Fitness, Gesundheit | Autor/in: Prof. Dr. Arne Morsch |

Körperliche Leistungsfähigkeit und COVID-19: Gesund bleiben durch Fitnesstraining

Das Coronavirus ist hochinfektiös und leicht übertragbar. Durch Maßnahmen wie die Einschränkung sozialer Kontakte konnte die rasche Ausbreitung verlangsamt werden und die erste Krankheitswelle scheint in Deutschland abzuebben. Dennoch ist das Virus im Umlauf und es besteht ein latentes Infektionsrisiko. Was können wir selbst tun, um dieses Risiko zu senken und welchen Beitrag kann eine gute körperliche Fitness leisten, um die Erkrankung im Falle einer Infektion bestmöglich bewältigen zu können?

Corona-Lockdown für Fitnessstudios ist schlecht für die Gesundheit: Gesund bleiben durch Fitnesstraining

Das COVID-19-Virus scheint sich hauptsächlich durch Tröpfcheninfektion zu verbreiten. Beim Übertragungsweg macht das Virus keinen Unterschied zwischen körperlich aktiven Menschen und „Bewegungsmuffeln“. Allerdings führt regelmäßiges körperliches Training dazu, dass die Funktionalität des Immunsystems verbessert wird (Baum & Liesen, 1998). Der Körper kann sich besser auf die Bewältigung einer Erkrankung einstellen. Bei einer COVID-19-Infektion bedeutet dies, dass das Immunsystem in der Lage sein muss, den Krankheitserreger effektiv zu eliminieren.

Erste Untersuchungen dazu, wie das menschliche Immunsystem das neuartige Coronavirus bewältigt, zeigen, dass es zu einem Anstieg der Antikörper produzierenden Zellen kommt. Ebenso wurde eine Zunahme sogenannter T-Zellen beobachtet, deren Aufgabe die Zerstörung aller Zellen ist, in denen sich die Viren vermehren (Thevarajan et al., 2020). Die Ergebnisse zeigen, dass gerade durch körperliches Training die Aktivität der T-Zellen gesteigert werden kann (Duggal, Pollock, Lazarus, Harridge & Lord, 2018). Regelmäßiges Training und eine gute körperliche Leistungsfähigkeit scheinen somit für eine angemessene Immunreaktion des Körpers von wichtiger Bedeutung zu sein.

Wer ist hauptsächlich von schweren und tödlichen Krankheitsverläufen betroffen?

Die Daten und Fakten zeigen, dass insbesondere ältere Menschen und Personen mit Vorerkrankungen wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Typ-2-Diabetes von schweren bis hin zu tödlichen Krankheitsverläufen betroffen sind. Die genauen Erklärungen hierfür sind wissenschaftlich noch nicht geklärt.

Dennoch scheint es so zu sein, dass das Immunsystem alter und/oder vorerkrankter Menschen nicht immer in der Lage ist, den Krankheitsprozess zu stoppen und die krankheitshemmenden T-Zellen ausreichend zu aktivieren (Bloch, Halle & Steinacker, 2020). Zwar kann man das kalendarische Alter als Risikofaktor nicht beeinflussen, jedoch trägt ein körperliches Training dazu bei, die Immunkompetenz des Körpers zu verbessern und Infektionen wirksam zu begegnen. Auch betagte Menschen und Personen mit Vorerkrankungen sollten deshalb nach medizinischer Abklärung zur regelmäßigen Bewegung aktiviert werden (Hollstein, 2019).

Verhindert körperliche Aktivität eine Erkrankung und einen frühzeitigen Tod?

Unabhängig von der Situation um das Coronavirus belegen eine Vielzahl an Beobachtungsstudien, dass körperlich aktive gegenüber inaktiven Personen ein deutlich reduziertes Risiko für die Entwicklung zahlreicher Erkrankungen und für einen vorzeitigen Tod haben (Fiuza-Luces et al., 2018; Wen et al., 2011). Eine erste Risikoreduktion zeigt sich bereits durch den Einstieg in regelmäßige Bewegung in kleinem Umfang.

Bei höheren Umfängen im Sinne der Bewegungsempfehlungen der WHO von 150 Minuten moderater körperlicher Aktivität pro Woche fällt die Risikoreduktion noch deutlicher aus (Kraus et al., 2019). Dennoch sind die wenigsten Menschen in Deutschland ausreichend körperlich aktiv (Finger, Mensink, Lange & Manz, 2017; Krug et al., 2013). Ein Grund hierfür könnte sein, dass bei derart allgemeinen Empfehlungen Art, Umfang und Intensität einer Belastung unkonkret bleiben. Außer der Erkenntnis „Ich müsste mich mal wieder bewegen“ bleiben diese dann für den einzelnen Menschen wenig fassbar.

Hält Fitnesstraining den Körper leistungsfähig und gesund?

In Fitness- und Gesundheitseinrichtungen kann ein Training hingegen entsprechend wissenschaftlicher Vorgaben optimal und individuell gesteuert werden. Um die präventive Wirksamkeit eines Fitnesstrainings (dreimal pro Woche 45 Minuten) auf die körperliche Leistungsfähigkeit, auf ausgewählte Gesundheitsparameter und Zellalterungsprozesse zu überprüfen, wurden im Rahmen einer kontrollierten Trainingsstudie die Effekte eines Ausdauertrainings nach der Dauer- und der Intervallmethode sowie die Effekte eines gerätegestützten Kraftausdauertrainings untersucht (Werner et al., 2019).

Sowohl in den beiden Ausdauergruppen als auch beim Kraftausdauertraining zeigte sich eine signifikante Verbesserung der Ausdauerleistungsfähigkeit. Darüber hinaus kam es in allen drei Gruppen zu ähnlichen Verbesserungen im Risikoprofil bezüglich der Entwicklung von Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen. Eine gute körperliche Fitness kann somit als wichtiger Schutzfaktor der Gesundheit angesehen werden.

Hält ein Fitnesstraining biologisch jung?

Interessante Befunde ergaben sich in der Studie von Werner et al. (2019) insbesondere bei der Frage, inwiefern ein Fitnesstraining dazu beitragen kann, dass wir biologisch jung bleiben. Hierbei stellt sich zunächst die Frage, warum wir eigentlich altern?

Damit sich das Gewebe ständig erneuern kann, müssen sich Zellen teilen. In der Regel entstehen aus einer Zelle zwei Tochterzellen. Jede Zelle enthält einen Chromosomensatz, in dem die Erbinformation gespeichert ist. Diese Information muss geschützt werden, damit die ordnungsgemäße Funktion der Zelle erhalten bleibt. Diese Aufgabe übernehmen die sogenannten Telomere, die, vergleichbar mit den Schutzkappen an Schnürsenkeln, an den Enden der Chromosome sitzen.

Sie haben die Aufgabe, die Teilungshäufigkeit der Zelle zu regulieren. Mit jeder Zellteilung werden diese jedoch kürzer. Unterschreitet die Telomerlänge ein kritisches Minimum, kann sich die Zelle nicht mehr teilen. Das Gewebe kann sich dann nicht mehr regenerieren und die Zelle altert.

Zwischen der Telomerlänge und der Lebenserwartung gibt es einen Zusammenhang. Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben kürzere Telomere. Je kürzer diese sind, desto schwerwiegender ist die Erkrankung. Ebenso haben ältere Menschen deutlich kürzere Telomere als jüngere. Ein Enzym, das diesen Prozess aufhalten kann, ist die Telomerase. Dessen Aufgabe ist es, die Chromosome zu stabilisieren und die Länge der Telomere zu erhalten. Fehlt die Telomerase, können sich Zellen nach einer gewissen Zeit nicht mehr teilen und müssen altern. Auch die Telomeraseaktivität reduziert sich mit zunehmendem Alter.

Es wurde daher untersucht, wie sich ein regelmäßiges Fitnesstraining auf die Telomerlänge und die Telomeraseaktivität auswirkt. Die Studie konnte zeigen, dass regelmäßiges Ausdauertraining zu einer Verlängerung der Telomere und zu einer Erhöhung der Telomeraseaktivität führt. Für das Kraftausdauertraining konnten diese Effekte nicht nachgewiesen werden. Allerdings kam es sowohl beim Ausdauer- als auch beim Krafttraining zur Bildung weiterer Schutzproteine, die einen Telomerabbau vorbeugen, was ebenfalls im Sinne eines Anti-Aging-Effekts zu deuten ist.

Die Studie liefert somit einen ersten Erklärungsansatz für den lebensverlängernden Effekt eines individuell gesteuerten Fitnesstrainings.

Wie können diese Befunde in die gegenwärtige Situation eingeordnet werden?

Eine gute körperliche Fitness liefert eine wichtige Basis für eine erfolgreiche Krankheitsbewältigung und ist ein wichtiger Schutzfaktor vor schwerwiegenden Verläufen bei Infektionserkrankungen (Bloch et al., 2020).

Zu der auf politischer Bühne oft zitierten „neuen Normalität“ sollte es daher unbedingt gehören, dass den Mitgliedern in Fitnesseinrichtungen möglichst schnell eine Rückkehr zu ihrem normalen Gesundheitstraining ermöglicht wird. Ebenso wäre es wünschenswert, dass die wichtige Schutzfunktion eines präventiven Ausdauer- und Krafttrainings als probates Mittel zur Krankheitsbewältigung stärker in medizinische Strategien einbezogen wird.

Da davon auszugehen ist, dass uns die Corona-Pandemie noch eine Zeit lang beschäftigen wird, sollten auch bislang untrainierte Personen wie auch Personen mit Vorerkrankungen (nach einem medizinischen Check-up) körperlich aktiv werden, um bestmögliche Voraussetzungen für einen günstigen Krankheitsverlauf im Falle einer Infektion zu schaffen. Hierzu ist es erforderlich, möglichst vielen Menschen die Gelegenheit für ein fachgerecht angeleitetes Training zum Beispiel in Fitness- und Gesundheitseinrichtungen zu bieten.

Eines zeigt die gegenwärtige Corona-Krise nur zu deutlich: Der Bedarf an zielgerichteten körperlichen Aktivitäten zum Zwecke der Gesundheit ist quer durch die Bevölkerung riesig. Der Übergang zum Normalbetrieb in Fitness- und Gesundheitseinrichtungen wird aber nicht von heute auf morgen erfolgen können. Um das Infektionsrisiko beim Training zu minimieren, werden noch eine ganze Zeit lang Verhaltensregeln festgelegt und Hygienevorkehrungen getroffen werden müssen. Analog zu anderen Lebensbereichen sollte die Einhaltung entsprechender Sicherheitsmaßnahmen allerdings problemlos umzusetzen sein.

Bei allem Übel, das die gegenwärtige Situation mit sich bringt, bleibt zu hoffen, dass gerade durch die Corona-Krise das Vertrauen in die Fitnesseinrichtungen als wichtige Partner in Bezug auf die Gesundheit wächst.

Über den Autor

Prof. Dr. Arne Morsch ist Fachbereichsleiter Gesundheitswissenschaft und Dozent der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG). Darüber hinaus leitet er den Fachbereich Gesundheitsförderung der BSA-Akademie.

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Auszug aus der Literaturliste

Bloch, W., Halle, M. & Steinacker, J. M. (2020). Sport in Zeiten von Corona. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 71 (4), 83–84. https://doi.org/10.5960/dzsm.2020.432
Kraus, W. E., Powell, K. E., Haskell, W. L., Janz, K. F., Campbell, W. W., Jakicic, J. M. et al. (2019). Physical Activity, All-Cause and Cardiovascular Mortality, and Cardiovascular Disease. Medicine & Science in Sports & Exercise, 51 (6), 1270–1281. https://doi.org/10.1249/MSS.0000000000001939
Thevarajan, I., Nguyen, T. H. O., Koutsakos, M., Druce, J., Caly, L., van de Sandt, C. E. et al. (2020). Breadth of concomitant immune responses prior to patient recovery: a case report of non-severe COVID-19. Nature Medicine, 26 (4), 453–455. https://doi.org/10.1038/s41591-020-0819-2
Werner, C. M., Hecksteden, A., Morsch, A., Zundler, J., Wegmann, M., Kratzsch, J. et al. (2019). Differential effects of endurance, interval, and resistance training on telomerase activity and telomere length in a randomized, controlled study. European heart journal. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehy585

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