Fitness, Gesundheit | Autor/in: Dr. Patrick Berndt |

Krafttraining zur Verbesserung der Sprint- und Sprungleistung

Sprint- und Sprungleistungen sind in vielen Disziplinen des Individual- und Mannschaftssports leistungsdeterminierend. Nachfolgend wird dargestellt, welche Faktoren die Sprint- und Sprungleistung beeinflussen und wie diese durch spezifische Inhalte und Methoden des Krafttrainings verbessert werden können.

Schnelligkeit ist in allen Sportarten mit schnellen zyklischen und azyklischen Bewegungen (z. B. Fußball, Basketball, Volleyball, Handball, Leichtathletik) von großer Bedeutung. Auch im Alltag kann eine ausreichend ausgeprägte Schnelligkeit einen Schutzfaktor darstellen (z. B. korrektes Abfangen oder Ausgleichen bei Stürzen), jedoch ist die Bedeutung dieser motorischen Fähigkeit im Rahmen des leistungsorientierten Sports und dem dazugehörigen Training ungleich größer.


Sowohl bei Sprungleistungen als auch bei Sprintleistungen können die folgenden Faktoren als primär leistungslimitierende Komponenten angesehen werden (Hottenrott, Hoos, Stoll & Blazek, 2022, S. 605–606; Killing, 2008, S. 19–23):

  • die Maximal- und Schnellkraft der Streckschlingenmuskulatur der unteren Extremitäten
  • die Stiffness der involvierten tendinomuskulären Systeme und die damit verbundene Reaktivkraft
  • die Sprint- und Sprungtechnik 

Hierzu ist allerdings anzumerken, dass diesen primär einflussnehmenden Faktoren andere Basiskompetenzen vorgeschaltet sind, von denen die Leistungsfähigkeit in den genannten Aspekten abhängig ist. So ist die Schnellkraft beispielsweise übergeordnet von der Maximalkraft (Fmax) abhängig (vgl. Abb. 1).

Einfluss der Schnellkraft

Die Schnellkraft besitzt im Kontext von Sprint- und Sprungleistungen einen besonderen Stellenwert, da es für die Bewegungsschnelligkeit, also die Fähigkeit, sich schnell zu bewegen oder zu beschleunigen, essenziell notwendig ist, möglichst schnell Kraft bilden zu können. Somit stellt die Schnellkraft die Fähigkeit des neuromuskulären Systems dar, einen möglichst hohen Kraftimpuls in der zur Verfügung stehenden Zeit produzieren zu können (vgl. Abb. 1).

Eine Schnellkraftanforderung liegt folglich dann vor, wenn innerhalb eines minimalen Zeitfensters möglichst viel Kraft aufgebracht werden muss, wie beispielsweise zur Beschleunigung des eigenen Körpers bei Sprint- und Sprungleistungen. Eine ausreichende Schnellkraft ist daher unverzichtbar dafür, dass sich der Körper, ein Gegenstand oder der Gegner überhaupt schnell bewegen kann.  

Bei genauerer Betrachtung von Schnellkraftleistungen müssen einige Leistungsaspekte differenziert werden. Beispielsweise kennzeichnet die Startkraft die Fähigkeit des neuromuskulären Systems, von Beginn der Muskelkontraktion an einen möglichst großen Kraftanstieg zu entwickeln.

Die Explosivkraft kennzeichnet hingegen die Fähigkeit des neuromuskulären Systems, einen bereits begonnenen Kraftanstieg (Startkraft) maximal weiterzuentwickeln. Die Startkraft spielt eine große Rolle bei schnellstmöglich ausgeführten Bewegungen gegen geringe Widerstände. Dies gilt beispielsweise auch für Bewegungen mit sehr kurzen Bodenkontaktzeiten wie bei Laufbewegungen und wiederholten Sprüngen.

Mit zunehmendem Widerstand bzw. mit zunehmender Last (oder Massenträgheit) steigt der Einfluss der Explosivkraft. Bei hohen Widerständen und Beschleunigungsanforderungen, wie beispielsweise beim Sprintstart und bei der darauffolgenden Beschleunigungsphase oder vertikalen Sprüngen mit Ausholbewegungen, spielen die Explosivkraft sowie die Maximalkraft eine maßgebliche Rolle. 

Maximal-, Explosiv- und Schnellkrafttraining

Das Ziel eines Maximal- bzw. Explosivkrafttrainings im Sinne einer Verbesserung der intramuskulären Koordination sollte darin bestehen, einen Belastungsreiz zu schaffen, der zur gleichzeitigen Rekrutierung möglichst aller motorischen Einheiten der beanspruchten Muskulatur führt. Deshalb sollten hierbei annähernd maximale Belastungsintensitäten gewählt werden, die möglichst explosiv überwunden werden sollten.

Somit werden im Training physiologische Bedingungen geschaffen, durch die die Rekrutierung, die Frequenzierung sowie die Synchronisation der motorischen Einheiten innerhalb der Zielmuskulatur maximiert wird. Da es durch diese Belastungen bei angepasster Ernährung in der Regel zu eher geringen Anpassungen der Muskelmasse kommt, erhöht sich durch eine Zunahme der Maximalkraftleistung die sogenannte Relativkraft (Fröhlich & Kemmler, 2020, S. 11).

Die Relativkraft beschreibt, wie viel Kraft maximal in Relation zum eigenen Körpergewicht erzeugt werden kann. Je größer die Relativkraft, desto mehr Kraftpotenzial steht folglich zur Beschleunigung des eigenen Körpergewichts zur Verfügung, was im Kontext von Sprint- und Sprungleistungen als vorteilhaft gilt.

Zur Steigerung der Maximal- und Explosivkraftleistung sowie zur daraus resultierenden Optimierung der Relativkraft sollten in der Trainingsplanung muskuläre Belastungen mit einer Intensität von 85 bis 100 Prozent des Einerwiederholungsmaximums (1-RM) bei ein bis fünf Wiederholungen und ausreichender Pausendauer berücksichtigt werden (Fröhlich & Kemmler, 2020, S. 12–13).


Über den Autor

Dr. Patrick Berndt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter, Dozent und Autor im Fachbereich Trainings- und Bewegungswissenschaft an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) sowie an der BSA-Akademie. Als Athletik- und Personal Trainer im leistungsorientierten Sport sowie als trainingswissenschaftlicher Berater verfügt er über umfassende Branchenkenntnisse, Praxiserfahrung und Fachkompetenz.

Mehr von diesem Autor

Weitere Fachartikel dieses Autors lesen Sie, indem Sie auf eines der nachstehenden Bilder klicken.


Die Effektivität von Krafttraining zur Verbesserung von Sprint- und Sprungleistungen gilt allgemein als bestätigt, wobei hier berücksichtigt werden sollte, dass zur Verbesserung der Trainingsökonomie und Verletzungsprophylaxe insbesondere bei sehr hohen Lasten sowie bei explosiver Bewegungsausführung auf hohe muskuläre Ausbelastungsgrade verzichtet werden sollte (Baena-Marín et al., 2022; Liao et al., 2021).

Sobald es die muskuläre Belastbarkeit sowie die technische Bewegungskompetenz im Krafttraining zulassen, sollte ergänzend zum Maximalkrafttraining auf die Verbesserung der Schnellkraft abgezielt werden, indem entsprechende Methoden des Schnellkrafttrainings angewendet werden. Allerdings haben wissenschaftliche Untersuchungen bereits gezeigt, dass die Kombination aus Maximalkrafttraining und plyometrischem Training einen ähnlichen Effekt wie ein Schnellkrafttraining mit Übungen aus dem olympischen Gewichtheben haben kann (Morris, Oliver, Pedley, Haff & Lloyd, 2022).

Aufgrund der technischen Anforderungen an die Bewegungsausführung im Schnellkrafttraining kann und sollte daher zunächst mit Trainingsmethoden zur Verbesserung der Maximal- und Reaktivkraft gearbeitet werden, bis die entsprechenden Voraussetzungen für ein Schnellkrafttraining gegeben sind.

Muskuläres Leistungspotenzial

Die Basis für die Erzeugung von hohen Maximalkraft- und Schnellkraftleistungen ist das Vorhandensein von ausreichend viel kontraktilem Gewebe, sprich Skelettmuskelmasse. Dementsprechend wird insbesondere bei Trainingsbeginnern einem Maximal- und Schnellkrafttraining häufig ein Hypertrophietraining vorgeschaltet, um das muskuläre Leistungspotenzial für schnelle Kraftentfaltungen zu vergrößern (Wirth & Schmidtbleicher, 2007).

Strategisches Muskelaufbautraining sollte im Kontext der sportartspezifischen Leistungssteigerung allerdings primär, wenn nicht sogar ausschließlich auf die für die jeweilige Sportart relevante Arbeitsmuskulatur abzielen. Zur Erhöhung des muskulären Leistungspotenzials bei Sprint- und Sprungleistungen sollte sich ein Hypertrophietraining hauptsächlich auf die Muskulatur der unteren Extremitäten und insbesondere auf die hüftstreckende Muskulatur fokussieren (Miller et al., 2021).

Hierbei sollte insbesondere bei jüngeren Athletinnen und Athleten darauf geachtet werden, dass eine adäquate muskuläre Belastbarkeit im Sinne eines ausreichenden Maßes an Muskelmasse und Maximalkraft hergestellt wird, bevor man sich innerhalb des Krafttrainings primär der Entwicklung der Explosiv- bzw. Schnellkraft widmet (Behm et al., 2017).

Bei Athletinnen und Athleten mit bereits gut ausgeprägter Muskulatur der unteren Extremitäten sollte der Fokus des Krafttrainings allerdings auf der Optimierung der neuromuskulären Leistungsdeterminanten liegen, da der Aufbau von übermäßig viel Muskelmasse ohne überproportionalen Anstieg der Maximal- und Schnellkraftleistung eine Verringerung der Relativkraft zur Folge hätte.

Reaktivkrafttraining für Sprint- und Sprungleistungen

Im Kontext der Sprint- und Sprungleistungen kommt neben der Maximal- und Schnellkraft vor allem der Reaktivkraft eine besondere Bedeutung zu. Reaktivkraft ist nach Hottenrott et al. (2022, S. 598) eine Muskelleistung, die innerhalb eines Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ) einen erhöhten Kraftstoß generiert.

Sie ist abhängig von der maximalen Kraftbildungsgeschwindigkeit und der reaktiven Spannungsfähigkeit (Stiffness) des tendinomuskulären Systems. Ein Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus stellt dabei die zeitlich unmittelbare Abfolge einer exzentrischen und einer konzentrischen Muskelarbeitsphase dar, was bei nahezu allen Sprint- und Sprungbelastungen stattfindet.


Verpassen Sie keine Fitness-NEWS mehr!
FOLGEN Sie uns bei WhatsApp, FacebookLinkedIn & Instagram


Während die Maximal- und Explosivkraft durch entsprechende Trainingsmethoden verbessert werden kann, wird eine Verbesserung der Stiffness durch ein sogenanntes plyometrisches Training erzielt (Grosset, Piscione, Lambertz & Pérot, 2009; Wu et al., 2010). Da die Effekte eines plyometrischen Trainings als gesichert gelten, ist der Stellenwert der Plyometrie im begleitenden Krafttraining von Sportarten mit hohen Anforderungen an die Sprung- und Sprintleistung entsprechend hoch (Morris et al., 2022).

Aufbauend auf den theoretischen Ausführungen zur Reaktivkraft kann das plyometrische Training weiter ausdifferenziert werden (Hottenrott et al., 2022, S. 598):

  • Besteht das Trainingsziel in einer Verbesserung des maximalen Kraftimpulses bei längeren Bodenkontaktzeiten (z. B. Absprung im Basketball oder Volleyball), so sollten primär plyometrische Übungen mit einem langen DVZ (> 200 ms; z. B. Counter Movement Jump) zum Einsatz kommen.
  • Besteht das Trainingsziel in einer Verbesserung von Leistungen mit hohen Abdruckkräften bei gleichzeitig möglichst kurzen Bodenreaktionszeiten (z. B. Stütz- und Abdruckphase im Sprint, Absprung beim Weitsprung), so sollten primär plyometrische Übungen mit einem kurzen DVZ (< 200 ms; z. B. Drop Jump) zum Einsatz kommen.

Fazit

Sprint- und Sprungleistungen werden aufgrund der aufgezeigten Zusammenhänge von verschiedenen Dimensionen der Kraft beeinflusst, weshalb das sportartbegleitende Krafttraining zur Leistungssteigerung bei Sprint- und Sprungbewegungen auch unterschiedliche Trainingsmethoden beinhalten sollte. Da spezifische Übungen und Trainingsmethoden zur Steigerung der Schnell- und Reaktivkraft im Bereich des fitness- und gesundheitsorientierten Krafttrainings eher selten Anwendung finden, sollten hierfür unbedingt qualifizierte Trainerinnen und Trainer konsultiert werden, die über die entsprechende Fachkompetenz und Erfahrung verfügen, um diese Trainingsinhalte sicher und effektiv planen und anleiten zu können.


Auszug aus der Literaturliste

Liao, K.-F., Wang, X.-X., Han, M.-Y., Li, L.-L., Nassis, G. P. & Li, Y.-M. (2021). Effects of velocity based training vs. traditional 1RM percentage-based training on improving strength, jump, linear sprint and change of direction speed performance: A Systematic review with meta-analysis. PloS one, 16 (11), 1–17. 

Miller, R., Balshaw, T. G., Massey, G. J., Maeo, S., Lanza, M. B., Johnston, M. et al. (2021). The Muscle Morphology of Elite Sprint Running. Medicine and Science in Sports and Exercise, 53 (4), 804–815. 

Morris, S. J., Oliver, J. L., Pedley, J. S., Haff, G. G. & Lloyd, R. S. (2022). Comparison of Weightlifting, Traditional Resistance Training and Plyometrics on Strength, Power and Speed: A Systematic Review with Meta-Analysis. Sports Medicine, 52 (7), 1533–1554. 

Diesen Artikel können Sie folgendermaßen zitieren:

Berndt, P. (2024). Krafttraining zur Verbesserung der Sprint- und Sprungleistung. fitness MANAGEMENT international, 3 (173), 116–119.

 

Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 03/2024 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.

Zum Abonnement
fMi 03/2024