Interview mit Phillip Mills über die Zukunft der Branche: „Wir müssen von Boutique-Konzepten lernen“
LES MILLS Executive Director Phillip Mills sprach mit fitness MANAGEMENT international über die Perspektiven der internationalen Fitnessbranche und die nächste Generation von Fitnessclubmitgliedern. Im exklusiven Interview erläutert er seine Einschätzung zu den Zielgruppen der Zukunft und zeigt, wie Studiobetreiber:innen diese optimal ansprechen können. Boutique-Konzepte nehmen dabei eine Schlüsselrolle ein. Phillip Mills erklärt, was der Markt von ihnen lernen kann.
Phillip Mills, Jahrgang 1955, ist Executive Director von LES MILLS International. Der ehemalige Weltklasseleichtathlet (u.a. Sechster bei den Commonwealth Games 1978 in Edmonton über 110 m Hürden und Achter über 400 m Hürden und Neuseeländischer Meister (1980) über 110 m Hürden) entwickelte in den 1980er-Jahren gemeinsam mit seinem Vater LES MILLS Gruppenfitness-Programme für Fitnessstudios. fM Geschäftsführer Janosch Marx traf Phillip Mills auf der FIBO 2022 in Köln.
fM: Die Fitness- und Gesundheitsbranche muss sich mit einer neuen, jungen Generation von Studiomitgliedern auseinandersetzen. Wie nehmen Sie diese Zielgruppe wahr?
Phillip Mills: Wir müssen uns ansehen, was die Menschen im Moment wirklich wollen – dadurch erlangen wir eine Reihe wichtiger Erkenntnisse. Eine davon ist, was der Markt momentan eigentlich braucht. Unser Markt besteht aktuell zu mehr als 80 Prozent aus Millennials und der Generation Z. Die Millennials sind Jahrgang 1980 bis 1999, also zwischen 20 und 40 Jahre alt. Sie sind das, was wir früher als junge Menschen bezeichnet haben – das ist heute anders.
Millennials mögen Boutique-Fitness. In den USA nutzen 50 Prozent der Millennials Boutique-Konzepte als Teil ihres Trainingsprogramms. Vielleicht sind sie parallel auch Mitglied in einem traditionellen Studio oder einem Mehrzweckclub, aber 50 Prozent nutzen Boutique-Fitness als Teil ihrer Trainingsroutine und bezahlen dafür viel Geld. Sie geben für einen einzigen Kurs so viel aus wie die meisten Menschen für eine ganze Monatsmitgliedschaft.
Wie können Studiobetreiber:innen ein Boutique-Fitnesskonzept etablieren und so höhere Einnahmen pro Mitglied erzielen?
Wir spüren, wie sehr bestimmte Zielgruppen das Angebot von Boutique-Konzepten schätzen. Boutique-Studios bauen wirklich Kernmarken auf. Studios müssen eine coole Marke verkörpern, damit sie für diese Zielgruppe attraktiv sind. FOMO (=Fear of missing out) ist eine zielführende Strategie, um Millennials zu erreichen, wobei Marketing und soziale Medien eine wichtige Rolle spielen.
„Marketing und Social Media spielen eine wichtige Rolle.“
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Phillip Mills, Executive Director LES MILLS International
Dort werden Communities aufgebaut. Die Menschen mögen die Gemeinschaft – und das ist etwas, worin wir immer besser werden können. Sie brauchen coole Räume in coolen Umgebungen, in denen es sich gut anfühlt, dabei zu sein.
Man muss auch über „Instagram Momente“ nachdenken. Es gibt den Leuten ein gutes Gefühl, wenn sie ein Selfie machen, es posten und sehen, wie ihre Freund:innen und Follower:innen darauf reagieren.
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Wenn Sie es schaffen, dass Ihr Club Teil dieser guten Stimmung wird, z. B. wenn die Selfies in Ihrem Club oder mit Ihrem Trainer gemacht werden, sind die Mitglieder glücklich – und gleichzeitig hilft es Ihnen, Ihre Marke zu stärken.
Die guten Boutique-Clubs haben wirklich tolle Trainer:innen und großartige Workouts, das sind die entscheidenden Faktoren. Man braucht ein großartiges Trainingsprogramm. Das sollten die traditionellen Clubs verstärkt anbieten.
Was können traditionelle Clubs von den Boutique-Clubs lernen?
Wir müssen Boutique-Konzepte in die Clubs bringen. Viele Clubs in den USA tun das aktuell. Alle niedrigpreisigen Clubs haben mit Krafttraining angefangen, dann Gruppentraining ergänzt und bieten ihren Mitgliedern jetzt Boutique-Konzepte als zusätzliche Option an. Man kann also im Monat 15 Dollar für Kraftsport, 30 Dollar für Kraftsport und Kurse oder 45 Dollar für das Boutique-Training bezahlen.
„Die Leute standen Schlange und zahlten drei Dollar, um mitzumachen – damals war das eine Menge Geld.“
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Phillip Mills, Executive Director LES MILLS International
Ich habe schon 1980 Boutique-Studios in Neuseeland und Australien betrieben. Meine Frau Jackie und ich eröffneten reine Aerobic-Studios. Damals gab es einen unglaublichen Aerobic-Boom. Die Leute standen die Straße hinauf Schlange und zahlten drei Dollar, um mitzumachen – damals war das eine Menge Geld.
Wir bezahlten den Instruktor:innen zwischen 50 Cent und einem Dollar für jede Person, die teilnahm. Die Instruktor:innen bekamen also viel Geld und wir hatten dementsprechend großartige Sportler:innen und richtig gute „Entertainer:innen“, die unsere Kurse unterrichteten. Wir beschäftigten unglaubliche Instruktor:innen – und genau das passiert jetzt bei den Boutique-Konzepten: Dafür bezahlen die Mitglieder viel mehr Geld.
„Ich empfehle: Holt Boutique in eure Clubs.“
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Phillip Mills, Executive Director LES MILLS International
Es geht aber nicht nur ums Geld. Man muss erst einmal lernen, wie man Menschen anspricht, sie motiviert und begeistert. Vieles davon vermitteln wir im Grupppenfitnessmanagement Training, das ich wirklich allen Clubbesitzer:innen empfehle.
Wir haben den Lehrplan für das Gruppenfitnessmanagement Training überarbeitet und vermitteln hier die wichtigsten Erkenntnisse darüber, wie der Markt in Zukunft aussehen wird. Die Antwort lautet: Millennials. Die jungen Leute, die heute in die Clubs kommen, und auch viele ältere Menschen wie ich selbst lieben Boutique-Konzepte. Ich empfehle: Holt Boutique in eure Clubs.
Haben Sie ein paar Beispiele?
Sehen wir uns die besten Clubs der Welt an, wie z. B. den Midtown Athletic Club in Chicago. Das ist wahrscheinlich der profitabelste Club der Welt mit 16.000 Mitgliedern, von denen ein einzelnes Mitglied 240 Dollar pro Monat bezahlt.
Er hat sich unglaublich schnell erholt und ist wieder auf dem Rentabilitätsniveau von vor COVID. Und das, obwohl Chicago einen sehr strikten Lockdown hatte. Midtown Chicago hat fünf unglaubliche Boutique-Konzepte im Club. Wir müssen also von ihnen lernen, wie man es macht.
„Boutique-Konzepte sind unglaublich erfolgreich.“
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Phillip Mills, Executive Director LES MILLS International
In unserem Flaggschiffclub in Auckland haben wir kurz vor COVID drei Boutique-Konzepte in den ehemaligen 1.000 Quadratmeter großen CrossFit®-Räumen eingerichtet. Eines ist eine Art funktionelles Training, das zweite ist eine Box- und Laufschule und das dritte ein großes Cycling-Studio mit 100 Bikes und einem 20 Meter großen Screen für THE TRIP® und andere Kurse.
Wir haben uns in diesem Raum innerhalb von drei Monaten von 500 Besucher:innen pro Woche für CrossFit® auf 5.000 Besucher:innen pro Woche für Boutique gesteigert. Die Boutique-Konzepte sind also unglaublich erfolgreich. Jetzt sind wir gerade dabei, diese Konzepte in allen unseren anderen Clubs in Neuseeland einzuführen.
Sie können allerdings nicht einfach einen Raum einrichten und ihn Boutique nennen. Man muss alles tun, was die guten Boutique-Anbieter:innen tun und von ihnen lernen. Dabei ist Gruppenfitness einer der Schlüsselfaktoren, die man berücksichtigen sollte.
Haben Sie diese Entwicklung erwartet, als Sie die Aerobic-Welle in Kalifornien erlebten und diese Trainingsform 1980 nach Neuseeland brachten? Wie verlief Ihre Reise von damals bis heute?
Ich blicke mit Liebe und Dankbarkeit auf diese Reise zurück. Ich bin in der Fitnessbranche groß geworden. Meine Eltern eröffneten 1968 ihren ersten Club und alle Menschen, die sie beschäftigten, waren Athlet:innen und Trainer:innen, kamen aus der Leichtathletik, vom Gewichtheben oder dem Kampfsport.
Es waren Menschen mit einer echten Leidenschaft für Fitness. Das hat mich damals sehr inspiriert und tut es bis heute. Die Branche ist seither allmählich gewachsen und wird noch weiterwachsen. Es gibt dafür viele Gründe: Wichtige soziale und soziologische Faktoren werden das Wachstum der Fitnessbranche weiter vorantreiben.
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Unsere Untersuchungen zeigen, dass heute etwa 33 Prozent der Erwachsenen in ein Fitnessstudio oder einen Club gehen. Ich denke, dass diese Zahl weiter steigen und irgendwann bei über 50 Prozent liegen wird. Ich glaube, dass unsere Branche eine riesige Zukunft vor sich hat, wir müssen einfach weiter innovativ sein und immer besser werden.
Wenn ich auf die vergangenen Jahre zurückschaue, sehe ich, wie wir uns weiterentwickelt haben. Ich glaube, wir sind zur einen Hälfte eine Motivations- und zur anderen Hälfte eine Fitnessbranche. Die Leute würden zu Hause trainieren, wenn sie nur trainieren wollten.
„Wir sollten zu einem motivierenden Ort werden, an dem sich die Menschen gern aufhalten.“
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Phillip Mills, Executive Director LES MILLS International
Sie kommen aber zu uns, um zum Training motiviert zu werden. Im Laufe der Jahre sind wir darin immer besser geworden. Der Schlüssel zum Erfolg in der Zukunft liegt darin, die Menschen in unseren Clubs zu allen möglichen Leistungen motivieren zu können.
Es ist die Gemeinschaft, es sind die Menschen, insbesondere einige der Instruktor:innen, es ist die Musik, die Qualität der Trainingseinheiten und die Faszination dafür.
Wir sollten also weiter darüber nachdenken, wie wir mehr und mehr zu einem motivierenden Ort werden können, an dem sich die Menschen gern aufhalten.
Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 04/2022 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.
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