Leichtathletik-WM startet in Doha – Athleten testen Hitze-Pille
Temperaturen von bis zu 40 Grad im Schatten und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit stellen besonders Ausdauersportler bei der Leichtathletik-WM im Wüstenstaat Katar vor große Herausforderungen. Eine kleine elektronische Pille mit integriertem Mikrochip soll rechtzeitig vor den Gefahren eines Hitzschlags und Dehydration warnen. Sportwissenschaftler testen die 'Wunder-Pille' in einem Pilotprojekt – lesen Sie hier mehr über die Hitze-Pille.
Die Leichtathletik WM in Doha (27. September bis 6. Oktober) wird nicht nur aus sportlicher, sondern auch besonders aus klima-technischer Sicht eine immense Herausforderung für alle Beteiligten werden.
Das heiß-schwüle Wüsten-Klima und die örtlichen Voraussetzungen werden Athleten wie Trainer gleichermaßen fordern, wie DLV-Bundestrainer Hans-Jörg Thomaskamp im Interview mit dem Deutschlandfunk Kultur erklärt.
„Das dürfte so die wärmste Jahreszeit in Katar sein. Ich glaube aber nicht, dass die absolute Hitze das Riesenproblem ist. Das Hauptproblem werden die Temperaturunterschiede sein. Hotels, klimatisierte Autos, das klimatisierte Stadion, Aufwärmstadion nicht klimatisiert, dann Callroom extrem klimatisiert.“
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Hans-Jörg Thomaskamp, Hochsprung-Bundestrainer DLV
Besonders die Ausdauerathleten (etwa Marathonläufer oder Geher) werden durch die körperliche Beanspruchung in Kombination mit den klimatischen Besonderheiten an ihre Grenzen stoßen.
Deshalb wird im Rahmen der WM ein digitales Tool getestet, das dafür sorgen soll, dass Hitzeschocks und unschöne Bilder, wie beispielsweise der Fall Gabriela Andersen-Schiess beim olympischen Frauenmarathon 1984 in Los Angeles, zukünftig die Ausnahme bleiben.
Was hat es mit der heiß diskutierten Pille auf sich?
Laut dem Telegraph testen Sportwissenschaftler der Universität Brighton in Zusammenarbeit mit dem Leichtathletik-Weltverband IAAF und dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) während der WM eine neuartige elektronische Hitze-Pille.
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Das innovative Gadget soll während des Wettkampfs etwa den Temperaturanstieg messen und weitere Daten sammeln und gleichzeitig als Frühwarnsystem vor Dehydration und Hitzeschock schützen.
Das Pilotprojekt wird von Prof. Dr. Yannis Pitsiladis von der Universität Brighton geleitet und soll auch im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Tokio 2020 (wo ähnliche Klimaverhältnisse wie in Doha herrschen) neue Erkenntnisse liefern. Athleten können freiwillig an dem Projekt teilnehmen und bekommen die Hitze-Pille auf Wunsch zur Verfügung gestellt.
Wie funktioniert die Pille in der Praxis?
Die Hitze-Pille ist gerade einmal 1,7 Gramm schwer und muss kurz vor dem Wettkampf oral eingenommen werden. Im Inneren der Kapsel befinden sich ein Thermometer und Sensoren, die während der körperlichen Hochleistung relevante Daten tracken und in Echtzeit verarbeiten bzw. weiterleiten.
Sie hat außer dem Mikrochip keine weiteren Wirk- bzw. Inhaltsstoffe und wird über den Magen-Darm-Trakt innerhalb von zwölf bis 48 Stunden unversehrt wieder ausgeschieden. Durch die erhobenen Daten wollen die Wissenschaftler so mehr über die physiologischen Prozesse und Parameter während der Wettkampfbelastung erfahren.
Tests in Vorbereitung auf die Leichtathtletik-WM
Mehrere nationale Verbände haben laut dem Telegraph die Hitze-Pille in der Vorbereitung auf die WM bereits getestet und die ersten Erfahren waren durchweg positiv. Die deutsche Langstreckenläuferin Laura Hottenrott hat einen Prototyp solch einer Hitze-Pille 2018 im Rahmen des Sevilla Marathons getestet und schildert auf ihrem Facebook-Account ihre persönlichen Erfahrungen mit dem innovativen Gadget.
Experten über die Hitze-Pille
Der deutsche Hochsprung-Bundestrainer Hans-Jörg Thomaskamp sieht das neue Hilfsmittel generell unkritisch und verweist darauf, dass dieses Tool eher für Ausdauerathleten eine hohe Relevanz hat und primär Forschungszwecken dient.
„Das ist ein Thermometer, das in eine Pille eingepackt wird, und die wird geschluckt. Und es wird nur die Körperkerntemperatur gemessen. Es gibt keine Information darüber, wie die Körperkerntemperatur sich bei Athleten unter extremen Hitzebedingungen verhält. Man kennt keine Grenzwerte, also dient das Ganze eigentlich eher der Grundlagenforschung.“
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Hans-Jörg Thomaskamp, Hochsprung-Bundestrainer DLV
Andere Experten sehen in der Hitze-Pille auch im Hinblick auf den Schutz und die Gesundheit der Athleten großes Potenzial:
„Spitzensport bei Hitze ist lebensgefährlich: Wenn die Körpertemperatur auf mehr als 40 Grad ansteigt, kann man nicht mehr schwitzen und sich selber kühlen. Wer sich dann weiter verausgabt, kann schlimmstenfalls tot umfallen. Der Chip kann da helfen, indem er wichtige Werte im Körper eines Sportlers misst und an ein externes Überwachungsgerät sendet. Wenn Hitzschlag oder Austrocknung drohen, können Teamärzte und Trainer rechtzeitig Alarm schlagen.“
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Ulrike Till, SWR-Wissenschaftsredaktion
Ob die Wunder-Pille aber in der Praxis dafür sorgen wird, dass Athleten den Wettkampf aufgrund des Frühwarnsystems tatsächlich abbrechen, bleibt abzuwarten. Auf der Jagd nach Medaillen gehen viele Athleten auch bewusst über die eigenen körperlichen Grenzen hinaus.
Der Fall Gabriela Andersen-Schiess und viele weitere mahnende Beispiele zeigen, dass schlussendlich in erster Linie der Athlet entscheidet, wann er aufgibt und nicht die Streckenposten, Ärzte oder Trainer. Somit werden sich solche Fälle trotz des neuen Tools wohl nicht gänzlich vermeiden lassen. Dennoch wird die Hitze-Pille wichtige neue Erkenntnisse in einem noch relativ jungen Forschungsfeld liefern.
Wir fiebern mit und drücken den DLV-Athleten die Daumen
Egal ob mit oder ohne Hitze-Pille – wir drücken allen, aber ganz besonders natürlich den 39 nominierten deutschen Athleten, für die anstehen Wettkämpfe die Daumen, wünschen viel Erfolg und einen kühlen Kopf.
Vielleicht machen wir ja im hitzigen Kampf um das heißbegehrte Edelmetall im Vergleich zur letzten WM 2017 im Medaillenspiegel der Top-Nationen wieder einen Sprung nach oben.
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