Gesundheit, Management | Autor/in: Nicolai Rolli |

Von der Planung bis zur Umsetzung: Neue Geschäftsfelder für Physiotherapeuten

Innovativen Geschäftsfeldern gehört die Zukunft: Viele Physiotherapeuten denken darüber nach, ob sie in zusätzliche Bereiche investieren sollen – und wenn ja, in welche. Doch worauf muss man achten, wenn man neue Märkte erschließt? Die folgenden Eckpunkte und Entscheidungshilfen können Physiotherapeuten dabei helfen, neue Chancen zu identifizieren und das eigene Unternehmen gezielt weiterzuentwickeln.

Worauf sollten Physiotherapeuten achten, wenn sie neue Geschäftsfelder erschließen? Strategien erläutert Nicolai Rolli (DHfPG).

Das Sterberisiko bei 'Extremsitzern' (mehr als 8 Stunden pro Tag) ist um 80 Prozent erhöht! Was hat dieses bedenkliche Ergebnis von Stamatakis et al.
(2019) mit dem Thema 'Neue Geschäftsfelder für Physiotherapeuten' zu tun?

Auf den ersten Blick nicht allzu viel. Aber wenn man genauer hinschaut, zeigen sich deutliche Parallelen. Denn für die eigene Gesundheit gilt genauso wie für die Unternehmensführung: Nur wer sich gezielt bewegt, bleibt langfristig auch wirtschaftlich 'gesund' und konkurrenzfähig.


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Aus diesem Grund müssen sich Physiotherapeuten im Rahmen ihrer Unternehmens(weiter-)entwicklung aktuellen Marktherausforderungen bzw. Kundenbedürfnissen anpassen und sie müssen sich mit neuen Innovationsfeldern beschäftigen.

Wie können neue Geschäftsbereiche aussehen?

Wer sich gedanklich mit dem Einstieg in einen neuen Markt beschäftigt, sollte sich als Dienstleister im Gesundheitsmarkt zuerst folgende Fragen stellen:

  • Wie wird ein neues Geschäftsfeld überhaupt definiert?
  • Was sind die Besonderheiten und womit muss man sich konkret befassen?

Ein Geschäftsfeld bezeichnet einen (Teil-)Markt mit einer spezifischen Wettbewerbssituation und diversen Besonderheiten, die vor dem Markteintritt berücksichtigt werden müssen (Hungenberg & Wulf, 2006). Das setzt voraus, dass man sich in der Praxis intensiv mit diesen Aspekten beschäftigt.

Die Suche nach einem neuen Geschäftsfeld sowie dessen Erschließung sollte u. a. folgende strategische Eckpunkte umfassen, die es zielführend miteinander zu kombinieren gilt:


 


 

Blick in die Zukunft: Innovation statt Stillstand

Die Zukunftspläne des Betreibers und die gemeinsam mit dem Team erarbeitete Unternehmensvision stehen hierbei im Vordergrund. Als Unternehmer sollte man sich zuallererst folgende persönliche Fragen stellen:

  • Wo soll mein Unternehmen in fünf bis zehn Jahren wirtschaftlich stehen?
  • Was ist mir besonders wichtig und lässt sich das mit einem neuen Geschäftsmodell auch in Einklang bringen?
  • Was bin ich bereit, für eine mögliche Veränderung zu investieren (Geld-, Personal- und Zeitressourcen)?
  • Stehen diese Investitionen im Verhältnis zu meinen eigenen Zukunftsplänen (Praxisübergabe, Verkauf oder Weiterführung)?

Sind diese grundlegenden Fragen geklärt, geht es in einem Kreativ-Workshop zusammen mit dem Team auf 'Zukunftsentdeckungsreise'. Die 'Reise' startet bei der aktuellen Positionierung am Markt, den derzeitigen Angeboten und der Identität des Unternehmens. Hier stellen sich Fragen wie:

  • Wer sind wir?
  • Was sind unsere Stärken/USP?
  • Was zeichnet uns besonders aus?

Das EFQM-Modell (EFQM = European Foundation for Quality Management) kann mit seinen klaren Grundprinzipien und strukturierten Kriterien dabei helfen, sich zielführend und organisiert mit der Unternehmenszukunft und den möglichen Veränderungen auseinanderzusetzen. Im Zuge dieser ganzheitlichen Betrachtung sollten gemeinsam u. a. folgende weitere Fragen geklärt werden:

  • Wer wollen wir zukünftig sein?
  • Welchen Mehrwert/Nutzen wollen wir unseren Kunden künftig bieten?
  • Wie können wir unsere Stärken als Team bestmöglich einbringen?
  • Was brauchen wir, um die Unternehmensvision umzusetzen?
  • Wie sichern wir dadurch die Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens?

Am Ende dieser Arbeit 'am' Unternehmen steht die Grundsatzentscheidung, ob eine Geschäftsfelderweiterung als sinnvoll angesehen und diese gemeinsam weiterverfolgt wird.



 

Chancen identifizieren und neue Wertangebote entwickeln   

Im nächsten Schritt kann man gemeinsam ein passendes, nachhaltiges und wirtschaftlich interessantes neues Geschäftsfeld identifizieren und genauer analysieren.

Das Ziel sollte sein, möglichst einen neuen oder zumindest regional einzigartigen 'Blue Ocean' zu finden. Sogenannte Blaue Ozeane werden nach Kim & Mauborgne (2016, S. 4) als „… bisher noch nicht erschlossene Märkte, die Erzeugung von Nachfrage und die Aussicht auf höchst profitables Wachstum [generieren,] definiert.“

Ausgehend von der Überprüfung des eigenen Geschäftsmodells (z. B. mithilfe einer Business Model Canvas, Clemann, 2018) werden relevante Kernbereiche wie Kundenbeziehungen, Schlüsselressourcen, Kundensegmente etc. festgelegt und definiert.

Im Fokus dieser Analyse sollte das aktuelle Wertangebot der Physiotherapiepraxis stehen. Hier wird der 'Hebel' für die künftige Erweiterung des Geschäftsfeldes angesetzt.

Von Mitbewerbern absetzen

Häufig erkennen Physiotherapeuten in diesem Prozess, dass sie aus dem bestehenden Wertangebot (z. B. KGG) durch eine Weiterentwicklung/Steigerung der bisherigen Dienstleistungen einen neuen lokalen Markt schaffen können, der sich klar von anderen Mitbewerbern absetzt und zusätzliche Einkommenschancen bietet.

Wichtig ist hierbei, dass das Vorhaben vom gesamten Team 'getragen' wird. Deshalb muss die neue Wertdimension von Anfang an klar verständlich und für alle nachvollziehbar sein. Zu klären ist:

  • Wie schaffe ich es, das Team zu motivieren und eine positive Grundhaltung zu erzeugen?
  • Wie kann ich mir den langfristigen Support der Mitarbeiter sichern?

Denn nur durch eine möglichst einheitliche und positive Grundhaltung zum neuen Geschäftsfeld wird die Basis für ein hohes Engagement sowie für die Motivation der Mitarbeiter gelegt.

Je mehr man als Führungskraft das Team in diese Entscheidungsprozesse aktiv miteinbezieht, umso Erfolg versprechender ist die Umsetzung.

Kundenorientierung als oberste Prämisse

Bei der Erschließung eines neuen Geschäftsfeldes gilt es, sich mit den neuen Kundensegmenten, deren Problemen und dem Kundennutzen des neuen Wertangebotes sowie der veränderten Wettbewerbssituation auseinanderzusetzen.

Beispielsweise können Physiotherapeuten, neben ihrer umfassenden Gesundheitsexpertise, mit einem medizinisch orientierten Selbstzahlerbereich (inkl. Zirkel, EMS-Training, BIA-Messungen) und/oder mit Personal Training bei den Kunden punkten, ihnen neue Mehrwerte bieten und sie – deutlich langfristiger als bisher – an das Unternehmen binden (Tetzlaff, 2020).

Zur strukturierten Vorgehensweise bieten sich folgende Fragen an (Meffert, 2001):

  • Welche Mitbewerber gibt es und wie schaffe ich es, mich von der Konkurrenz durch das neue Gesamtkonzept abzuheben­
  • Wie sieht die neue Kundengruppe bzw. die bestehende Kundengruppe aus und was sind ihre genauen Bedürfnisse in diesem Markt?
  • Welchen Nutzen erhofft sich diese Kundengruppe künftig vom neuen Angebot?
  • An welchen relevanten „Stellschrauben“ muss man konkret drehen, damit Synergien optimal genutzt und Kunden rundum begeistert werden können?

Dieser Blick durch die 'Kundenbrille' hilft dabei, neue Potenziale aufzuzeigen und alle relevanten Berührungspunkte mit dem Kunden bestmöglich auf das neue Geschäftsfeld abzustimmen – was später vor allem auch für die Vermarktung besonders wichtig ist.

Fazit

Erst wenn all diese wichtigen strategischen Eckpunkte und Fragen geklärt sind, kann ein neues zusätzliches Geschäftsfeld auch zielführend aufgebaut werden. Denn die erfolgreiche Erschließung eines solchen (Teil-)Marktes ist immer das Ergebnis einer strukturierten strategischen Vorarbeit und umfassender Analysen.

Leider werden gerade diese entscheidenden Faktoren in der Praxis häufig vernachlässigt bzw. kommen sie deutlich zu kurz. Mittels der aufgezeigten Entscheidungshilfen und Management-Tools können Physiotherapeuten unternehmerische Risiken minimieren und langfristig nachhaltig zielgruppenspezifische Mehrwerte schaffen, die über das bestehende Geschäftsmodell deutlich hinausgehen.


 

Über den Autor

Nicolai Rolli, Diplom-Sportwissenschaftler, ist u. a. Dozent an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und der BSA-Akademie. Nach seinem Studium an der Deutschen Sporthochschule Köln, seiner Ausbildung zum Heilpraktiker und seinem betriebswirtschaftlichen Fernstudium arbeitete er jahrelang in personalverantwortlichen Positionen und als Geschäftsführer eines Selbstzahlerbereich-Lizenzkonzepts für Physiotherapeuten.


Auszug aus der Literaturliste

Clemann, T. (2018). Erfolgreiche Existenzgründung. fitness MANAGEMENT international, 137 (3), 82–83.
Stamatakis, E., Gale, J., Bauman, A., Ekelund, U., Hamer, M. & Ding, D. (2019). Sitting Time, Physical Activity, and Risk of Mortality in Adults. Journal of the American College of Cardiology, 73 (16), 2062–2072.
Tetzlaff, S. (2020). Selbstzahlerbereiche als Erfolgsmodell. medical fitness und healthcare, 02/2020, 40–42.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

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