Management, Markt | Autor/in: Prof. Dr. Christoph Eifler |

Relevanz von Weiterbildungen – Investition in Qualifikation

Der aktuelle Fachkräftemangel ist eine der zentralen Herausforderungen der Fitnessbranche, die sich gerade von den Folgen der Corona-Krise zu erholen beginnt. Der einzige Weg, von dem gesteigerten Gesundheitsbewusstsein in der Gesellschaft zu profitieren, ist die Investition in Qualifikation.

Relevanz von Weiterbildungen: Investition in Qualifikation

Lange Zeit galt in der Fitnessbranche die berufspraktische und persönliche Trainingserfahrung der Akteure als das „Nonplusultra“ hinsichtlich des Kompetenzniveaus. Und auch individuelle Einstellungen zu Weiterbildungen nach dem Motto „Ich bin seit 20 Jahren in der Branche tätig. Wer soll mir noch etwas beibringen können?“ haben sich leider halten können.

Grundsätzlich ist nichts gegen berufliche Praxiserfahrung einzuwenden; 20 Jahre berufspraktische Erfahrung bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass man 20 Jahre lang alles richtig gemacht hat und nichts mehr dazulernen kann. Umfangreiche berufliche Praxis ist kein Garant für hohe Fach- und Methodenkompetenzen im beruflichen Setting.


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Im Raum steht nun die Frage: Ist eine solche Einstellung noch zeitgemäß? Mit dem gesellschaftlichen Wandel ändern sich auch die Anforderungen, die der berufliche Alltag an jeden Einzelnen stellt. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie schnell sich die Rahmenbedingungen im beruflichen Umfeld ändern können und man plötzlich vor ganz neuen Herausforderungen steht.

Personen, die in der oben skizzierten Vorstellung („Mir kann doch keiner mehr etwas beibringen“) kognitiv feststecken, sind nicht immer in der Lage, variierenden beruflichen Anforderungen gerecht zu werden. Von hoher Bedeutung ist in der heutigen Zeit jedoch die persönliche Bereitschaft zu einem lebenslangen Lernen. (Auch interessant: 'Qualität durch Qualifikation')

Betrachtung der Qualifikationsstrukturen

Bei einer objektiven Betrachtung offenbart der Fitnessmarkt sehr gute Aus- und Weiterbildungsstrukturen. Mit der Qualifikation Sport- und Fitnesskaufmann/-frau existiert eine anerkannte Berufsausbildung. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit einer Berufsweiterbildung zum/zur Fitnessfachwirt/-in oder Fachwirt/-in für Prävention und Gesundheitsförderung mit öffentlich-rechtlichem Abschluss vor der Industrie- und Handelskammer (IHK).

Hinzu kommen etliche Bildungsanbieter mit verschiedensten branchenspezifischen Qualifikations- und Weiterbildungsmöglichkeiten im Kontext nebenberuflicher Lehrgänge. Auch im tertiären Bildungssektor gibt es die Option, branchenspezifische akademische Qualifikationen zu erwerben.

Status quo zu Anforderungskriterien

Rein faktisch betrachtet, existieren aber nur wenige Anforderungskriterien im Sinne von verbindlichen Mindeststandards. Es gibt keine gesetzliche Regelung, welche die Mindestqualifikation für das Personal in Fitnessstudios definiert.

Verbindliche Standards gibt es nur im Kontext spezifischer Angebotsbereiche. So müssen z. B. mit Wirkung zum 1. Januar 2023 alle EMS-Anwenderinnen und -Anwender über die Fachkunde EMF zur Stimulation verfügen. (Lesen Sie dazu: 'FAQ zum Fachkundenachweis')

Anforderungskriterien an die Anbieterqualifikation werden ebenso im Rahmen von präventiven bewegungsbezogenen Kurskonzepten nach Paragraf 20 SGB V gestellt (GKV-Spitzenverband, 2022).

Und wenn sich Fitnessstudios nach DIN 33961 (Norm für Fitnessstudios) zertifizieren lassen, dann müssen ebenfalls Qualifikationsstandards für das Personal erfüllt werden. (Auch lesenswert: 'Faktencheck Fitnessnorm DIN 33961')

Die hier aufgeführten Angebotsbereiche sind aber nicht flächendeckend und eine Zertifizierung nach DIN 33961 ist grundsätzlich freiwillig. Daher gibt es für Fitnessstudios nach wie vor „Schlupflöcher“, um Mindeststandards hinsichtlich Qualifikation des Personals zu umgehen. So ist es nicht verwunderlich, dass es nach wie vor Personen in der Fitnessbranche gibt, die nicht die Notwendigkeit sehen, sich regelmäßig weiterzubilden.

Status quo zur Personalqualifikation

Objektive Zahlen zum aktuellen Stand der Personalqualifikation in deutschen Fitness- und Gesundheitsanlagen zeigen aber ein anderes Bild: Trotz der geschilderten „Schlupflöcher“ belegen die aktuellen „Eckdaten der deutschen Fitnesswirtschaft 2023“ (DSSV, 2023) die zunehmende Professionalisierung in der Fitnessbranche.

Befragt nach der höchsten branchenspezifischen Qualifikation ihrer Mitarbeitenden ergeben die Antworten der Studiobetreiber die folgende Datenlage: Unabhängig von der Betriebsform sind Trainerqualifikationen am stärksten vertreten. 49,3 Prozent aller Mitarbeitenden weisen als höchste Qualifikation eine branchenspezifische Trainerlizenz (z. B. Fitnesstrainer/-in-B-Lizenz) auf.

Die Branchendaten zeigen einen Anstieg der Mitarbeiterzahlen mit einem akademischen Abschluss. Mehr als jeder fünfte Mitarbeiter (22,8 %) kann als höchste Qualifikation einen branchenspezifischen Studienabschluss, z. B. Fitnessökonomie (B. A.), nachweisen.

20,8 Prozent aller Mitarbeitenden weisen als höchste Qualifikation eine branchenspezifische Berufsausbildung (z. B. Sport- und Fitnesskaufmann/-frau) und 7,1 Prozent eine medizinische Qualifikation (z. B. Physiotherapeut) auf.

Problem Fachkräftemangel

Die Branchendaten des DSSV belegten in den zurückliegenden Jahren eine sukzessiv ansteigende Nachfrage nach qualifizierten Fach- und Führungskräften. Dann kam die Corona-Krise, die auch den deutschen Fitnessmarkt erschütterte und vor schwierige Herausforderungen stellte.

Das Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung wurde durch die Corona-Pandemie zwar eher positiv beeinflusst, sodass mit einer erneuten positiven Entwicklung der Fitness- und Gesundheitsbranche nach Corona zu rechnen ist.

Problematisch ist nun jedoch der Mangel an qualifiziertem Personal, um der ansteigenden Nachfrage gerecht zu werden. Der „War for Talents“, der Kampf um junge und engagierte Nachwuchskräfte, wird daher eine der zentralen Herausforderungen dieser Branche in den nächsten Jahren werden.

Eine Veröffentlichung des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft e. V. (Kirchherr, Klier, Meyer-Guckel & Winde, 2020) zeigt auf, dass für 84 Prozent der Führungskräfte das Thema „Weiterbildung und Qualifizierung“ auch während der Corona-Krise von sehr hoher Bedeutung war. Die befragten Unternehmen schätzten Zukunftsfähigkeiten (sog. Future Skills, z. B. digitale Schlüsselqualifikationen) für die Zeit nach der Corona-Krise noch bedeutender ein und prognostizierten einen erhöhten Qualifizierungsbedarf, um dem Fachkräftemangel begegnen zu können.

Erhöhter Qualifizierungsbedarf

Die Eckdatenstudie (DSSV, 2023) zeigt, dass die Bedeutung des erhöhten Qualifizierungsbedarfs von der Fitnessbranche erkannt wird. 92,7 Prozent der Betreiberinnen und Betreiber von Fitnessstudios bilden ihre Mitarbeitenden weiter. 72,1 Prozent der Fitnessunternehmen investieren in Weiterbildungen im Bereich Krafttraining, 59,1 Prozent im Bereich Ausdauertraining und 62,8 Prozent im Bereich Gruppentraining.

Bedingt durch die Notwendigkeit der Fachkunde EMF zur Stimulation sind Investitionen im Bereich EMS gestiegen. 21,2 Prozent aller befragten Anlagen haben in EMS-Weiterbildungen investiert; sogar 76,1 Prozent bei den Mikrobetrieben.

Besonders hoch ist die Investitionsbereitschaft in Weiterbildungen im Bereich Digitalisierung. Diese Future Skills sind somit auch in der Fitness- und Gesundheitsbranche angekommen.


Fazit

Die Marktentwicklung der letzten Jahre sowie die Auswirkungen der Corona-Krise machen eines deutlich: Es ist niemals falsch, in Qualifikation zu investieren. Sowohl aus der Perspektive des Personals als auch aus der Perspektive der Führungskräfte kann das folgende Fazit zum Thema „Investition in Qualifikation“ gezogen werden:

  • Perspektive des Personals: Jede und Jeder kann sich durch Investition in regelmäßige Weiterbildungen für den „War of Talents“ rüsten und sich attraktiv für potenzielle Arbeitgeber im Arbeitsmarkt positionieren. Individuelle kognitive Barrieren durch die irrationale Annahme, dass man „allwissend“ sei und nichts mehr lernen könne, müssen eingerissen werden. Wer etwas lernen will, der wird auch etwas lernen. Die Entscheidung, in die persönliche Qualifikation zu investieren, ist daher immer eine richtige.
     
  • Perspektive der Führungskräfte: Quantitativ betrachtet sind Fitnessstudios in den letzten Jahren zunehmend homogener geworden. Ein großzügiger und moderner Gerätepark, kundenfreundliche Öffnungszeiten, Zusatzangebote etc. sind keine Begeisterungsfaktoren oder Alleinstellungsmerkmale mehr. Eine Chance, aus der breiten Masse an guten Fitness- und Gesundheitsanlagen als hervorragendes Fitnessstudio hervorzustechen, besteht über eine exzellente Dienstleistung. Dazu braucht man überdurchschnittlich gut qualifiziertes Personal. Fitnessstudios, die „Schlupflöcher“ nutzen, um Mindeststandards an die Personalqualifikation zu umgehen, werden zukünftig nicht überlebensfähig sein. Die Entscheidung, in die Qualifikation des Personals zu investieren, ist daher immer eine richtige.

Über den Autor

Prof. Dr. Christoph Eifler leitet den Fachbereich Trainings- und Bewegungswissenschaft der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) sowie den Fachbereich Fitnesstraining der BSA-Akademie. An der DHfPG erfüllt er zudem das Amt des Prorektors für Forschung. Er ist seit über 20 Jahren im Bereich der Erwachsenenbildung tätig.

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Auszug aus der Literaturliste

DSSV – Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheitsanlagen (Hrsg.). (2023). Eckdaten der deutschen Fitnesswirtschaft 2023. Hamburg: Hrsg.
GKV-Spitzenverband. (2022). Leitfaden Prävention. Berlin: GKV-Spitzenverband.
Kirchherr, J., Klier, J., Meyer-Guckel, V. & Winde, M. (2020). Die Zukunft der Qualifizierung in Unternehmen nach Corona. Vom Krisenmodus zum Aufbau relevanter Future Skills. Essen: Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e. V.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

Diesen Artikel können Sie folgendermaßen zitieren:

Eifler, C. (2023). Relevanz von Weiterbildungen. Investition in Qualifikation. fitness MANAGEMENT international, 3 (167), 94–96.

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