Fitness | Autor/in: Jürgen Wolff |

Fitness und Athletik bei der Feuerwehr Hamburg

Körperliche Leistungsfähigkeit ist in vielen Berufszweigen wichtig für die Ausübung der Tätigkeiten – in manchen Berufszweigen ist Fitness darüber hinaus essenziell, weil es auch um Leben und Tod geht. Im 4. Teil unserer Artikelreihe 'Fitness mal anders' beschäftigen wir uns mit Fitness und Athletik bei der Feuerwehr Hamburg.

112 Prozent Fitness: Fitness und Athletik bei der Feuerwehr Hamburg

Wie stellt die Feuerwehr die Fitness ihrer Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmänner sicher? fitness MANAGEMENT hat dazu Claus Lochmann in einem Interview befragt, der seit 1991 den Fachbereich Sport und Gesundheit an der Feuerwehrakademie Hamburg leitet und für die körperliche Ausbildung der Nachwuchskräfte sowie die Gesunderhaltung aller Mitarbeiter zuständig ist.

fitness MANAGEMENT: Welchen Stellenwert haben körperliche Fitness und Athletik für die Mitarbeiter der Feuerwehr Hamburg?
Claus Lochmann:
Die Tätigkeit in der Feuerwehr erfordert eine überdurchschnittliche körperliche Leistungsfähigkeit, die neben fachlichem Wissen und Können notwendige Voraussetzung zur sachgerechten Erfüllung der gesetzlich übertragenen Aufgaben ist.

Da die Anforderungen im Laufe des Berufslebens nicht weniger werden, ist jede Kollegin, jeder Kollege im Einsatzdienst aufgefordert, durch regelmäßiges Training diese Leistungsfähigkeit auch entgegen dem natürlichen Alterungsprozess zu erhalten.

Wie ist der Bereich Fitness und Athletik strukturell, zeitlich und auch in Bezug auf Zusatzangebote in die Ausbildung der Feuerwehrleute eingebunden?
Claus Lochmann:
Für den Einstieg bei der Berufsfeuerwehr Hamburg gibt es unterschiedliche Wege. Nach abgeschlossener Lehre dauert die Weiterqualifikation 18 Monate mit feuerwehrtechnischer Ausbildung, Rettungssanitäterausbildung und Praktikumsphasen. Als Schulabgänger bietet sich der Einstieg über die Ausbildung zur Notfallsanitäterin bzw. zum Notfallsanitäter oder zur Berufsfeuerwehrfrau bzw. zum Berufsfeuerwehrmann mit handwerklicher Grundausbildung an. Beide Ausbildungen dauern drei Jahre.

In allen Ausbildungen ist Sport und Fitness wesentlicher Bestandteil. Jede Woche finden pro Lehrgang zwei bis drei Sporteinheiten statt, in denen Ausdauertraining in Parks, funktionelles Fitnesstraining in der Halle und eine Schwimm-, insbesondere eine Rettungsschwimmausbildung die Schwerpunkte sind. Aufgelockert wird das Training natürlich auch durch Sportspieleinheiten, die zusätzlich dem Teamgedanken bei der Feuerwehr Rechnung tragen.

In welchen Bereichen der körperlichen Fitness liegt im Verlauf der Ausbildung bei der Feuerwehr das Hauptaugenmerk?
Claus Lochmann:
Schwerpunkte in der Ausbildung sind Ausdauer, Kraft und Koordination, was sich auch in der Sportnote widerspiegelt, für die genau diese motorischen Fähigkeiten überprüft werden. Eine ausreichende körperliche Leistungsfähigkeit ist Voraussetzung für die Zulassung zur abschließenden Prüfung.

Gibt es in diesem Bereich so etwas wie „Hamburger Spezialitäten“ – etwa bedingt durch den Hafen oder die Infrastruktur einer Großstadt – oder sind die entsprechenden Ausbildungsinhalte bundesweit bei allen Feuerwehreinheiten gleich?
Claus Lochmann:
Grundsätzlich sind die Anforderungen an den Feuerwehrberuf überall gleich. Natürlich gibt es in Hamburg eher den Fall, dass ein Feuer auf einem Schiff bekämpft werden muss. Dies erfordert ein spezielles fachliches Wissen genauso wie Einsätze in Höhen (Bergung von Kränen) oder Tiefen. Zu den mit Abstand meisten Einsätzen bei allen Berufsfeuerwehren, die wie Hamburg für die Notfallrettung zuständig sind, gehören Rettungsdiensteinsätze an unterschiedlichsten Orten.

Die körperliche Fitness ist bei allen Einsätzen Grundvoraussetzung, um adäquat handeln zu können.

Zum Beispiel ist ein Rettungsdiensteinsatz im vierten Obergeschoss ohne Fahrstuhl mit mehreren Rucksäcken und weiteren medizinischen Geräten ohne ausreichende Ausdauerleistungsfähigkeit undenkbar, wenn anschließend der Patient beruhigend angesprochen und fachgerecht versorgt werden soll.

Gab es in Bezug auf den Stellenwert der körperlichen Fitness und auch in Bezug auf die Ausbildungsinhalte in den vergangenen Jahren wesentliche Veränderungen?
Claus Lochmann:
Auch wenn die Leistungsfähigkeit der Durchschnittsbevölkerung gefühlt seit Jahren sinkt und gleichzeitig verstärkt Nachwuchskräfte für die Feuerwehr gesucht werden, musste die Bedeutung der körperlichen Fitness bei der Feuerwehr erhalten bleiben. Zwar unterstützt die technische Ausstattung der Feuerwehren, die ständig angepasst wird, die körperlichen Anforderungen, andererseits steigt die Zahl der Einsätze stetig.

Insofern hat es keine wesentlichen Änderungen bei den Inhalten und den Anforderungen in der Ausbildung gegeben, allerdings wurde die Methodik der modernen Entwicklung angepasst.

Mangelnde Fitness ist nicht nur ein Problem bei einer Berufsgruppe oder einer Institution. Kann die Feuerwehr überhaupt auffangen, was unsere Gesellschaft vorher über Jahre hinweg versäumt hat?
Claus Lochmann:
Die Feuerwehr ist tatsächlich nicht in der Lage, jeden Bewerber zum fitten Feuerwehrmann oder zur fitten Feuerwehrfrau auszubilden. Aus diesem Grund gibt es innerhalb des Bewerbungsverfahrens auch einen physischen Eignungstest, durch den ein Mindestniveau in den Bereichen Ausdauer, Kraft und Koordination sichergestellt wird.

Trotz Veröffentlichung des Tests mit Ablauf und geforderten Mindestleistungen schaffen viele Bewerberinnen und Bewerber den Test leider nicht. Ist diese Hürde allerdings genommen und die jungen Leute kommen in die Ausbildung, so ist das erfolgreiche Abschneiden bei regelmäßiger Teilnahme an der Sportausbildung nahezu garantiert.

Der Einsatz bei der Feuerwehr fordert ein breites Spektrum verschiedener Tätigkeiten. Ist es für Sie überhaupt möglich, die verschiedenen Einheiten und deren individuell unterschiedlichen Anforderungen an Fitness und Athletik auf einen Standard zu bringen? Wie begegnen Sie dieser Herausforderung in der Praxis?
Claus Lochmann:
So wie jeder Einsatz einzigartig und anders als der andere ist, so ist auch jede Kollegin, jeder Kollege anders als die oder der andere. Aber alle müssen in der Lage sein, die anfallenden Einsätze abzuarbeiten.

Dazu reicht in der Regel die spätestens in der Ausbildung erworbene Fitness. Allerdings muss diese im weiteren Verlauf des Berufslebens durch regelmäßiges Training erhalten werden. Dazu gibt es an jeder Wache Sporträume sowie meist kleine Außensportflächen.

Dort wird angeleitet durch ausgebildete Sportübungsleiter oder individuell in der Bereitschaftszeit trainiert. Zusätzlich ist jeder auch aufgefordert, sich in der Freizeit für seinen Beruf fit zu halten.

Regelmäßig findet eine Überprüfung der Diensttauglichkeit durch den arbeitsmedizinischen Dienst statt. Jährlich ist außerdem von jeder Kollegin/jedem Kollegen der sogenannte Ausdauerleistungsnachweis zu erbringen. Dieser beinhaltet die Ausdauerleistung des deutschen Feuerwehr-Fitness-Abzeichens (dFFA).

Für spezielle Einsätze gibt es Sondereinsatzgruppen, die ggf. zum Einsatzort gerufen werden. Dies sind zum Beispiel die Höhenretter und die Taucher. In beiden Gruppen findet ein tägliches spezifisches Training statt, das diese Gruppen aber selbstständig an ihren Standorten organisieren.

Gibt es bei der Feuerwehr spezielle Vorgaben oder Angebote, durch welche die Feuerwehrleute auch nach ihrer Ausbildung im aktiven Dienst im Bereich Fitness und Athletik unterstützt werden?
Claus Lochmann:
Ergänzend zur Antwort davor kann gesagt werden, dass das Ablegen des gesamten dFFA (enthält die Disziplingruppen Ausdauer, Kraft und Koordination) empfohlen wird. Dazu werden z.B. Trainingszeiten und Abnahmemöglichkeiten im Schwimmbad angeboten.

Die professionelle Fitness- und Gesundheitsbranche ist in den Bereichen Training, Prävention, Rehabilitation sehr gut aufgestellt und verfügt deutschlandweit über eine gewachsene Infrastruktur mit immer mehr zertifizierten Anbietern. Inwieweit können lokale Fitness- und Gesundheitsdienstleister die Feuerwehr mit ihrem professionellen Angebot unterstützen?
Claus Lochmann:
Es gibt Kooperationen mit Fitnessanbietern durch die Stadt Hamburg. Die Feuerwehr Hamburg prüft derzeit, inwieweit ein Trainingskonzept entwickelt werden kann, welches interessierte Menschen in der Umgebung eines Fitnessstudios gezielt auf den physischen Eignungstest der Feuerwehr vorbereitet. Ziel wäre es, dieses Konzept für Fitnessstudios und Sportvereine zur Aufnahme in ihr Portfolio bereitzustellen.

Fitness und Athletik haben immer auch eine mentale Komponente. Für Feuerwehrleute können die mentalen Belastungen bei Einsätzen extrem sein. In welchem Maß müssen Sie solche Aspekte bei der Ausbildung der Feuerwehrleute berücksichtigen?
Claus Lochmann:
Innerhalb der Ausbildung gibt es mehrere Ausbildungsmodule zum Thema Stress und Stressbewältigung sowie zum Thema Deeskalation. In der Ausbildung und in Fortbildungen wird immer wieder einsatznah trainiert, um bestimmte Abläufe zu automatisieren und sich dadurch im Einsatz auf das Neue, Unerwartete fokussieren zu können. Mentale Herausforderungen können auch reduziert werden, wenn die körperlichen Faktoren ausreichend ausgebildet sind. Dafür ist das lebenslange körperliche Training eines jeden Feuerwehrmannes bzw. einer jeden Feuerwehrfrau absolut notwendig.

Zur Person

Der Oberstudienrat mit den Fächern Mathematik und Sport, Claus Lochmann (60), ist seit 1989 an der Feuerwehrakademie Hamburg in der Ausbildung tätig. Den Fachbereich Sport und Gesundheit leitet er dort seit 1991.

Somit ist er zuständig für die körperliche Ausbildung der Nachwuchskräfte, die Gesunderhaltung aller Mitarbeiter und die Planung und Durchführung von Sportveranstaltungen. Auf nationaler Ebene ist er der Vertreter des Bundeslandes Hamburg im Gremium der Landessportreferenten und seit 2012 auch deren Sprecher.

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