Fitness | Autor/in: Patrick Berndt |

Den Muskelaufbau optimieren: Hypertrophieauslösende Faktoren im Krafttraining

Mehr Muskeln als Vorsatz? Trainierende und Trainer in der Fitness- und Gesundheitsbranche sehen sich häufig mit dem Thema Muskelaufbau konfrontiert, unabhängig davon, ob damit ästhetische, gesundheitliche oder sportliche Ziele verfolgt werden. Dabei sind die physiologischen Voraussetzungen, die ein Krafttraining zur Auslösung von Hypertrophie erfüllen muss, nur wenigen bekannt. Dieser Artikel der Serie 'Angewandte Trainingswissenschaft' klärt über die essenziellen Faktoren zur Optimierung des Muskelaufbautrainings auf.

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Fitnesstraining zur Erreichung der persönlichen optisch-ästhetischen Ideale ist seit jeher einer der meistgenannten Gründe für den Besuch von Fitness- und Gesundheitsstudios (Statista, 2016).

In diesem Kontext erfreuen sich insbesondere Trainingsmethoden zum Aufbau von Muskelmasse besonderer Beliebtheit.

Es gibt nicht 'die eine' Methode

Hypertrophietraining wird jedoch nicht nur im Leistungssport, sondern auch im Breitensport häufig praktiziert, weshalb die Anzahl an Meinungen zur „optimalen Trainingsmethode für Muskelaufbau“ stetig steigt.

Aktuelle Studien liefern Hinweise, dass es keine bestimmte Trainingsmethode gibt, die als die wirksamste Methode gilt, sondern dass vielmehr ein breites Spektrum an Möglichkeiten existiert, um Hypertrophie auszulösen (Morton et al., 2016; Schoenfeld, Grgic, Ogborn & Krieger, 2017).


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Der physiologische Hintergrund der Volumenzunahme eines Muskels liegt in der intramuskulären Vermehrung kontraktiler (Sarkomere) und nicht-kontraktiler Proteine sowie der damit einhergehenden Steigerung des Plasmavolumens der Muskelzelle.

Die gesteigerte Neubildung von Muskelprotein (Muskelproteinsynthese) ist eine Reaktion des menschlichen Körpers auf bestimmte physiologische Faktoren, die infolge eines beanspruchenden Krafttrainings auf den Muskel einwirken.

Leistungssteigerung durch Belastung

Durch den Aufbau von neuem Muskelgewebe sollen die krafterzeugenden Strukturen des Körpers widerstands- bzw. leistungsfähiger werden. Dadurch kann die im Training erlebte Belastung bei erneuter Durchführung besser bewältigt werden, ohne dabei Schaden zu nehmen.

Die erwähnten hypertrophieauslösenden Faktoren sind mittlerweile größtenteils bekannt und wissenschaftlich belegt (z. B. Schoenfeld, 2010).

Hypertrophieauslösende Faktoren

Die Bedeutung dieser hypertrophieauslösenden Faktoren für die trainingspraktische Anwendung liegt in der Tatsache begründet, dass die menschliche Muskulatur weder in der Lage ist, Wiederholungen zu zählen, noch die Gewichtsangabe auf den Hantelscheiben abzulesen.

Demzufolge sind Kenntnisse darüber, welche Faktoren tatsächlich eine steigernde Wirkung auf die Muskelproteinsynthese haben, als absolute Grundlage anzusehen, um dem Trainingsprinzip der variierenden Belastung gerecht zu werden und langfristiges Muskelwachstum zu ermöglichen.

Drei zentrale Mediatoren

So wurden folgende drei Faktoren von Schoenfeld (2010) als zentrale Mediatoren für krafttrainingsinduzierte Muskelhypertrophie theoretisiert:

  • mechanische Spannung
  • metabolischer Stress
  • muskuläre (Mikro-)Traumata

Entsprechend der aktuellen Studienlage muss der tatsächliche Einfluss dieser Faktoren bzw. der bis dato angenommene Wirkmechanismus und die daraus resultierende Praxisrelevanz jedoch kritisch hinterfragt werden.

So wurde die Theorie über die Bedeutung der akuten Mikrotraumatisierung des Muskelgewebes, die Schoenfeld in seinem Paper aus dem Jahr 2010 annahm, bereits zwei Jahre später von ihm selbst (Schoenfeld, 2012) durch ausgiebige Literaturrecherche widerlegt.

Mikrotraumatisierung – keine Voraussetzung fürs Wachstum

Die These, dass der Einfluss der Mikrotraumatisierung auf die Muskelproteinsynthese nicht von Relevanz ist, wird ebenfalls von neueren Untersuchungsergebnissen (Damas, Libardi & Ugrinowitsch, 2018) gestützt.

Dementsprechend sollte die Erzeugung von Mikrotraumatisierung durch Krafttraining nicht mehr länger als Voraussetzung für Muskelwachstum angesehen werden, sondern allenfalls als geduldeter 'Kollateralschaden'.

Bei weit fortgeschrittenen Athleten muss die Traumatisierung möglicherweise bewusst in Kauf genommen werden, da die Trainingsbelastungen, die die Traumatisierung erzeugen, gleichzeitig notwendig sind, um weitere trainingswirksame Reize erzeugen zu können.


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Für alle anderen Personen muss die Entstehung von übermäßigen Mikrotraumatisierungen sogar als kontraproduktiv für das Muskelwachstum angesehen werden.

Da Muskelschädigungen die benötigte Regenerationsdauer verlängern und somit die mögliche Belastungsfrequenz limitieren, ist mit suboptimalen Muskelzuwächsen zu rechnen (Schoenfeld, Ogborn & Krieger, 2016).

Allerdings gelingt die Erzeugung hoher mechanischer Spannungen selten gänzlich ohne Mikrotraumatisierung, weshalb das Ausmaß der Schädigung über eine adressatenspezifische Limitierung des Belastungsvolumens sowie des Ausbelastungsgrades (Nähe zum Muskelversagen) gesteuert werden sollte.

Stress beeinflusst das Muskelwachstum

Darüber hinaus wird aktuell die sogenannte 'metabolic stress hypothesis' kritisch hinterfragt, die den direkten Einfluss der Akkumulation von Metaboliten (Anhäufung von Stoffwechselneben- und -endprodukten) auf die Steigerung der Muskelproteinsynthese postuliert.

Eindeutig ist jedoch, dass metabolischer Stress einen indirekten Einfluss auf das Muskelwachstum hat, da die periphere Ermüdung die Muskelfaserrekrutierung und somit die induzierte mechanische Spannung beeinflusst (de Freitas, Gerosa-Neto, Zanchi, Lira & Rossi, 2017; Schoenfeld et al., 2017). (Mehr erfahren: 'Kraft & und Ausdauer richtig kombinieren')

Im Kontext der eingangs dargestellten hypertrophieauslösenden Faktoren, verbleibt demnach einzig die mechanische Spannung, deren Stellung als einflussreichster Mediator für trainingsinduzierte Muskelhypertrophie weiterhin unbestritten bleibt (Burkholder, 2007; Schoenfeld et al., 2017).

Steuerung der mechanischen Spannung

Zur Maximierung der Muskelproteinsynthese muss eine möglichst hohe mechanische Spannung auf alle Muskelfasern eines Muskels einwirken.

Demnach ist das Ziel im Hypertrophietraining einerseits eine möglichst maximale Faserrekrutierung zu erreichen und andererseits die mechanische Spannung zu maximieren.

Die mechanische Spannung wird dabei nicht allein über die Höhe der Last gesteuert, sondern in hohem Maß auch von der Bewegungsgeschwindigkeit (Lin, 2003; Lin, 2009).

Schneller ist nicht gleich besser

Dies begründet sich darauf, dass die Anzahl an möglichen Querbrückenbindungen, also aktiven Aktin-Myosin-Verbindungen zur Krafterzeugung in den Sarkomeren, von der Kontraktionsgeschwindgkeit abhängig ist.

Je schneller man sich bewegt, desto weniger Querbrückenbindungen können gleichzeitig gebildet werden und dementsprechend geringer ist die dabei erzeugte Kraft.

Schnellere Bewegung erzeugt weniger Spannung

Aufgrund dieses Phänomens ist die mechanische Spannung, die auf die einzelnen Muskelfasern einwirkt, bei schnellen Kontraktionen geringer als bei Bewegungen mit moderater Geschwindigkeit.

Auch die Faserrekrutierung ist nicht ausschließlich von der Höhe der bewegten Last abhängig. Das Hennemann’sche Größenordnungsprinzip beschreibt, dass die großen motorischen Einheiten mit höherem FT-Faseranteil primär bei hohen, und kleine motorische Einheiten mit höherem ST-Faseranteil eher bei niedrigeren Beanspruchungen (Last & Geschwindigkeit) rekrutiert werden (Henneman, 1957; De Marées, 2003, S. 183).

Gewicht ist nicht ausschlaggebend

Allerdings werden bei fortschreitender peripherer Ermüdung (z. B. Metabolitenakkumulation) die Erregungsschwellen der großen motorischen Einheiten herabgesetzt, wodurch bei ausreichender Annäherung an die muskuläre Ausbelastung (engl. „proximity to failure“; Nóbrega & Libardi, 2016) auch mit niedrigeren Lasten eine vollständige Faserrekrutierung erzeugt werden kann (Contessa, De Luca & Kline, 2016).

Die Trainingslasten müssen im Hypertrophietraining demnach lediglich hoch genug sein (> 30 % 1-RM), um durch primär anaerob-laktaziden Stoffwechsel und die damit verbundene Akkumulation von Metaboliten (z. B. H+-Ionen) eine periphere Ermüdung auslösen zu können.

Ermüdung ist das Stichwort

Daraus kann geschlussfolgert werden, dass eine krafttrainingsinduzierte Steigerung der Muskelproteinsynthese durch ein breites Spektrum an Wiederholungszahlen (ca. 3–30-RM) möglich ist, sofern man in jedem Satz zumindest in die Nähe des Muskelversagens (= maximale periphere Ermüdung) kommt.

Dies konnte bereits im Jahr 2017 durch eine groß angelegte Metaanalyse von Schoenfeld, Grgic, Ogborn und Krieger wissenschaftlich belegt werden.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Bedeutung der Muskeltraumatisierung für das krafttrainingsinduzierte Muskelwachstum deutlich geringer ist als bisher angenommen und aufgrund des erhöhten Regenerationsbedarfs sogar negative Effekte auf die Belastungsfrequenz haben kann.

Für die Praxis gilt, dass im Krafttraining eine Steigerung der Muskelhypertrophie weitestgehend unabhängig von der verwendeten Last ausgelöst werden kann, sofern folgende Kriterien erfüllt werden:

  • Die Bewegungen sollten möglichst kontrolliert und in moderatem Tempo ausgeführt werden
  • Die Bewegung muss bis zu einem ausreichenden Erschöpfungsgrad der Muskulatur ausgeführt werden
  • Die bei der Bewegung verwendeten Lasten sollten höher als 30 % 1-RM sein

Regelmäßigkeit und Steigerung sind die Schlüssel

Es existiert ein breites Spektrum an Wiederholungszahlen und Intensitäten, das sich zum Auslösen von Muskelwachstum eignet. Für langfristig optimale Ergebnisse sollte auf eine Belastungsprogression sowie eine Trainingsperiodisierung geachtet werden.

Trainierende, deren Ziel der Muskelaufbau ist, sollten sich daher an qualifizierte Trainer wenden, um einen Trainingsplan zu erhalten, der sich durch ein breites Spektrum an systematisch variierenden Wiederholungsbereichen (Periodisierung) sowie eine progressive Belastungsgestaltung auszeichnet.

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Über den Autor

Sportwissenschaftler Patrick Berndt ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent im Fachbereich Trainings- und Bewegungswissenschaft an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) sowie BSA-Akademie tätig.

Durch seinen Einsatz als Athletik- und Personal Trainer in den Bereichen des Individual- und Mannschaftssports sowie als trainingswissenschaftlicher Berater verfügt er über umfassende Praxiserfahrung und Fachkompetenz.


Auszug aus der Literaturliste

Contessa, P., Luca, C. J. de & Kline, J. C. (2016).The compensatory interaction between motor unit firing behavior and muscle force during fatigue. Journal of Neurophysiology, 116 (4), 1579–1585.
Schoenfeld, B. J. (2010).The mechanisms of muscle hypertrophy and their application to resistance training. Journal of Strength and Conditioning Research, 24 (10), 2857–2872.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

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