Fitness | Autor/in: Daniel Kaptain |

Wie wichtig ist Regeneration?

Regeneration ist die Zeit, die der Körper braucht, um wieder „wie neu“ zu sein. Hat man höhere Erfolge bei ausreichend Regenerationszeit?

Das Wort „Regeneration“ kommt aus dem Spätlateinischen und bedeutet so viel wie „Wiedergeburt“. Bezieht man diese Bedeutung auf das Training, ist das die Zeit, die der Körper braucht, um wieder „wie neu“ zu sein. Wie wichtig ist die Regenerationszeit? Hat man höhere Erfolge bei ausreichend Regenerationszeit?

Alle biologisch-physiologischen sowie psychologischen Anpassungserscheinungen des Körpers benötigen Zeit. Die Trainingsbelastungen haben einen Reiz auf einzelne Funktionssysteme des Körpers ausgeübt; jetzt muss der Körper mit funktionellen und morphologischen Anpassungen reagieren. Die Anpassungsvorgänge benötigen demnach Erholungsphasen, in denen Um- und Aufbauvorgänge vollzogen werden können, um ein nachfolgend höheres Leistungsniveau herauszubilden. Belastung und Erholung sind folglich als eine Einheit zu betrachten. (Eisenhut und Zintl, 2013). Sportler, die weniger als 8 Stunden schliefen, hatten ein um das 1,7-fache erhöhte Verletzungsaufkommen (Milewski et al., 2014). Personen mit einer Schlafdauer unter 5 Stunden hatten eine um das 4,5-fache erhöhte Infektanfälligkeit (Finan et al., 2015).

Was passiert, wenn ich zu wenig regeneriere?
Missachtet man die Regeneration, führt dies zu drastischen Negativeffekten. Ich konnte in meinen eigenen Studien (2010 - 2013) eine Leistungsreduktion bei sehr gut konditionierten Soldaten von durchschnittlich 20 Prozent beobachten, da diese durch Ausbildungen und Stress stark beansprucht wurden (Kaptain, 2013). 

Friedl et al., 1995: Ein Regenerationsdefizit bedeutet ein Rückgang der kognitiven Fähigkeiten bzw. Konzentrations- und Leistungsverlust und damit potenzielle Verletzungsgefahr. Bei einer geringeren durchschnittlichen Schlafdauer als 7 Stunden pro Tag trat eine Leistungsreduktion von ca. 25 Prozent ein (Armstrong, 2000; Haslam, 1982, 1983 und 1985). Eine Reduzierung der Ausdauerleistungsfähigkeit (Armstrong, 2000; Castellani et al., 2003) und Muskelkraft (Symons et al., 1988) ist vielfach zu beobachten. Die langfristige Folge ist ein Übertraining, d. h. ein Nachlassen der sportlichen Leistungsfähigkeit trotz Fortführung des sportlichen Trainings über einen längeren Zeitraum (mehrere Wochen) zusammen mit objektiven und subjektiven Symptomen.

Wann braucht der Körper Regenerationszeit?
Eine Regenerationsphase sollte unmittelbar nach der intensiven Trainingsbelastung erfolgen, das Be-/Entlastungsverhältnis sollte ca. 3:1 betragen. Wenn also 45 Minuten intensiv trainiert wurde, dann sollte die Cool-down-Phase bei ca. 55-60 Prozent HFmax, 100 Prozent aerob liegen. Laut Weineck (2010) wird durch ein Cool-down „... die Laktateliminationszeit gegenüber passiver Erholung um ein Drittel verringert ...“. Generell sollte ein Training – bezogen auf die Gesamtdauer pro Woche – zu maximal 30 Prozent anaerob ausgeübt werden (Neumann et al., 2007). Wird dies nicht berücksichtigt, dann sind zu geringe Regenerationszeiten und/oder zu intensives Training lt. Bergeron et al. (2011) eine der Hauptursachen von Trainingsverletzungen.

Folgende Tabellen zeigen den allgemeinen Regenerationsbedarf:

Erkennbar ist der Zusammenhang zwischen Belastung und Regeneration: je intensiver die Belastung, desto länger die Regeneration. Je intensiver der Alltag (Stress, Arbeitsbelastung, Lebensalter, Trainingsgewöhnung), desto weniger Ressourcen sind zur Erholung nach einem Training vorhanden. Dies heißt also, hat der Trainierende „ungünstige Voraussetzungen“ (Lebensbelastungen), ist ein intensives Training kontraproduktiv und sogar schädlich.

Was verlängert oder verkürzt die benötigte Regenerationszeit?
Als Regenerationsbeschleuniger können folgende Faktoren genannt werden:
• ausreichend Schlaf (> 8 Std./Tiefschlafphasen)
• ausgewogene Ernährung (Qualität/Quantität)
• geringe Stressoren (psychosozial/emotional/körperlich)
• Trainingsalter (Verarbeitung der Trainingsreize/Gewöhnung)

Gibt es eine Formel für meine persönliche Regenerationszeit? Nein – eine direkte Formel ist nicht gegeben. Generell kann man den Status der Erholung am Ruhepuls ablesen. Ist dieser auf dem „normalen“ und gewohnten Maß (optimal < 60 Schläge pro Minute), ist der Körper erholt. Ebenso können diverse Blutmarker (Hormonprofil, Entzündungswerte) Aufschluss geben.

Unmittelbar nach Belastung ist folgender Regenerationspuls/Nachbelastungspuls ein Richtwert:

Wie kann die Regenerationszeit verkürzt werden? Durch das Einhalten der „Regenerationsbeschleuniger“ und eine sinnvolle Trainingsplanung wie bspw. das Berücksichtigen vom Zusammenspiel „Belastung und Regeneration“. Mythen wie „no pain no gain“ sind hier kontraindiziert und maximal im Leistungssport anwendbar (wenn überhaupt).

Mythos: Bei Muskelkater weiter trainieren?
Muskelkater ist eine Mikroverletzung, die zur Folge hat, dass der Körper zur Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit geschont werden muss. Während dieser Phase (abhängig von der Intensität ca. 36 bis 96 Stunden) ist ein weiterer (ähnlich intensiver) Trainingsreiz schädlich, da die überbeanspruchten Strukturen noch mehr überlastet werden. Generell verlängert sich somit die Regeneration und im Falle des Ziels „Muskelaufbau“ wird ein effektiver Reiz zeitverzögert. Im Optimalfall sollte dieser nach Abklingen der Proteinsynthese (i. d. R. nach 36 Stunden) erfolgen. Ein zu intensives Training kann jedoch Regenerationszeiten von 48 bis 72 Stunden notwendig machen und somit die Frequenz verringern und Gesamteffektivität gefährden. Eine solche Strategie verzögert also ein optimales Anpassen.

Als geeignet empfiehlt sich:
• das Training dauerhaft so zu dosieren, dass solch stark überschwellige Reize nicht mehr vorkommen
• durch moderates (aerobes) Training (aktive Regeneration) und passive Maßnahmen (Sauna, Wechselduschen), Ernährung (viel Protein, Kohlenhydrate, Vermeidung von „Giften“ wie Alkohol, Nikotin und Zucker) und Vermeidung von Stress diesen Zustand schneller abklingen zu lassen

Stressabbau durch Sport – Richtig auspowern, wenn man schon k.o. ist?
Ja – hier hilft ein moderates und regelmäßiges Ausdauertraining. Es beschleunigt die Regeneration und sorgt für einen starken Anstieg von Endorphinen (bekannt als „Glückshormone“), die als Gegenspieler von Cortisol (dem Stresshormon) gelten. Gerade heutzutage das Mittel Nr. 1. Wenn man im Gegenteil „stark gestresst“ ist, dann reduziert sich die physische Leistungsfähigkeit. Physischer und psychischer Stress werden durch ein ausbildungsbedingtes Schlafdefizit bzw. eine verminderte Regenerationszeit (< 7 Std./Tag) gesteigert (Buguet, 1995). Ein deutliches Absinken des Testosteronspiegels (um durchschnittlich 28,6 Prozent) ist zu beobachten durch eine vorhergehende stark ermüdende Belastung und die gleichzeitige Parasympathikus-Aktivierung durch psychischen Stress (Jouanin et al., 2004).

Des Weiteren zeigen diverse Studien, dass psychologischer Stress die Regenerationszeit verlängert (Stults-Kolehmainen et al., 2014) und selbst bei sehr gut trainierten Probanden eine deutlich reduziertere Trainingsanpassung erfolgte (ca. 20 Prozent weniger Muskelzuwachs und Kraftanstieg) als bei Probanden die keinen oder nur geringen Stress aufwiesen (Bartholomew et al., 2008).

Fazit
Gerade im Hinblick auf den immer hektischeren und anspruchsvolleren Alltag und die damit verbundenen Trainingsziele ist der Faktor Regeneration und Erholung bedeutsamer geworden. Der versierte Trainer muss neben der Übungsauswahl und Belastungsdosierung die Verträglichkeit und damit die Regenerationskapazität betrachten. Erst wenn die qualitative wie quantitative Erholungsphase gegeben ist, kann ein intensives Training effektiv sein. Hinweise und Ratschläge, wie eine ebensolche zu erwirken ist, sind für die Kunden sehr wichtig und dienen zur Steigerung und Sicherung der angestrebten Lebensqualität. Das Credo lautet: Die optimale Dosis (Verhältnis von Belastung und Erholung) erbringt die optimale Wirkung!

www.dhfpg-bsa.de

Prof. Dr. Daniel Kaptain
Prof. Dr. Daniel Kaptain ist u. a. Dozent an der DHfPG und der BSA-Akademie. Von 2010 bis 2013 promovierte er im Fachbereich Sportwissenschaften. Darüber hinaus ist er Experte für Konditions- und Athletiktraining, u. a. für mehrere Profivereine, sowie ausgebildeter Trainingstherapeut.

Auszug aus der Literaturliste
- Armstrong, L. E. (2000) Biorythmic disturbances in: Performing in extreme environments. Human Kinetics, Champaign, II.
- Bartholomew J. B., Stults-Kolehmainen, M. A., Elrod, C. C. & Todd, J. S. (2008): Strength gains after resistance training: the effect of stressful, negative life events. J Strength Cond Res. 22(4),1215-21.
- Buguet, A. (1995). Sleep Recovery from Physical Exercise: A New Understanding of Brain Responses to Stress. Paris.

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