Kurstermin
  • Gruppenworkout auf der Fläche (funktionelles Training)
  • eigenständiges Training

Der persönliche Kontakt kann hier sehr viel bewirken. Eine hohe Mitarbeiterfluktuation und ständig wechselnde Ansprechpartner sind Punkte, die es (wenn möglich) zu vermeiden gilt.

Fixe Termine als Verbindlichkeit

Selbst wenn ein Kunde nicht alle fünf Termine benötigen sollte, ist es sinnvoll, diese individuell festzuhalten. Denn jeder fixe Termin steht indirekt für eine 'Verabredung', die mit einer gewissen Verbindlichkeit gekoppelt ist.

Diese Verbindlichkeit, in Kombination mit dem intrinsischen Antrieb des Kunden, gilt es zu nutzen und dem Neumitglied auf den ersten Schritten zur langfristigen Bindung an das Studio zu helfen.

SMARTe Ziele setzen und Erfolge sichtbar machen

Ohne ein bestimmtes Ziel sind die Neumitglieder häufig orientierungslos. Mit SMARTen Zielen werden sie fokussierter, ziehen das Training präziser durch und lassen sich nicht so schnell davon abbringen. Die SMART-Formel steht für:

Spezifisch
Messbar
Attraktiv
Realistisch
Terminiert

Die mit dem Trainer formulierten Ziele sollten am besten schriftlich festgehalten werden. Hier können Studios heute (dank digitaler Unterstützung) Ziele und auch die entsprechenden Erfolgsergebnisse jederzeit nachvollziehbar und abrufbar machen, was für zusätzliche Motivation sorgt.

Dem Motivationsloch aktiv entgegenwirken

Wenn die ersten Trainingstermine gut laufen und sich kleine Erfolge einstellen, ist die Motivation beim Kunden hoch. Ihm fällt es leicht, regelmäßig zum Training zu erscheinen. Schwieriger wird es, wenn die Motivation nachlässt, Erfolge ausbleiben und die Leistung stagniert.

Ablenkungen spielen eine weitere Rolle: Lustlosigkeit macht sich breit und andere Termine haben Priorität. Kurzum: Das Neumitglied ist in das Motivationsloch gefallen.

Der Trainer sollte jedem Neueinsteiger die Entstehung eines Motivationslochs und die mit dem Workout verbundenen Anpassungsprozesse erklären. Es ist völlig normal und menschlich, dass so etwas passiert – die Frage ist, wie man damit umgeht.

Wichtig für die Motivation in den ersten Wochen ist das Erzielen von sichtbaren und 'leichten' Erfolgen. Regelmäßiges Training ist häufig bereits eine Leistung – hier ist das Loben der Mitglieder von großer Bedeutung.

Sich wohlfühlen und mehr Energie haben sind weitere positive Effekte, die sich einstellen. Hier gilt es, das regelmäßige Gespräch zu suchen und genau diese Themen aufzugreifen. Das motiviert, hilft über das Motivationsloch hinweg und schafft gleichzeitig eine kundenorientierte Atmosphäre.

Kundenkartei und Monitoring – zwei einfache Praxistipps

Durch zwei einfache Maßnahmen können die Kunden unterstützt werden, um den Trainingsanschluss nicht zu verlieren:

  1. Ein detailliertes Mitgliedermanagement kann helfen, in der Neujahrsphase den Überblick zu behalten. Viele Kunden, neue Gesichter und jede Menge Termine müssen gemanagt werden. Je präziser das eigene Mitgliedermanagement, umso eher können Sie individuell auf die einzelnen Kunden eingehen, deren Trainingshäufigkeit dokumentieren und bei Bedarf nachfassen.
  2. Sofern dieses Monitoring effektiv und tagesaktuell gepflegt und analysiert wird, können analoge Abwesenheitslisten oder automatische digitale Hinweise direkt Auskunft darüber geben, welche Neukunden seit längerem (zwischen 14 und 30 Tagen) nicht im Studio waren. So können Sie sich wieder ins Gedächtnis bringen, direkt mit dem Mitglied kommunizieren und Kundennähe und Wertschätzung zeigen – vorausgesetzt Sie mahnen und belehren nicht, sondern treffen den Nerv und den persönlichen Ehrgeiz des Kunden, damit er den 'inneren Schweinehund' (Lesen Sie auch: 'Fit wie Eisenkurt' – Wie Sie Ihren inneren Schweinehund bekämpfen) selbst überwindet und den Weg aus dem Motivationsloch meistert. Je größer die Trainingshäufigkeit, desto geringer die Wahrscheinlichkeit eines vorzeitigen Drop-outs. Aber Vorsicht: Viel hilft nicht immer viel.

Moderates Training – Überforderungen vermeiden

Das Adjektiv 'moderat' bedeutet 'in Maßen', 'zurückhaltend' oder 'angemessen' und genauso sollten die ersten Trainingseinheiten gestaltet werden.

Das Motto 'viel hilft viel' bringt nicht zwangsläufig den gewünschten Erfolg. Das Gegenteil ist häufig der Fall. Übertraining kann demotivieren und ist im schlimmsten Fall mit einer Zwangstrainingspause verbunden.

Dies gilt es als professionell agierendes Studio durch eine zielgerichtete Betreuung zu verhindern. Ein guter Trainer steuert die Belastung moderat und passt diese in regelmäßigen Abständen an, um den Kunden in der Eingewöhnungsphase langsam an das Training heranzuführen.

So kann ein frühzeitiger Drop-out verhindert und dem Kunden mehr Sicherheit vermittelt werden.

Fazit: 'Knackpunkte' der Neukundenbindung beherzigen

Jedes Fitnessunternehmen ist auf eine professionelle Kundenbindung angewiesen und die Konkurrenz ist groß – umso wichtiger ist es deshalb, Kunden langfristig zu begeistern und zu überraschen.

Hier sind alle Mitarbeiter gefordert, dafür zu sorgen, dass die Neukunden nicht nach drei bis sechs Monaten den Weg zurück auf die heimische Couch einschlagen.

Je zeitiger sich das gesamte Unternehmen um diese Mitglieder kümmert und die wesentlichen 'Knackpunkte' der Neukundenbindung beherzigt, desto größer ist die Chance, möglichst viele Neukunden zu loyalen Fans und Stammkunden zu machen.

Neben allen anderen Managementaufgaben sollten genau diese grundlegenden Verhaltensweisen im Neujahrsboom in den Fokus gerückt werden. Ihre Neukunden werden es Ihnen danken.

Über den Autor

Niko Russ verfügt über ein Studium der Fitnessökonomie an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG).
Er ist seit 16 Jahren in der Fitnessbranche mit den Themengebieten Sales, Marketing und Kundenbindung tätig.
Als freiberuflicher Berater unterstützt er Fitnesseinrichtungen in diesen Themen.
Er ist als Autor und Dozent sowohl für die BSA-Akademie als auch für die DHfPG tätig.

Auszug aus der Literaturliste

Kotler, P., Keller, K. L. & Bliemel, F. (Hrsg.) (2007). Marketing-Management: Strategien für wertschaffendes Handeln (12. aktualisierte Auflage). München: Pearson Education.
Middelkamp, J., Wolfhagen, P. & Steebergen, J. (2013). Kundenbindung in Fitnessclubs. Praktische Hilfsmittel zur Kundenbindung für Manager. Den Bosch: Black Box Publishers.
Prochaska, J. O. & DiClemente, C. C. (1992). Stages of change in the modificationof problem behaviors. In M. Hersen, R. M. Eisler & P. Miller (Eds.), Progress on behavior modification (pp. 184-214). Sycamore: SycamorePress.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

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