Fitness, Gesundheit | Autor/in: Alisha Dittmer |

Charly Freninger im Interview: „Hanteltraining ist das 'Brot- und Buttergeschäft'“

Charly Freninger ist mit mehr als 40 Jahren Branchenerfahrung Experte für den Bereich Freihantel- und Kettlebelltraining. Im Expertentalk erklärt er, wie ein professioneller Freihantelbereich aussieht, worauf es bei der Trainingsplangestaltung ankommt und welche Rolle die Trainerinnen und Trainer dabei spielen.

Expertentalk mit Charly Freninger über erfolgreiches Freihantel- und Kettelbelltraining

fM: Für das Thema Freihantel- und Kettlebelltraining sind Sie seit vielen Jahren ein Experte. Wie haben Sie die Entwicklung dieser Trainingsform miterlebt?

Charly Freninger: Hanteltraining ist, um mal diesen alten Spruch zu zitieren, das 'Brot- und Buttergeschäft' für Fitnessstudios! Anfang der Neunzigerjahre gab es eine Zeit in Amerika, da haben viele Studios ihre Hanteln aus dem Trainingsbereich eliminiert.


Übersicht: 'Krafttraining mit der Langhantel'


Auch wir haben damals diskutiert, wie sinnvoll das vielleicht für unser Studio hier in Deutschland wäre. Als wir aber darüber sprachen, hat sich in Amerika das Rad schon wieder anders gedreht. Etwas Ähnliches gab es auch mit Kettlebells. Heutzutage ist das aber kaum noch denkbar.

Das Kuriose ist, dass die Gruppentrainingsindustrie Freihanteln zu dieser Zeit für sich entdeckt hat. Plötzlich wurde LES MILLS BODYPUMP® kultiviert. Man hat versucht, so Frauen an Hanteln heranzubringen.


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Die Idee war genial: Man hat einen Raum genommen, Hanteln reingelegt, hat das 'Baby' einfach anders genannt und die Damen sind reingestürzt und haben Kniebeugen, Bankdrücken, Langhantelrudern und was weiß ich was alles gemacht.

Heute ist Freihantel- und Kettlebelltraining in den meisten Studios fest etabliert. Welche Voraussetzungen müssen Studios aber erfüllen, um es auch erfolgreich anbieten zu können?

Die Räumlichkeiten sind in der Regel in den meisten Studios vorhanden. Ein entscheidender Faktor sind spezielle Bodenbeläge, die die meisten Anlagen aber standardmäßig verlegt haben.

Aber auch Spiegel gehören dazu, um Kontrollmöglichkeiten für die Übungsausführung und das Posing zu schaffen. Das Design sollte aber natürlich zur Philosophie des Studios und den Zielgruppen passen.

Beim Equipment gibt es inzwischen eine Vielzahl guter Hersteller. Da kommt es dann eher auf eine multifunktionale und breite Auswahl unterschiedlicher Geräte an: Power- und Halfracks, Hantelbänke und eine Range an Gewichten, damit alle meine Mitglieder – egal ob Anfänger oder trainingserfahren – trainieren können.

Wer den Platz hat, kann für besonders ambitionierte Mitglieder das Training mit Gewichtheberplattformen auf ein professionelleres Level bringen.

Viele Mitglieder haben trotz guter Voraussetzungen immer noch Angst vor freien Gewichten. Wie entscheidend ist hier der Faktor Mensch in Form von Trainerinnen und Trainern?

Die Ausbildung ist ein entscheidender Faktor. Eine B-Lizenz ist für jeden, der im Studio arbeitet, die Basis.

Setze ich aber in meinem Angebot auch einen Fokus auf freies Training, sollte auch eine Spezialisierung da sein: also mit der B-Lizenz beginnend über Freihantel- und Kettlebelltrainerlehrgänge hin zu spezifischen Lizenzen wie für den Leistungssport.

Alle 'klassischen' Trainerinnen und Trainer haben das Thema zwar in einer gewissen Form in ihrem Portofolio, aber Besonderheiten im Hinblick auf Equipment, Trainingsvariation etc. sind nicht immer Bestandteil aller Basisausbildungen.

Ganz entscheidend wird die Qualifikation dann im Athletiktraining. Das heißt, wenn es darum geht, mit Leistungs- oder Breitensportlern zu arbeiten, muss das entsprechende Wissen da sein und auch übermittelt werden, um die Übung anbieten zu können.

Hier sind also Hintergründe gefragt: Mache ich die Ausführung mit der Kettlebell oder mit der Kurzhantel? Welche Varianten gibt es? Warum soll mein Mitglied genau so trainieren?

Studien zeigen, dass der Motivator 'Gesundheit' aktuell sehr entscheidend ist. Wie hole ich Trainierende mit diesem Motiv ab und bringe ihnen Freihantel- und Kettlebelltraining näher?

Prinzipiell liegt es im ersten Moment immer an der Beratung, in der ich auf die positive Wirkung dieser Trainingsform aufmerksam machen kann. Zudem ist Vertrauen die Basis. Ich habe im Rehatraining sehr häufig Kettlebells eingesetzt. Hier ist dann die schon angesprochene Range bei den Gewichten entscheidend.


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Für ältere Leute nehme ich zu Anfang niedrige Gewichte und suche Übungen, die sie einfach ausführen können, so kriegen sie Vertrauen. Dazu brauche ich aber natürlich das Know-how und die Überzeugungskraft.

Freies Training gilt oft als eine Universallösung. Was halten Sie von der Vorstellung, dass es bei den Zielgruppen überhaupt keine Einschränkungen gibt und Studios versuchen sollten, immer alle Mitglieder gleichermaßen anzusprechen?

Freies Training ist für alle klassischen Trainingszielgruppen geeignet. Wir nutzen es aber noch zu wenig in der Beginnerebene und auch zu selten in der Weiterführung, um damit einen Zwischenschritt für die nächste Trainingsstufe zu erzeugen.

Wenn also ein Mitglied sagt: „Ich möchte meine Kraftleistung steigern“, würde ich raten, einen Monat lang nur mit der Kettlebell zu trainieren. Dadurch werden die Mitglieder spritziger und stabiler. Das schafft die Grundlage für das nächste Trainingslevel. (Auch interessant: 'Swings zu Beginn')


Über unseren Interviewpartner

Schon während seiner Pubertät entdeckte der passionierte Leichtathlet Charly Freninger seine Leidenschaft für Fitness und Bodybuilding. Nach einer Ausbildung zum Kaufmann in den Achtzigerjahren arbeitete der Österreicher in einem Fitnessstudio und nahm von 1986 bis 1988 auf nationaler Bühne an Amateurwettbewerben im Bodybuilding teil. Ab 1989 arbeitete er als Personal Trainer und war Teil des legendären Busek Sportcenters in München. Er absolvierte das Studium zum Diplom-Fitnessökonom (BA Saarland) und machte weitere Zusatzausbildungen. Parallel zu seiner Tätigkeit als Personal Trainer und Trainer in Kliniken, mit dem Fokus auf postoperatives Training, ist er seit 1995 als Dozent für die BSA-Akademie bzw. seit 2004 für die Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) tätig.


Aber Trainerinnen und Trainer müssen sich auch hinterfragen. Das Training ist für alle Mitglieder wichtig, aber sehr häufig wird bei derselben Übungsauswahl geblieben. Die Range der Trainingsvariation, die wir haben, muss auch genutzt werden.

Und da kommt auch wieder der Punkt mit der Ausbildung, den wir ja schon hatten. Durch die entsprechende Ausbildung müssen wir den Trainerinnen und Trainern ermöglichen, genau diese Variation an Übung anbieten zu können.

Wie können Studios die Vorteile vermarkten, um Bestandsmitglieder zu halten und Interessenten zu Mitgliedern zu machen?

Ich muss einfach immer die Lösung erklären. Also ich sage nicht: „Wir trainieren jetzt mal Hantel“, sondern wir trainieren in dem Fall aus bestimmten Gründen diese Übung mit dieser Hantel. Es muss die Begründung geliefert werden.

Habe ich beispielsweise ein Mitglied mit Schulterproblematik, erkläre ich, dass es hilfreich ist, diese Übung mit der Kettlebell auszuführen, da man hiermit die Sensomotorik trainiert und dadurch mehr Stabilität erzielt. Kann ich diese Erklärungen liefern, ist der Kunde bereit, das auch zu tun. Ich bin zuerst mal in der Pflicht, hier den Nutzen hervorzuheben.

Habe ich beispielsweise ein Mitglied mit Schulterproblematik, erkläre ich, dass es hilfreich ist, diese Übung mit der Kettlebell auszuführen, da man hiermit die Sensomotorik trainiert und dadurch mehr Stabilität erzielt. Kann ich diese Erklärungen liefern, ist der Kunde bereit, das auch zu tun. Ich bin zuerst mal in der Pflicht, hier den Nutzen hervorzuheben.

Wie sollten Studios diese Vorteile kommunizieren? Gibt es den perfekten Werbeslogan?

„Sie möchten so viele Muskeln wie möglich mit wenig Aufwand trainieren? Dann trainieren Sie mit Freihanteln oder Kettlebells.“ Das ist die entscheidende Aussage.

Viele Mitglieder setzen ein solches Trainingsangebot bereits mit ihrem Monatsbeitrag voraus. Wie kann ich das also als Zusatzangebot monetarisieren?

Ein Freihantelbereich allein ist Standard. Ich muss also weiterdenken, z. B. mit Gruppentraining. Ich kann Angebote mit unterschiedlicher Dauer und in verschiedenen Varianten anbieten. Dann kann ich automatisch die Räumlichkeiten füllen, die sonst häufig über den Tag Leerstand haben. Und die Kurse können natürlich auch zielgruppengerichtet sein: Schulkinder, Athleten etc.


Weitere Hintergründe

Lesen Sie außerdem unseren Artikel '1.001 Freihantelübung' als Einstieg zum Interviews.

Indem Sie auf das entsprechende Bild oberhalb dieses Textes klicken, gelangen Sie direkt zum jeweiligen Artikel.


Auch Rehasport ist ein denkbares Beispiel. In den USA ist Kettlebelltraining in der Reha sogar dominierend. Die älteren Herrschaften kann man mit der Hantel in der Hand im Kreislaufen lassen, um das Tragen einer Einkaufstüte zu simulieren, oder Aufstehen vom bzw. Hinsetzen auf den Stuhl üben. Die Übungen haben in dem Fall logischerweise eine gewisse Übertragbarkeit in den Alltag.

Welchen Tipp können Sie angehenden Trainerinnen und Trainern oder Studiobetreibern geben, um das Konzept erfolgreich umzusetzen?

Die Wenigsten nutzen ihre Möglichkeiten, die sie dank bestehender Ressourcen wie dem Know-how des Trainerteams und dem Equipment haben. Insbesondere die Ausbildung ist hier entscheidend. Dadurch kann ich viel herausholen. Wenn ich keine Ausbildung habe, ist natürlich das Risiko groß, dass Mitglieder sich mit der Hantel überlasten. Außerdem muss ich die Trainerinnen und Trainer auch dazu animieren bzw. unterstützen, sich einzubringen. Das ist der Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg.

Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 01/2024 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.

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