fM: Wie hat dich deine sportliche Karriere als Ringer auf Leistungssportniveau in jungen Jahren geprägt?
Mario Görlach: Das Training in der DDR war hart, von Anfang an. Niemand hat uns mit Samthandschuhen angefasst, es ging ausschließlich um Leistung. Heute sagt man gern 'dabei sein ist alles' – das war bei uns damals ganz anders. Es zählte nur der erste Platz. Für mich war eine Silbermedaille wertlos.
Der zweite Platz war der erste Verlierer – Bronze existierte für mich nicht.
Ich habe sie mir nicht mal umgehängt, nicht mal aufgehoben. Bronze war für mich schlichtweg nicht vorhanden. Diese Haltung – dieses absolute Leistungsdenken – hat mich bis heute geprägt. Wichtig war auch die Disziplin, das Einordnen in die Gemeinschaft, und vor allem, dass man da ist, wenn es zählt.
Es bringt ja nichts, im Training Weltmeister zu sein und im Wettkampf zu versagen. Das ist im Berufsleben genauso. Ich habe gelernt, mich unterzuordnen, aber auch im entscheidenden Moment Leistung abzurufen. Diese Fähigkeit habe ich in mein späteres Leben übertragen – sowohl im Beruf als auch im Privaten.
1981 hast du eines der ersten Fitnessstudios der DDR in Vieselbach in der Nähe von Erfurt eröffnet. Was war deine Motivation dazu?
Ein Freund von meinem Trainingspartner, der Bodybuilder in Hessen war, hatte uns eine Ausgabe der 'Sportrevue' von Albert Busek und zwei Bücher von Arnold Schwarzenegger 'Karriere eines Bodybuilders' und 'Bodybuilding für Männer' geschenkt. (Lesetipp: 'Arnold Schwarzenegger, Karriere eines Bodybuilders')
Diese Bücher und das Magazin – und vor allem die Gedanken von Arnold und Albert haben mich zutiefst beeindruckt und zum Gerätebau inspiriert. Bodybuilding war in der DDR zunächst verpönt. Erst später wurde es als Kraftsport in den Bereich Schwerathletik integriert.
Damals gab es nicht an jeder Ecke ein Fitnessstudio wie heute, also habe ich bei einem Freund in einer Scheune selbst eine Hantelbank gebaut, wie sie Arnold nutzte – mit einem Metallgurt für das Bizepstraining. Dann kamen Schrägbänke, verstellbare Bänke, Kabelzüge, Kurz- und Langhanteln usw. dazu.
Die Motivation, ein eigenes Studio zu eröffnen, entstand aus purer Notwendigkeit.
Die Materialien für die Produktion habe ich selbst 'organisiert'. Nachts bin ich mit einem Anhänger in einer Metallwerkstatt vorgefahren und habe 200-Kilo-Scheiben rausgeholt. Niemand hat so genau hingeschaut, weil es letztlich alle irgendwie gemacht haben.
Erich Honecker selbst hatte damals gesagt: „Aus den Betrieben ist mehr rauszuholen“ – das haben wir dann eben wörtlich genommen. Das klingt heute verrückt, aber es war die Realität – wir wollten einfach trainieren können.
So entstand meine Motivation, ein eigenes Fitnessstudio zu eröffnen. Arnolds Bücher waren der Anstoß. Lustigerweise hat Arnold mich letztes Jahr in Kitzbühel auf diese Geschichte angesprochen und wir haben bei einer Zigarre lange darüber diskutiert.
So entstand meine Motivation, ein eigenes Fitnessstudio zu eröffnen. Arnolds Bücher waren der Anstoß. Lustigerweise hat Arnold mich letztes Jahr in Kitzbühel auf diese Geschichte angesprochen und wir haben bei einer Zigarre lange darüber diskutiert.
Du bist 1989 aus der DDR geflohen. Was hast du dabei erlebt und wie war der Neuanfang in den alten Bundesländern?
1988 hatte ich zum ersten Mal versucht, aus der DDR zu fliehen. Ich habe die Botschaft in Budapest, Ungarn besetzt. Damals hat mich der Sicherheitsdienst rausgeworfen und ich musste zurückfliegen.
Ein Jahr später, 1989, versuchte ich es erneut über die Tschechoslowakei. Mit zwei Kumpels reiste ich offiziell zu einem Bodybuildingwettkampf nach Prag. Dort erreichten wir die deutsche Botschaft, aber rechneten nicht damit, wirklich ausreisen zu dürfen. Die Zustände in der Botschaft waren katastrophal – überfüllte Räume, kaum sanitäre Anlagen, Menschen lagen überall auf dem Boden.
Doch gleichzeitig herrschte eine gewisse Aufbruchsstimmung. Dann stand er da: Hans-Dietrich Genscher. Niemand hatte das erwartet. Wir dachten, es gibt jetzt vielleicht Schlafsäcke – stattdessen sagte er den legendären Satz: „Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass Ihre Ausreise heute ... möglich geworden ist“.
Das war ein Moment, der durch Mark und Bein ging. Wir kamen schließlich in Hof an. Danach wurden wir in ein Auffanglager nach Schwandorf gebracht, in eine ehemalige Kaserne. Geld gab es kaum, aber ich hatte Glück: Eine ältere Familie namens Oppermann nahm mich auf, schenkte mir Kleidung, lud mich zum Essen ein.
Das hat mich tief berührt. Jahre später habe ich sie noch einmal besucht – inzwischen sind sie verstorben. Aber diese Geste war für mich der echte Anfang im Westen: Wärme, Hilfe, Menschlichkeit.
Kurze Zeit danach in den 2000-ern ist der miha- bzw. milon Zirkel entstanden. Wie kam es dazu?
Nach meiner Flucht aus der DDR habe ich zuerst in Schwandorf bei einem Metallbaubetrieb gearbeitet und danach bei Audi in Neckarsulm. Nebenbei arbeitete ich als Trainer in einem Fitnessstudio.
Als der Betreiber eine Verwaltungssoftware anschaffte, begleitete ich ihn zu einer Schulung und wurde dort direkt von der Firma abgeworben. So kam ich zu Idu (Anm. d. Red.: heute Aidoo Software), einem Anbieter von Studioverwaltungssoftware. Dabei lernte ich viel, insbesondere über die wirtschaftlichen Strukturen von Fitnessstudios.
Ich ersetzte mechanische durch elektronisch geführte Kraftgeräte und investierte 400.000 D-Mark. Das Ziel war nie ein Zirkel, sondern effiziente Gerätenutzung. Doch dann entstand durch Zufall ein System: Ich beobachtete, dass Neumitglieder den Trainingsfluss störten.
Das musste ich lösen und erinnerte mich an Trainingssysteme aus meiner DDR-Zeit: Zirkeltraining mit der Intervallmethode. Daran orientiert 'parkte' ich die neuen Mitglieder in einem separaten Bereich, mit klarer Struktur und nannte es 'Basistraining'.
Das Ergebnis: deutlich mehr Mitglieder, bessere Trainingserfolge, zufriedenere Kunden, geringere Fluktuation, mehr Weiterempfehlungen und deutlich höhere Nebenumsätze. Ich machte bei 950 Arbeitsstunden ca. 1,2 Millionen Euro Nettoumsatz.
Ich ersetzte mechanische durch elektronisch geführte Kraftgeräte und investierte 400.000 D-Mark. Das Ziel war nie ein Zirkel, sondern effiziente Gerätenutzung. Doch dann entstand durch Zufall ein System: Ich beobachtete, dass Neumitglieder den Trainingsfluss störten.
Das musste ich lösen und erinnerte mich an Trainingssysteme aus meiner DDR-Zeit: Zirkeltraining mit der Intervallmethode. Daran orientiert 'parkte' ich die neuen Mitglieder in einem separaten Bereich, mit klarer Struktur und nannte es 'Basistraining'.
Das Ergebnis: deutlich mehr Mitglieder, bessere Trainingserfolge, zufriedenere Kunden, geringere Fluktuation, mehr Weiterempfehlungen und deutlich höhere Nebenumsätze. Ich machte bei 950 Arbeitsstunden ca. 1,2 Millionen Euro Nettoumsatz.
Der miha- bzw. milon Zirkel war nie geplant – er war eine Lösung.
Der miha-Zirkel, später milon Zirkel, wie er heute bekannt ist, entstand aus der Notwendigkeit, Mitglieder effizient zu organisieren, ihnen spürbare Erfolge zu ermöglichen und als Trainer wieder Zeit für das Wesentliche zu haben. Ich konnte in 60 Minuten 40 Menschen betreuen – und jeder hatte das Gefühl, ich bin nur für ihn da. Das System war wirtschaftlich, menschlich und sportlich sinnvoll – und traf den Nerv der Zeit.
2009 bist du mit milon zum 'Unternehmer des Jahres' ausgezeichnet worden. Wie hat sich das angefühlt?
Die Geschichte von milon begann eigentlich aus einer Notlage heraus. Die Produktion der miha-Geräte, mit denen ich mein Studio organisierte, sollte einstellt werden. Für mich war das ein Desaster: Mein ganzer Ablauf im Studio beruhte auf dieser Technologie. Ich wurde vom damaligen Gesellschafter Dieter Miehlich um Hilfe gebeten, also half ich und begann 2001 auf der FIBO aktiv zu verkaufen.
Die Firma miha wuchs rasant und ich machte über 90 Prozent des Umsatzes mit meinem Zirkel. Das brachte Unruhe. Es hieß: „Wenn der Görlach vom Baum fällt, ist die Firma tot.“ Also holte man andere Leute dazu, um Abhängigkeiten zu reduzieren, was für die gesamte Sache aber nicht gut war.
Aus diesem Grund kaufte ich mit meinem Partner Hubert Haupt kurzerhand das Unternehmen. Damals hieß die Firma wie gesagt miha, aber wir wollten einen neuen Namen mit mehr Strahlkraft.
Zwei Vorschläge lagen auf dem Tisch: 'somax' und 'milon'. Wir entschieden uns für milon – inspiriert vom antiken Athleten Milon von Kroton, dem stärksten Mann seiner Zeit.
Der Legende nach trug er ein Kalb täglich um sein Haus, bis es eine Kuh war – und wurde dadurch zum berühmtesten Ringkämpfer der Antike. Diese Geschichte hat mich sofort gepackt. Sie schlug die Brücke zu meiner eigenen Ringervergangenheit und meiner Trainingsphilosophie.
Von elf Millionen auf 40 Millionen Euro Umsatz
Nach der Übernahme wuchs die Firma rasant: von elf Millionen Umsatz auf über 40 Millionen Euro mit einem EBIT von zehn Millionen Euro.
Das brachte mir 2009 den Titel 'Unternehmer des Jahres' ein. Eine Auszeichnung, die mich gefreut hat – aber wie immer ist es keine Einzelleistung, sondern eine Teamleistung.
Neben dem milon Zirkeln hast du auch das Mobility-Konzept fle-xx vertrieben. Wie passt das zusammen?
2003 lernte ich Rudi Plüddemann kennen, der ein Rückgratkonzept, später fle-xx, entwickelte. Er brachte das Thema Beweglichkeit systematisch ins Studio, aber ich war skeptisch. Überall Holz, Sprossenwände, weiße Socken, Birkenstocks. Das passte überhaupt nicht zu meinem technologisch orientierten Studioansatz und ich hatte es damals wieder verworfen.
Erst später, 2010, als ich meine milon-Anteile verkauft hatte, kam Rudi wieder auf mich zu. Ich prüfte, ob ich den Vertrieb für Rudi übernehmen möchte und stellte die Geräte testweise in mein Rehazentrum. Dieser Test hat mich im positiven Sinne überrascht: Die Patienten, sogar die Langzeitpatienten, wurden deutlich beweglicher und vor allem schmerzfrei.
Muskeltraining ohne Mobilität ergibt keinen Sinn!
Mir wurde klar: Das eigentliche Problem vieler Mitglieder ist nicht die Kraft, sondern die Einschränkung. Verkürzter Psoas, eingeschränktes Zwerchfell, blockierte Hüften, starre Brustmuskulatur, usw. – und dann machen wir mit diesen Menschen Krafttraining, was die Muskeln weiter verkürzt? Völliger Unsinn. Wenn man die Beweglichkeit nicht zuerst herstellt oder zumindest gleichzeitig adressiert, funktioniert das ganze System nicht.
Neben dem Produkt fle-xx, das ich vertrieb, gab es den Mitbewerber five von Wolf Harwath und Christoph Limberger. Es gab viel Streit darüber, wer wen kopiert hatte. Das haben wir letztlich gerichtlich geklärt. Am Ende ging es Wolf und mir aber immer um die Weiterentwicklung des Produkts.
Der Markt hat das angenommen: Wir und five gingen beide durch die Decke. Ich fand es großartig, dass wir uns gegenseitig gefordert haben, und es war ein harter Wettbewerb. Aber am Ende befeuert Konkurrenz den Markt – wir haben beide davon profitiert, da wir permanent beschleunigen und optimieren mussten. Genau das hat das Thema Beweglichkeitstraining großgemacht.
2013 bist du zur Firma EGYM gewechselt. Wie war der Weg vom Münchner Start-up zu einer Weltfirma mit einer Bewertung von über einer Milliarde Euro?
Der Einstieg bei EGYM war kein geplanter Schritt. Die EGYM Gründer Philipp Roesch-Schlanderer und Florian Sauter hatten als TU-Studenten in München die Idee, elektronische Geräte zu digitalisieren.
Ich war damals bereits aus milon ausgestiegen, wurde aber zunächst skeptisch betrachtet: „Das ist doch der von milon, der macht uns Konkurrenz.“ Erst durch die Vermittlung von René Kalt kam es zu einem Treffen und ich war beeindruckt von der Energie, der Leidenschaft, dem Spirit.
Meine Tochter Christin war damals mitgekommen und sofort Feuer und Flamme. Sie sagte: „Papa, hier bleibe ich.“ Also blieb sie auch und ich unterstützte Christin bei der Finanzierung – und stieg später selbst ein.
Was viele nicht wissen: EGYM hatte anfangs keinen eigenen Vertrieb. Der gesamte Vertrieb wurde über meine Handelsvertretung und meine Mitarbeiter auf Provisionsbasis abgewickelt. Das heißt: keine Fixkosten, keine Risiken für das Unternehmen EGYM. So wuchs EGYM schnell – und Investoren wurden aufmerksam. Um die Bewertung von EGYM hochzuhalten, war es klar, dass meine Organisation irgendwann eingebracht werden musste, was letztendlich mit dem Kauf von fle-xx durch EGYM auch geschah.
EGYM wurde nicht nur wegen der Geräte groß. Vielmehr war es der ganzheitliche Gedanke: Software, App, Trainingserlebnis, smarte Vernetzung. Auch die Expansion in die USA, etwa durch die Integration von Netpulse, war ein kluger Schritt. Zudem hatten Philipp und Manfred Krickeviel Erfolg bei der Investorensuche.
Dass EGYM heute mit über einer Milliarde Euro bewertet wird, ist sicher das Ergebnis vieler Faktoren – aber vor allem: harter Arbeit, einer klugen Strategie und einem leidenschaftlichen Team.
Du bist nicht nur Geschäftsmann, sondern auch Akademiker. 2007 hast du deinen Abschluss an der DHfPG, damals noch BA, gemacht, obwohl du bereits gearbeitet und Geld verdient hast. Warum?
Für mich war klar, dass ich noch einmal die Schulbank drücke. Ich hatte bereits gutes Geld verdient – aber genau dann, wenn man Geld und Zeit hat, sollte man sich weiterbilden. Das ist wie beim Training: Du wartest ja auch nicht, bis du krank bist, um mit Sport zu beginnen.
Weiterbildung ist für mich ein permanenter Prozess. Ich nutze jede Gelegenheit, um Neues zu lernen. Schon 1990 habe ich beim DSSV den Fitnesslehrer gemacht. Ich habe mich nie auf meiner Ausbildung in der DDR ausgeruht – auch wenn man dort im Leistungssport extrem tief drin war.
Wer aufhört zu lernen, bleibt stehen – darum habe ich mit 43 ein duales Studium an der DHfPG absolviert.
Aber Wissen entwickelt sich weiter, und es ist überheblich, zu glauben, man wisse schon alles. Den Impuls zum Studium an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement gab mir der Sohn meines damaligen Chefs – Timo Halx.
Ich war 43, die anderen viel jünger – und gerade das war spannend. Die jungen Leute hatten andere Gedanken und neue Zugänge. Das hat mich unheimlich bereichert. Ich kann nur jedem empfehlen zu studieren. Die Wissenschaft entwickelt sich rasant weiter.
2009 zum Beispiel entdeckte Bente K. Pedersen die Myokine – das hat das komplette Verständnis von Muskelfunktion revolutioniert. Wer sich da nicht weiterbildet, bleibt im letzten Jahrhundert stehen.
In unserem Rehazentrum in Neu-Ulm arbeiten heute 35 Leute, und wir betreuen täglich über 300 Patienten. Das zentrale Thema ist immer: Wie werden Menschen nachweislich stärker? Nicht: Wie bewegen sie sich? Wenn Muskelmasse fehlt, hilft auch kein Ausdauertraining.
Wenn die WHO heute 150 Minuten Bewegung pro Woche und zwei Krafttrainingseinheiten empfiehlt, ist das ein guter Anfang – aber es greift zu kurz. Die eigentliche Ursache vieler Gesundheitsprobleme ist der Verlust von Muskelmasse, nicht die fehlende Bewegung an sich. Krafttraining ist nicht gleich Krafttraining. Es gibt zwei Richtungen: Last erzeugen – oder am Muskel ziehen.
Beweglichkeitstraining ist letztlich nichts anderes als gezieltes Muskellängentraining – und damit genauso wichtig wie klassisches Krafttraining. Hier trägt die DHfPG entschieden dazu bei, dieses Wissen in die Köpfe der Mitarbeiter und Trainer zu bringen, damit diese es weitergeben – und das ist essenziell für unsere Branche.
Welche Rolle nehmen deiner Meinung nach Trainer und qualifiziertes Personal in der Fitness- und Gesundheitsbranche ein?
Ich sehe die Rolle des Trainers nicht mehr in der klassischen Form – jemand, der ein bisschen hilft, motiviert oder zeigt, wie ein Gerät funktioniert. Das reicht nicht mehr. Der Trainer der Zukunft ist ein Assistent für Longevity, ein Fachmensch für gezielte Trainingssteuerung, Muskelaufbau, Stoffwechselwissen – jemand, der Verantwortung übernimmt für Ergebnisse.
Bisher hat das Geschäftsmodell der Fitnessbranche nur funktioniert, weil die Kunden uns nicht verantwortlich gemacht haben. Wenn es nicht funktioniert hat, war der Kunde „selbst schuld“.
Das wird sich ändern. Stell dir eine Autowerkstatt vor, in der neun von zehn Autos am Ende kaputt bleiben – und die Werkstatt feiert sich trotzdem: „Wir haben neue Hebebühnen, eine saubere Halle und einen super Empfang.“
Die klassische Trainerrolle ist überholt – und das ist gut so.
Genau so läuft es heute in vielen Studios. Die Menschen kommen, sehen Geräte, schöne Architektur – aber nur zehn Prozent erreichen ihr Ziel. Und man nimmt das in Kauf. Weil: „Die bleiben ja trotzdem Mitglied.“
Aber spätestens mit dem Aufkommen des Longevity-Trends wird das nicht mehr reichen. Die Menschen werden fragen: Bringt mir das was? Werde ich stärker, gesünder, vitaler? Wenn nicht – war’s das mit dem bisherigen Modell. Ich sehe einen neuen Studiotyp entstehen: das Longevity-Center. Dort wird nicht nur trainiert, dort wird auch analysiert: Screening, DNA, Epigenetik, Blutparameter, Muskelstatus. Und ja – auch soziale Kontakte, Austausch, Begleitung im Alltag.
Das sind keine überdimensionierten Studios mehr. Es sind zielgerichteteZentren mit qualifiziertem Personal. Und dort entscheidet nicht mehr die Einrichtung – sondern das Know-how. Wem vertraue ich? Dem mit B-Lizenz oder dem mit akademischem Abschluss? Das wird zum Qualitätsmerkmal werden.
Deshalb mein Appell an alle Betreiber: Denkt jetzt über neue Geschäftsmodelle nach. Jetzt, wo ihr noch gesund seid. Jetzt, wo ihr noch Geld habt. Wartet nicht auf die Krise. Setzt auf Weiterbildung – für euch, euer Team, eure Kunden.
Ich denke darüber jeden Tag nach. Und ich weiß: Der Trainer von morgen wird nicht ersetzt – er wird neu definiert. Und er wird wichtiger denn je. Die Branche muss jetzt umdenken – und neu investieren.
Wie geht es bei dir weiter – was wird das nächste „Big Thing“ von Mario Görlach?
Alles, was ich in meinem Leben gemacht habe, war nie nur Theorie – ich habe es selbst durchlebt. Ich spreche nicht über Modelle, die ich nicht selbst getestet habe.
Ob in meinen Studios, in meinem Rehazentrum oder später mit Investitionen in Windparks, Vapiano, milon, EGYM, fle-xx oder SKILLCOURT: Es ging mir immer um eins – Systeme verstehen, Prinzipien erkennen und nutzbar machen.
Beispielsweise war ich nie ein Gastronom. Aber ich habe in 14 Vapiano-Filialen investiert, weil mich das System interessiert hat. Dieses Denken wollte ich in die Fitnesswelt übertragen: Systemgastronomie als Vorbild für systematisches Studiomanagement. Nicht mit Bauchgefühl, sondern mit Prozessen, Standards und klaren Abläufen.
Gerade die Verbindung von Studio und Reha war für mich ein Aha-Erlebnis: Viele Menschen sind zu gesund für die Reha, aber zu schwach für den klassischen Fitnessclub. Dort entsteht eine Zwischenwelt, die man beachten sollte.
Longevity ist meine letzte und größte Aufgabe.
Genau das ist mein 'Next Big Thing' – meine letzte und größte Aufgabe. Mein Fokus liegt nun vollständig auf dem Thema Longevity. Das ist kein Projekt mehr – das ist meine Mission.
Ich will Geräte entwickeln, die über Marken hinweg funktionieren. Trainingssysteme schaffen, die messbare Ergebnisse liefern. Standorte aufbauen, die in fünf Minuten fußläufig erreichbar sind. Und ich will, dass jeder Mensch Zugang hat – unabhängig vom Wohnort. Hier sehe ich mich in der Verantwortung. Ich habe viele Ideen, noch mehr Visionen – und ich bin noch lange nicht fertig.
Deine Tochter Christin hat dich bei fast allen der genannten Karriereabschnitte begleitet. Gibt es ein Geheimrezept für diese erfolgreiche Vater-Tochter-Beziehung?
Ob es ein Geheimrezept für das gute Verhältnis zu meiner Tochter gibt? Ich glaube nicht. Es ist eher eine Haltung. Mein Anspruch war immer: Ich will, dass mein Kind lebensfähig und leidensfähig ist. Ich wollte sie nicht verwöhnen, sondern begleiten.
Christin hatte schon früh eine starke Eigenmotivation. Sie wollte etwas erreichen – und ich habe sie einfach in dem bestärkt. Ohne Druck, ohne Zwang. Vielleicht war ich weniger Vater im klassischen Sinn, sondern mehr Mentor auf Augenhöhe.
Ich habe Christin von Anfang an beteiligt. Warum sollte ich Geld horten, das ich später sowieso vererbe und versteuern muss? Ich habe es viel lieber genutzt, um sie einzubinden, sie mitgestalten zu lassen.
Mein Lebenselixier ist die Arbeit mit meiner Tochter.
Ich liebe es, kreativ zu sein. Ich brauche diese Aufgabe. Entwicklung ist mein Antrieb und Christin ist meine größte Motivation. Wenn sie marschiert, marschiere ich mit. Arbeit als Glücksformel und als Vorbildfunktion.
Sie übernimmt schrittweise mehr. Ich begleite sie. Ich gebe Ideen. Und sie setzt sie um. Ich finde das schön zu beobachten und ich glaube fest daran: Sie wird es besser machen als ich.
Gibt es weitere Personen in der Fitnessbranche, die dich unterstützt und begleitet haben oder die sogar Vorbild für dich waren?
Ich hatte viele Begleiter, und ich bin dankbar für jeden Einzelnen. Mein langjähriger Partner Christian Phillippovitsch ist einer der wichtigsten Menschen für mich. Genauso zählen für mich Persönlichkeiten wie Refit Kamberovic, René Kalt, Paul Underberg, Hans Geisler, Ingo Froböse, Michael Birk, David von Hase, Bahram Ekhtebar, Christian Giesecke, Jens 'Eddy' Woggon, Ulli Maser, Jörg Pettenkofer, Steffen Fiedler oder auch Christian Jäger dazu, die bis heute wertvolle Wegbegleiter für mich sind.
So ist es auch mit Johannes Marx, der mit der BSA-Akademie und der DHfPG den Bildungsmarkt für die Fitnessbranche vorangetrieben und die Trainerqualifikation auf einen neuen Standard gehoben hat. Rudi Plüddemann hat mich fachlich wie menschlich inspiriert. Für Persönlichkeiten wie Wolf Harwath, mit denen ich teils auch Reibung hatte, bin ich sehr dankbar.
Auch Unternehmer wie Stephan Schulan, Martin Seibold, Werner Pfitzenmeier, Björn Krämer, Frank Böhme oder Henrik Gockel sind für mich Denker mit Weitblick. Sie treiben Dinge voran, bringen Ideen ein, von denen ich lernen konnte – und wollte.
Oder Rainer Schaller, der den Discountmarkt revolutionierte, indem er sein Know-how aus dem Lebensmitteleinzelhandel nutzte und das Thema Fitness völlig neu gedacht und umgesetzt hat, war eine große Inspiration für mich.
Philipp Roesch-Schlanderer, anfangs eher der Lernende, hat sich zu einer starken Führungspersönlichkeit entwickelt. Ich habe größten Respekt vor seinem Weg. Ich könnte noch viele weitere Namen nennen, aber das würde hier den Rahmen sprengen.
Ich habe nicht immer mit allen Frieden gehabt. Am Ende bleibt eines: Wir sind eine Branche, die sich kennt. Man begegnet sich, reibt sich, wächst miteinander – und begleitet sich ein Leben lang. Irgendwann steigen wir einer nach dem anderen in die Kiste – aber bis dahin prägen wir diese Branche gemeinsam. Und dafür bin ich dankbar.
Hinweis: Das Interview wurde am 16. Juni 2025 aufgezeichnet.
Mario Görlach Interview als Podcast-Trilogie
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