Fitness | Autor/in: Jürgen Wolff |

'Muskeln, Kraft und Trainingsform – Der beste Weg zum Maximum' Teil 3: Magnús Ver Magnússon

Wie muss ich trainieren, um meine maximale Leistung zu erreichen? In Teil 3 der Reihe 'Muskeln, Kraft und Trainingsform – Der beste Weg zum Maximum' haben wir mit dem Isländer Magnús Ver Magnússon gesprochen, vierfacher Sieger bei 'World's Strongest Man' und Europameister im Kraftdreikampf – und damit einer der erfolgreichsten Athleten in der Geschichte der Strongman-Wettbewerbe.

Functional Fitness und leistungsorientierte Fitness haben in den vergangenen Jahren eine Fangemeinde entwickelt, die stetig wächst. Die Popularität von CrossFit mit seinen Wettkämpfen, die steigende Zahl von Fitness-Competitions und auch die steigende mediale Aufmerksamkeit von Strongman-Wettbewerben sind Merkmale dieser Entwicklung.

Gibt es ein Patentrezept für ein Training, das zur optimalen Leistungsfähigkeit führt?

Müssen die Muskeln und das Herz-Kreislauf-System im Training vollständig ausbelastet werden, um die Leistung maximal zu steigern und auch im Wettkampf die beste Leistung zu bringen?

Für die Antworten auf diese Fragen haben wir drei absolute Experten befragt, die ihr Training darauf ausrichten, in Wettkämpfen maximale Leistung zu bringen: Die beiden Legenden des Strongman-Sports, Magnús Ver Magnússon (Island) und Žydrūnas Savickas (Litauen), waren beide vier Mal 'World’s Strongest Man'. Joshua Wichtrup ist einer der erfolgreichsten CrossFitter Deutschlands und konnte sich 2019 als erster Deutscher für die CrossFit Games qualifizieren.

So trainieren die stärksten und fittesten Männer der Welt!

fM: Herr Magnússon, als einer der erfolgreichsten Strongman-Athleten sind Sie Ihrem Sport noch immer verbunden. Aktuell sind Sie bei den 'World‘s Strongest Man'-Wettbewerben und den 'Arnold Strongman Classic' als oberster Wettkampfrichter aktiv sowie auch bei den 'World‘s Strongest Disabled Man'-Wettbewerben, einer Eventreihe, die Sie gleichzeitig veranstalten. Wie kam es zu Ihrem Engagement bei 'World‘s Strongest Disabled Man'?

Magnús Ver Magnússon: 'World‘s Strongest Disabled Man' wurde in Island gegründet und entwickelt. Ein Freund von mir, Arnar Mar Jonsson, hatte schon längere Zeit als Coach und Trainer mit behinderten Erwachsenen und Kindern gearbeitet und hatte dafür ein spezielles Gym.

Um der Gruppe etwas Neues zu bieten, hat er mit ihnen auch draußen trainiert. Da stand sein Truck und es entstand die Idee: „Lasst uns das Ding ziehen!“ Es ging ihm darum, den Menschen zu zeigen, was sie alles tun können trotz ihrer Behinderung und da kam ich ins Spiel.

Wir haben für das Training Übungen aus dem Strongman-Bereich genommen und unter anderem auch spezielle Rollstühle entwickelt. Etwas später haben wir dann begonnen, Events zu veranstalten. Das war Mitte der 1990er Jahre. Heute ist 'World‘s Strongest Disabled Man' ein weltweiter Sport.

fM: Was wünschen Sie sich für die Eventserie 'World‘s Strongest Disabled Man'? Welche Ambitionen haben Sie? 

Magnús Ver Magnússon: Es hat mich immer erstaunt, zu was Menschen mit Handicap fähig sind. Ich habe immer bewundert, welche Herausforderungen sie bewältigen können – sogar in Rollstühlen. 

Damals gab es für Personen mit Behinderung nur die klassischen Übungen vom Powerlifting. Wir wollten diesen Menschen neue und mehr Möglichkeiten geben, zu zeigen, was sie leisten können. Jetzt können sie Atlas Stones heben und beim Log Press Baumstämme über ihren Kopf stemmen. 

Zu Beginn haben wir nur eine 'World‘s Strongest Disabled Man'- Competition im Jahr veranstaltet, hier in Island. Nach und nach kamen Leute aus UK, Norwegen und Schweden, haben mitgemacht und unser Event bekam immer mehr Aufmerksamkeit.

Vor ein paar Jahren hat einer unserer Partner dann 'Britain‘s Strongest Disabled Man' veranstaltet. Diese Competition gibt es seitdem jedes Jahr.

Danach kam Nordamerika hinzu und auch in Deutschland haben wir 'Germany‘s Strongest Disabled Man'. Die Veranstaltung verbreitet sich auf der ganzen Welt und ist inzwischen das vierte Jahr infolge bei den 'Arnold Strongman Classics' dabei.

Ich freue mich am meisten darüber, dass sich immer mehr Menschen mit Behinderung für Disabled Strongman und die Übungen interessieren.

Alle verlieben sich dann in diesen Sport, der ihr Leben verändert. Es ist großartig zu sehen, wie dieser Sport wächst und es ist fantastisch, an dieser Entwicklung beteiligt zu sein.

fM: Wo liegen Ihre sportlichen Wurzeln? Wie kam es, dass Sie Strongman-Athlet geworden sind?

Magnús Ver Magnússon: Ich bin in einem kleinen Ort mit knapp 1.000 Einwohnern im Osten Islands aufgewachsen. Dort habe ich mit dem Training begonnen.

Der örtliche Sportverein hat Kraftgeräte angeschafft und meine Kumpels und ich haben dort als Jugendliche mit dem Training angefangen. Später bin ich nach Reykjavík gezogen, um dort zur Schule zu gehen und um weiter zu trainieren.

Ich war immer schon stark und mein Körper hat sehr gut auf das Training reagiert. Mitte der 1980er habe ich bereits an Powerliftingund Strongman-Wettbewerben teilgenommen. 1991 war ich Europameister im Powerlifting und auf der Warteliste für den 'World’s Strongest Man'.

Als mein Landsmann Jón Páll Sigmarsson verletzt absagen musste, wurde ich als Nachrücker nominiert und wurde 1991 zum ersten Mal 'World’s Strongest Man'.

1992 habe ich einen Fehler gemacht, der mich den Titel gekostet hat, ich wurde nur Zweiter. 1993 hat mich der Tod von Jón Páll Sigmarsson sehr belastet und ich war einfach nicht voll da, sodass ich wieder Zweiter wurde.

Zu wissen, dass beide Male ein Sieg möglich gewesen wäre, hat mich dazu motiviert, unglaublich hart zu trainieren und dies hat dazu geführt, dass ich 1994, 1995 und 1996 drei Mal hintereinander 'World’s Strongest Man' wurde.

fM: Wie können wir uns das Training eines professionellen Strongman-Athleten vorstellen? Wie häufig und in welchen Umfängen haben Sie trainiert?

Magnús Ver Magnússon: Ich habe an fünf oder sechs Tagen pro Woche trainiert. Einen Tag habe ich immer freigenommen, zwei Tage, wenn ich sehr müde war. Trainiert habe ich je nach Saison und Wettkampflage zwei bis vier Stunden.

fM: Inwiefern hat sich Ihr Trainingspensum heute im Vergleich zu Ihrer aktiven Zeit geändert?

Magnús Ver Magnússon: Als professioneller Athlet war mein Training immer von der Wettkampfvorbereitung geprägt. Diese Motivation fehlt, seit ich nicht mehr an Wettkämpfen teilnehme (lacht).

Aber ich trainiere immer noch gern, um einigermaßen 'in shape' und stark zu bleiben, aber Umfang und Intensität meines Trainings sind deutlich geringer als früher und ich trainiere heute schwerpunktmäßig die klassischen Powerlifting-Übungen.

fM: Hat Ihr Training mehr funktionale und Strongmanbezogene Belastungsformen beinhaltet oder haben Sie mehr Einheiten an klassischen Fitnessgeräten trainiert?

Magnús Ver Magnússon: Als ich mit dem Kraftsport angefangen habe, hatten wir gar nicht das Equipment, wie etwa Atlas Stones oder Logs.

Deshalb habe ich größtenteils im Gym trainiert und dort dann Übungen gemacht, die den Strongman-Übungen möglichst nahekamen, etwa dem Farmers Carry, indem ich mit schweren Kurzhanteln durch das Studio gelaufen bin. Die kleineren Gewichte habe ich dann durch mehr Wiederholungen ausgeglichen.

fM: Alle Strongman-Athleten trainieren hart. Was war Ihr Erfolgsgeheimnis?

Magnús Ver Magnússon: Ich hatte nie einen Coach und habe mein Training selbst entwickelt und zusammengestellt. Dabei habe ich immer viel experimentiert und verschiedene Übungen und auch viel Neues ausprobiert.

Ich bin nie strikt einem Trainingsplan gefolgt, sondern habe viel variiert. Mein Tipp ist, den Trainingsrhythmus nicht auf eine Woche auszulegen, sondern auf zwei. Das ist so, als würde man öfter neue Trainingsreize setzen und der Körper reagiert stärker, weil er sich nicht so schnell an das Training gewöhnt.

Ein großer Vorteil war sicher meine Athletik. Als Strongman braucht man athletische Fähigkeiten.

Bevor ich mit dem Kraftsport anfing, habe ich Fußball und Basketball gespielt sowie Kugelstoßen und Diskuswerfen trainiert.

Dadurch hatte ich viel Ausdauer, eine enorme Schnellkraft und insgesamt eine sehr gute Athletik und Beweglichkeit.

Mit 120 Kilogramm Körpergewicht bin ich die 100 Meter in 11 Sekunden gelaufen. Diese Fähigkeiten haben vielleicht den Unterschied gemacht.

fM: Welche Übung darf für Sie in keinem Trainingsplan fehlen?

Magnús Ver Magnússon: Die klassischen Übungen aus dem Powerlifting trainiere ich eigentlich immer und ergänze sie mit anderen Übungen.

Zu meiner aktiven Zeit war die Kniebeuge meine Lieblingsübung. Bei den 'World’s Strongest Man' 1995 habe ich mit 437,5 Kilogramm meine Bestleistung erreicht.

fM: Welchen Rat geben Sie jungen Kraftsportlern – sowohl mit Behinderung als auch ohne –, die eine Karriere als Strongman-Athlet anstreben?

Magnús Ver Magnússon: Trainiert hart und macht viele Sätze, aber seid smart beim Training und übertreibt es nicht. Trainiert nicht bis zum vollständigen Muskelversagen.

Viele Kraftsportler trainieren fünf Sätze mit fünf Wiederholungen, wobei sie erst in den letzten beiden Sätzen an ihre Grenze kommen. Das heißt, dass die ersten drei Sätze eigentlich zu leicht waren.

Mein Tipp ist: Geht für nur zwei Sätze mit dem Gewicht noch etwas höher und für die restlichen drei Sätze mit dem Gewicht leicht runter und macht mehr Wiederholungen.

Dadurch wird der Körper nicht so müde, die Muskeln nicht so sauer und man regeneriert deutlich schneller. Wenn man das Gym verlässt, sollte man wissen, dass noch ein oder zwei Prozent mehr möglich gewesen wären. 

Geht im Training nicht an das absolute Maximum. Macht die Übungen dafür mit mehr Dynamik und mehr Wiederholungen.

Im Wettkampf zahlt sich das aus, weil man mehr zuzusetzen hat. Das etwas höhere Wettkampfgewicht merkt ihr aufgrund des Adrenalins gar nicht.

fM: Könnten traditionelle Fitnessstudios auch Strongmanbezogene Trainingsformen in ihr Angebot integrieren? Welche Voraussetzungen wären aus Ihrer Sicht für den Erfolg einer solchen Kombination ausschlaggebend?

Magnús Ver Magnússon: Seit meiner aktiven Wettkampfzeit in den 1990er Jahren hat es bei den Trainingsformen eine enorme Entwicklung gegeben. Für mich war Strongman-Training so etwas wie die Basis für die Entwicklung von CrossFit. CrossFit ist Strongman-Training, das jeder machen kann. Ich finde diese Entwicklung großartig. In vielen Studios auf der ganzen Welt gibt es heute Equipment für funktionelles Training, CrossFit und Strongman, manchmal sogar Atlas Stones. Viele Menschen lieben es, so zu trainieren, man muss ihnen nur die Gelegenheit und die Geräte geben.

fM: Vielen Dank für das Interview!

„Seid smart beim Training!“

Der Isländer Magnús Ver Magnússon (Jahrgang 1963) ist einer der erfolgreichsten Athleten in der Geschichte der Strongman-Wettbewerbe. Zwischen 1991 und 1996 errang er vier Mal den Titel als 'World‘s Strongest Man'.
Er war unter anderem Europameister im Kraftdreikampf und gewann in seiner Karriere eine Vielzahl weiterer Titel. 2004 war er zuletzt 'Iceland's Strongest Man'.
Nach seiner aktiven Zeit fungiert er nun weltweit als Kampfrichter bei Strongman-Competitions und als Veranstalter der Eventreihe 'World‘s Strongest Man'.

Serie 'Muskeln, Kraft und Trainingsform'

Die anderen beiden Serienartikel der dreiteiligen Reihe 'Muskeln, Kraft und Trainingsform – Der beste Weg zum Maximum' können Sie hier noch einmal lesen:

Teil 1 über CrossFitter Joshua Wichtrup: 'Der fitteste Deutsche'.
Teil 2 über den litauischen Strongman Žydrūnas Savickas: 'Stark, stärker, Big Z'.

Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 02/2020 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.

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