Fitness, Gesundheit | Autor/in: fM Redaktion |

„Die Rückmeldungen machen deutlich, welche Verantwortung wir als Sport- und Therapieanbieter haben“

Daniela Völker und Andreas Scheibe vom Zentrum Aktiver Prävention (ZAP) im Racket Center Nußloch schildern Fälle von Fitnessportlern, deren Gesundheitszustand sich durch die trainingsfreie Zeit der Lockdown-Phasen massiv verschlechtert hat.

Das Team vom Racket Center Nußloch schildert, wie sich der Gesundheitszustand von Mitgliedern und Patienten durch die Lockdown-Phasen verschlechtert hat.

fMi: Sind Ihnen Mitglieder bzw. Patienten des Zentrum Aktiver Prävention (ZAP) im Racket Center Nußloch bekannt, die vor einem der beiden Lockdowns im Jahr 2020 beschwerdefrei waren und bei denen nach der mehrwöchigen Trainingsabstinenz eine Verschlechterung ihres Zustandes eingetreten ist?

Daniela Völker: Mehrere unserer Mitglieder haben über körperliche Beschwerden geklagt, die alle mit Mangel an Bewegung und Training in Verbindung standen. Es wurden wiederkehrende Schmerzen im Lendenwirbelsäulen- und Verspannungen im Brustwirbelsäulenbereich sowie im Schulter- und Nackenbereich nach längerem Sitzen oder Stehen genannt.

Diese Schmerzen verspürten die Betroffenen während des regelmäßigen Trainings im ZAP oder beim Rehabilitationssport nicht.

Der Bewegungsmangel hat auch negative Auswirkungen auf die Gelenke: Mehrere unserer Mitglieder leiden unter Arthrose. Die damit verbundenen Schmerzen, insbesondere im Knie und in der Hüfte, verstärkten sich oder traten bei einigen Mitgliedern während des Lockdowns wieder auf.

Die mangelnde Stabilisation und Kräftigung der Knie und Sprunggelenke und die fehlende 'Gelenk-Lockerheit' führten in diesen Bereichen ebenfalls zu Beschwerden. Viele Mitglieder meldeten auch eine 'Gangunsicherheit': Kraft, Koordination sowie Gleichgewichtsgefühl sind in der trainingslosen Zeit zurückgegangen.

Die vielen Rückmeldungen machen deutlich, wie hoch die Bedeutung von regelmäßigem Training und ausreichender Bewegung ist und unterstreicht, welche Verantwortung wir als Fitness- und Therapieanbieter haben.

Unabhängig von den Schmerzen fühlten sich zahlreiche Mitglieder müde und unausgeglichen, was zum einen generell auf die Beschränkung des alltäglichen Lebens, zum anderen aber auch auf den Bewegungsmangel zurückzuführen ist.

Dadurch lässt natürlich auch die über Monate oder sogar Jahre aufgebaute Kondition nach. Die Alternative zum Fitnessstudio, nämlich in der Natur joggen zu gehen, wird gerade jetzt in den Wintermonaten kaum genutzt und ist auch für viele keine echte Alternative zum gesundheitsorientierten Muskeltraining in einem betreuten Fitnessstudio.

Konnten für Ihre Mitglieder Lösungen gefunden werden, um wieder mehr in Bewegung zu kommen, damit sich der Zustand nicht weiter verschlimmert?

Andreas Scheibe: Zuallererst führen unsere Kunden immer ein Anamnese-Gespräch mit unserem zuständigen ZAP Physiotherapeuten oder Gesundheitsberater. Hierbei werden der Gesundheitszustand mit den aktuellen Schmerzsyndromen bzw. Beschwerden, die täglichen Aktivitäten und die Ziele des Kunden besprochen.

Wir haben den riesengroßen Vorteil, dass unser Fitness- und Präventionsstudio direkt an die Physiotherapie angekoppelt ist und beide Teams – Therapeuten und Trainer – im ständigen Austausch miteinander stehen.

Der Rehasport bildet darüber hinaus unsere dritte Säule und ist ein ebenso wichtiges Zahnrad. Durch die enge Zusammenarbeit können Informationen über Trainings- und Therapieerfolge abteilungsübergreifend ausgetauscht und die Trainingsplanerarbeitung individuell auf den und mit dem Kunden abgestimmt werden.

Regelmäßige Kontrolltermine und Zielfestlegungen sowie Erfolgsdokumentationen anhand verschiedener Tests sind gewährleistet.

Inwieweit ist es möglich, über digitale Trainingsbetreuung einen Teil der Probleme aufzufangen? Bei wem funktioniert das und bei wem nicht?

Andreas Scheibe: Das Auffangen der Probleme über digitale Trainingsbetreuung ist aufgrund der mangelnden Ressourcen in den eigenen vier Wänden nur bedingt möglich. Den Mitgliedern fehlen zu Hause zum einen die Gewichte sowie die Geräte, die sie aus dem Fitnessstudio kennen, und zum anderen ein persönlicher Trainer, der sie beim Training unterstützt.

Das Training im ZAP zeichnet sich durch den persönlichen Bezug und den direkten engen Kontakt zu den Trainern aus. Diese Aspekte sind beim Training zu Hause nicht gegeben. Über den digitalen Weg können die Trainer nicht so gut eingreifen und die Bewegungsabläufe korrigieren – die Trainierenden sind auf sich allein gestellt.

Hinzu kommt die Angst, ohne Gesundheitstrainer Fehler bei der Ausführung der Übungen zu machen, weswegen lieber ganz darauf verzichtet wird.

Darüber hinaus fehlt vor allem bei älteren Menschen oftmals das technische Know-how und die Affinität. Viele Ältere haben kein passendes mobiles Endgerät oder gar keinen Internetzugriff.

Wie gehen die Mitglieder damit um, dass ihnen die soziale Komponente des Trainings genommen wird?

Daniela Völker: Die persönliche Kommunikation und die individuellen Gespräche und Trainingsziele sind Hauptmerkmale des ZAP. Viele unserer Mitglieder berichten, dass ihnen das Training fehlt und sie den persönlichen Kontakt zu anderen Mitgliedern und den Teams vom Racket Center und dem ZAP vermissen.

Das Fehlen von Trainerkompetenzen und vor allem auch von Trainingspartnern oder des Gesprächs mit Mittrainierenden hat eine sehr große negative Auswirkung auf die Trainingsmotivation. Mitglieder, die sonst mehrmals die Woche trainiert haben, können sich zu Hause teilweise überhaupt nicht zum Sporttreiben motivieren.

Auch die fehlende Präsenz eines Trainers hat negative Folgen: Ohne die Expertise eines Trainers als Unterstützung und Hilfestellung steigt die Angst, einen Bewegungsfehler beim Training zu machen.

Für viele unserer Mitglieder sind die Trainer neben einem kompetenten Trainingsexperten auch ein vertrauter Gesprächspartner und Zuhörer.

Diese Komponente geht durch die Beschränkungen vollständig verloren. Dadurch gibt es weniger Möglichkeiten, die eigenen Trainingspläne anzupassen bzw. werden sie ohne Fachwissen oftmals falsch angepasst – die Leistung stagniert oder nimmt im schlimmsten Fall sogar ab.

In ganz vereinzelten Fällen kommt es auch zu einer 'Übermotivation'. Das heißt, die Trainierenden machen zu viel und zu oft Sport.

Welche Lösungen oder auch mögliche Handlungsspielräume wünschen Sie sich für Ihre Einrichtung, damit Ihre Kunden, Mitglieder und Patienten gar nicht erst in eine gesundheitlich schwierige Situation geraten?

Daniela Völker: Zum einen ist natürlich – gerade in der Pandemie – eine Erweiterung der digitalen und medialen Voraussetzungen hilfreich. Dadurch kann zum einen das Online-Angebot und zum anderen die Kommunikation optimiert werden. Zur Verbesserung der Online-Live-Kurse sind auch Schulungen für unsere Trainer sinnvoll.

Der Ausbau von Outdoorsportanlagen ist ebenfalls ein sehr interessantes Thema. Wir planen gerade einen hochwertigen und witterungsbeständigen Außenbereich für Kurse mit kleineren Gruppen oder auch einzelnen Personen. Dieser ist nicht nur in der Pandemie eine hilfreiche Alternative, sondern vor allem für die Sommermonate eine gute Möglichkeit, Sport und frische Luft zu kombinieren.

Insgesamt zeigt die Pandemie, dass gesundheitsorientiertes Muskeltraining unter fachkundiger Anleitung in zertifizierten Gesundheits- und Fitnesseinrichtungen nicht den Stellenwert genießt, den es verdient. Die Aufgabe, die unsere Branche für die Bürgergesundheit erfüllt, muss in Zukunft deutlich stärkere Anerkennung finden.

Eine der wichtigsten Dinge ist jedoch die Kommunikation mit und der Kontakt zu den Mitgliedern. Für sportanbietende Dienstleister wie uns ist es von sehr großer Bedeutung, die Bedürfnisse und Wünsche der Mitglieder zu kennen, um diese 'abholen' zu können und sie an uns zu binden. Daher sollte der Kontakt stetig optimiert, angepasst und vor allem aufrechterhalten werden.

Klicken Sie hier für 'Pandemie-Paradox Teil 1': Der Orthopäde und Sportmediziner Dr. Thomas Wessinghage über Erfahrungen mit gesundheitspositiven Effekten von Fitnesstraining und Bewegung. „Die überwiegende Mehrheit der Menschen braucht jemanden, der ihnen hilft.

'Pandemie-Paradox Teil 2': „Je inaktiver die Patienten vorher waren, desto stärker waren sie hinterher eingeschränkt.“ Bitte klicken Sie hier für das Interview mit Hans Stummer, Physiotherapeut und Inhaber des TZ Trainings- und Therapiezentrum Eggenfelden.


Unsere Gesprächspartner

Daniela Völker studierte an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und erreichte dort die Abschlüsse Bachelor of Arts Fitnessökonomie sowie Master of Arts Prävention und Gesundheitsmanagement.

Heute leitet sie das Zentrum Aktiver Prävention (ZAP) im Racket Center Nußloch mit den Bereichen Prävention, Rehabilitation sowie Physiotherapie und ist für die unternehmerische sowie personelle Weiterentwicklung verantwortlich.

Andreas Scheibe arbeitet Seit Anfang 2019 als Gesundheits- und Individualtrainer im ZAP und betreut vor allem Gäste mit gesundheitlichen Einschränkungen am Bewegungsapparat. Er ist hauptsächlich für das Schnittstellenmanagement zwischen Therapie und Prävention verantwortlich.

Als ehemaliger Leistungssportler kann er auf einen großen Erfahrungsschatz speziell für das gesundheitsorientierte Training zurückgreifen.

Diesen und weitere Artikel finden Sie in der fMi 01/2021 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.

Zum Abonnement
fMi 01/2021