Ernährung, Gesundheit | Autor/in: Christina Esser |

Kurze Diäten – langfristige Folgen!

In diesem Fachartikel zum Thema Ernährung wird dargestellt, was für qualifizierte Ernährungsfachkräfte spricht.

Diäten machen erstmal schlank. Jedoch kommt jedes unter Schwerstarbeit abgebaute Gramm Fettgewebe irgendwann wieder zurück. Der Kampf um die Kilos liegt nicht grundsätzlich an Willensstärke oder Durchhaltevermögen, sondern oftmals an den Tricks unseres Gehirns, die uns daran hindern, standhaft zu bleiben. Sobald wir an die nächste Diät denken, macht unser Körper schon Pläne wie er uns zu Schnitzel mit Pommes verführen kann. Nachfolgend erfahren Sie, wieso Diäten langfristig dick machen, welche ausgefuchsten Methoden unser Gehirn hierfür anwendet und wieso qualifizierte Ernährungsfachkräfte auf dem Weg zur Gewichtsreduktion unersetzlich sind.

Beim Abnehmen verlieren unsere Fettzellen lediglich an Größe und an Gewicht, sie werden jedoch nicht abgebaut. In der Theorie können Fettzellen absterben. In der Praxis wird der Zelltod verhindert, weil Substanzen, die für den Zelltod zuständig sind, an ihrer Arbeit gehindert werden. Leere Fettzellen nützen uns in Hungersnot nichts, ganz im Gegenteil. Sie verschleudern Energie, denn sie müssen am Leben gehalten werden, obwohl sie nutzlos sind. Das ist so, als würden wir für ein Zeitungsabonnement zahlen, welches wir nicht lesen. Beginnen wir wieder mit Essen, füllen sich die Fettzellen wieder. Zuständig hierfür ist das Hormon Leptin. Es wird in den Fettzellen gebildet und gibt dem Gehirn, welches unseren Hunger- und Sättigungsmechanismus regelt, Informationen über unsere Fettzellen. Bei gut gefüllten Fettzellen wird viel Leptin gebildet und bei leeren, hungernden Fettzellen wenig. Liegt wenig Leptin vor, wird unser Hungergefühl hochgeregelt. Die Fettzellen werden nach der Nahrungszufuhr wieder gefüllt. Jetzt wird wieder mehr Leptin gebildet und das Hungergefühl wird wieder heruntergeregelt. Bei Übergewichtigen kann es passieren, dass das Leptinsignal im Gehirn nicht mehr so effizient ankommt. Leptinrezeptoren im Gehirn werden bei prallen Fettzellen leptinresistent. Das heißt die Rezeptoren im Gehirn erhalten keine Rückmeldung mehr. Das Gehirn schlussfolgert, dass die Fettzellen leer sind und regelt den Hunger und Appetit hoch. Ein Teufelskreis beginnt… Auch wenn die Anzahl der Fettzellen bei Diäten nicht sinkt, bleibt die Anzahl dennoch nicht gleich. Sie werden mehr, wenn wieder mehr gegessen wird. Da es unökonomisch wäre für ein weiteres, ungenutztes Zeitschriftenabo zu zahlen, werden die neuen Fettzellen aufgefüllt.

Problemzonen – Die eiserne Reserve und wie sie der Körper vergrößert
Das häufige Ergebnis einer erfolgreichen Gewichtsreduktion zeigt, dass wir an Schultern, Bauch, Beinen und Po gut abgenommen haben. Der hartnäckige Hüftspeck ist immer noch da ist. Egal ob wir Sport treiben oder Diät halten. Unsere „Problemzonen“ wollen einfach nicht verschwinden. Längerfristig ist die Akzeptanz der Problemzonen das Beste für uns! Vor allem Normalgewichtige, beißen sich die Zähne daran aus. Sie sind die eiserne Reserve und werden vor allem und jedem geschützt. Die Fettzellen der Problemzonen werden nur geöffnet, wenn wir kurz vor dem Hungertod stehen, also nicht bei einer harmlosen Diät, denn hierfür gibt es keinerlei Anlass. Das Gehirn findet den Problemzonenmechanismus gut. Je mehr wir davon haben, desto besser sind wir vor dem Verhungern geschützt. Das Gehirn hilft nach und weitet die Problemzonen aus, indem es uns mehr essen lässt und indem wir uns besonders zum Sofa hingezogen fühlen. Je mehr sich dieser Mechanismus im Laufe der Jahre ausprägt, umso schwieriger wird die Gewichtsreduktion und ein weiteres Problem macht sich breit. Die Fettverbrennung wird so gut wie nie angekurbelt. Je mehr Problemzonen es gibt, umso schwieriger ist auch die Fettverbrennung im Sport.

„Stoffwechselverlangsamung“
Ständige Diätversuche, Stress, Übergewicht und Lebensmittel im Überfluss bringen das Gehirn durcheinander. Es signalisiert dem Körper, dass reichliches Essen notwendig ist und animiert, dass der Körper mehr Zucker und Fett braucht. Dies ist ein Grund dafür, warum Übergewichtige mehr Appetit verspüren. Sollten wir so stark sein, den appetitanregenden Versuchen des Gehirns zu trotzen, passt der Körper sich diesem Verhalten an, in dem er effizienter arbeitet. Das heißt, er verbraucht weniger für die gleiche Arbeit. Dieses Phänomen ist Ihnen besser bekannt als „Stoffwechselverlangsamung.“ Der Energieumsatz wird auf ein Minimum reduziert. Wir zapfen weniger schnell unsere Fettreserven an. So wird dem Verhungern entgegengewirkt. Dies passiert leider schon, wenn wir weniger essen und läuft parallel zu der „Essanimation“ des Gehirns.

Weniger Gewicht bedeutet weniger Energieumsatz in Ruhe. Es muss weniger Masse versorgt werden. Aber der Ruhe-Energieumsatz ist oft viel geringer als es der Gewichtsverlust erklären kann. Der zusätzliche Rückgang kann mehrere Hundert Kilokalorien betragen. Je stärker das Kaloriendefizit, umso größer auch der Rückgang. Diese Differenz müsste zusätzlich eingespart werden, ohne dass wir überhaupt Gewicht reduzieren und das über Jahre.

Diäten gekoppelt mit ständigem Sport gefallen dem Gehirn nicht. Deshalb begrenzt es die täglichen Bewegungseinheiten nur auf den Sport und andere Aktivitäten lassen nach. D. h. trotz Sport haben wir keinen höheren Energieumsatz. Statt der Treppe nehmen wir den Aufzug. Statt zu Fuß zu gehen, fahren wir mit dem Auto zum Einkaufen. Bewegungen, die nicht mit einer notwendigen Handlung in Verbindung stehen, fallen vollständig weg. Das Gehirn setzt auch alle Alltagsbewegungen, die unbewusst verlaufen z. B. durch die Haare streichen, mit dem Fuß wippen oder mit dem Kugelschreiber spielen, getarnt zurück. So lässt sich täglich Einiges an Energie einsparen.

Die cleveren Angestellten des Verdauungstraktes
Wird der Magen während des Essens gut gefüllt, dehnt sich die Magenwand. Dies messen die Mechanorezeptoren im Magen und geben Rückmeldung an unser Gehirn: „Bitte stell die Nahrungsaufnahme ein.“ Wir sind satt und hören auf zu essen. Lassen wir Mahlzeiten während einer Diät weg oder essen uns nicht satt, melden die Mechanorezeptoren dem Gehirn einen leeren oder einen nicht ausreichend gefüllten Magen. Das Gehirn löst das Hungergefühl aus. Wir beginnen wieder zu essen. Die Chemorezeptoren messen, ob das, was im Magen ist, Nährstoffe und Energie enthält. Werden nur ungesunde, nährstoffarme Lebensmittel gegessen wird zeitnah wieder Hunger ausgelöst, auch wenn der Magen voll ist. Das ist der Grund, warum Fastfood nicht lange sättigt. Auch während Diäten, in denen wir sehr kleine Mengen essen, wird unser Nährstoffbedarf nicht gedeckt. Schlussfolgernd löst das Gehirn auch hier wieder Hunger aus.

Allzu viel tut selten gut! Jeder weiß, dass zu viel Zucker oder zu viel Fett Gründe für das Wachstum des Fettgewebes sind. Deshalb wird dies strickt vermieden. Das Resultat ist Salat mit Joghurtdressing und magere Hähnchenbrust ohne jegliche Extras. Im Vergleich zu einem Schweinsbraten mit Soße und Serviettenknödel schmeckt das sehr fad. Wer dünn sein will, muss leiden und deshalb stürzen sich die Menschen in dieses „Geschmackserlebnis.“ Und es führt zum Erfolg. Durch den faden Geschmack und die ausbleibende Befriedigung beim Essen findet Fettiges und Süßes wieder Einzug in den Speiseplan. Unsere Zunge erfasst verschiedene Geschmäcker – die bekanntesten sind süß, salzig, sauer und bitter. Der Geschmack wird gemessen, über die Nerven ans Gehirn geschickt und dort ausgewertet. Hier wird dieser an Begeisterung oder Ablehnung gekoppelt. Jeder hat andere Vorlieben für die verschiedenen Geschmacksrichtungen. Diäten, die nicht der präferierten Geschmacksrichtung nachkommen, sind somit zum Scheitern verurteilt. Durch die Stimulierung des Belohnungssystems bewegt das Gehirn den Menschen zum Essen. Wer ständig Diät hält, verändert sein Geschmacksverhalten negativ. Süßes ist nicht mehr süß genug und Fettiges nicht fettig genug. Hier muss mehr Zucker her, damit es schmeckt.

Die Tricks der Psyche
Auch strickte Verbote, wie z. B. das konsequente Meiden von fettigem Essen, trifft irgendwann auf seine Grenzen. Das Gehirn schafft es, dass wir uns ganz auf das erlaubte Essen konzentrieren. Völlig unbemerkt gleichen wir das, was wir bei den Verboten an Energie einsparen, durch das Mehressen von Erlaubtem wieder aus.

Wer mental so stark ist und sein Ziel erreicht hat, also seine perfekte Körperform hat, ist zunächst sehr glücklich. Zu diesem Zeitpunkt hat sich das Gehirn nicht widersetzt. Genau dann, wenn wir maximal glücklich über unseren Erfolg sind, wittert das Gehirn seine Chance. Langsam lässt der Körper die Zügel etwas lockerer und belohnt sich z. B. mit einem leckeren Burger. Erneut werden Glücksgefühle ausgelöst. Damit trickst uns das Gehirn wieder aus. Wir sind sicher, uns weitere Leckereien gönnen zu können, denn das Geheimrezept des Schlankseins kennen wir ja. Durch diese Sicherheit und die ausgelösten Glücksgefühle, schafft es das Gehirn, sich wieder durchzusetzen, was langfristig wieder zu einer Gewichtszunahme führt.

Von Muskulatur, die wir nicht brauchen
Manches Gewebe braucht mehr, manches weniger Energie. Gehirn, Leber und Muskulatur verbrauchen viel Energie. Wenn wir im Hungerstoffwechsel sind, muss das Gehirn den Umsatz bestimmter Gewebe drosseln. Das geht nicht auf ein Minimum, sonst würden diese absterben, aber die Anzahl der Zellen wird verringert. Erhalten bleiben nur die Zellen, die notwendig sind, um die Funktionen des Gewebes, z. B. die eines Organs, aufrecht zu erhalten. Besonders geeignet sind dafür die, die viel Energie benötigen. Gehirn und Leber erfüllen viele lebensnotwendige Funktionen. Deshalb werden sie aufrechterhalten. Bewegung und Sport treiben kosten viel Energie, und die soll der Körper ja nicht verbrauchen. Aus diesem Blickwinkel ist der Muskelmasseabbau verkraftbar. Der Muskelmasseabbau wird von dem Hormon Cortisol aus der Niere gesteuert. Cortisol aktiviert vor allem am Anfang einer Diät verstärkt Enzyme und entzündungsfördernde Substanzen zum Muskelabbau. Damit keine Muskelschwäche entsteht, wird dieser Prozess allmählich wieder eingestellt. Je mehr Muskelmasse verloren geht, umso besser ist das für den Fetterhalt und umso schwerer für den Fettverlust. 

Alleine durch Sport abzunehmen, ist nicht ausreichend. Es sei denn, man trainiert häufig und intensiv. Drei Mal pro Woche ein wenig anstrengender Sport reicht nicht zum Abnehmen, aber als Ergänzung zur Diät ist Sport sinnvoll. Das Gehirn will die Wirkung der Diät natürlich nicht durch Sport verbessern. Diäten vermindern daher den Energieumsatz im Training durch die vermehrte Aktivität der roten Muskelfasern, die bei niedrigen Intensitäten effizienter arbeiten. Die Muskulatur schafft demnach die gleiche Leistung mit weniger Energie.

Enzyme und Hormone, die an Wirkung verlieren
Während Diäten verlieren fettverbrennende und stoffwechselanregende Hormone an Wirkung, indem deren Hormonrezeptoren deaktiviert werden. Ohne Rezeptoren können Hormone nicht wirken, weil das Hormonsignal nicht mehr ankommt. Das kann passieren, wenn Hormone während der Diät sehr oft an ihren Rezeptor binden. Irgendwann werden die Rezeptoren quasi resistent gegen ihr Hormon. So werden, wenn wir schnell Gewicht reduzieren, übereifrige, fettverbrennende Hormone schachmatt gesetzt.

In den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle, findet die Fettverbrennung statt. Hier sind alle Enzyme, die zur Fettverbrennung notwendig sind. Wie gut und wie viel Fett wir verbrennen, hängt von der Anzahl der Mitochondrien ab. Die Anzahl ist genetisch bedingt. Aber die Bildung der Mitochondrien kann z. B. durch aktiven und gesunden Lebensstil aktiviert werden. Hungerkuren vermindern die Bildung der Mitochondrien, weil das Gehirn die fettverbrennenden Enzyme in den Mitochondrien deaktiviert.

Die Leber wird immer fetter
Die Leber braucht Zucker, um arbeiten zu können. Sie verbrennt einen Teil und speichert einen Teil. Alles, was sie nicht braucht, schickt sie weiter ins Blut und von dort zu den Zellen. Sie nutzt aber auch Zucker zur Speicherbildung von Fett, d. h. sie wandelt Zucker in Fett um und schickt diese über das Blut weiter. Die Zuckerspeicher in der Leber werden fachmännisch Leberglykogenspeicher genannt. Durch Aussetzen von Mahlzeiten und durch Sport werden sie entleert. Essen wir zuckerhaltig, werden sie wieder gefüllt. Würden wir nur so viel Zucker aufnehmen, wie es die Leber benötigt, könnten wir die Fettbildung verhindern. Jeder Zucker über diese Menge hinaus kann zur Fettbildung genutzt werden. Im Zuge einer Hungerkur verändert die Leber Ihre Verteilung von Zucker. Sie ändert das Verhältnis der Zuckeranteile, die zur Energieverbrennung, zur Speicherung und zur Bildung von Fett genutzt werden. So lange wir Diät halten, merken wir das nicht. Wenn wir die Diät abbrechen, wird die Leber z. B. das Doppelte der Zuckerzufuhr umwandeln zu Fett und zur Fettspeicherung nutzen. Die Anteile für die Verbrennung oder zur Speicherung von Zucker sinken somit. Die neue Fettbildung ermöglicht ein weiteres Wachsen des Fettgewebes, aber ein Teil davon verbleibt in der Leber. Das wird in seiner Bewegung eingeschränkt und kann nicht mehr so effektiv arbeiten.

Fazit für die Ernährungsberatung
All diese beschriebenen Entwicklungen im Körper bei einer Diät erklären, wieso das Halten des reduzierten Körpergewichtes so schwer ist und warum das Körpergewicht bei ständigem Diäthalten schrittweise immer weiter ansteigen kann. Die Entstehung von Übergewicht hat somit nicht unbedingt mit Schwäche, fehlender Willensstärke oder Versagen zu tun. Die vielen Nebenwirkungen von Diäten können jedoch durch die Zusammenarbeit mit einer professionellen Ernährungsfachkraft vermieden werden. Durch eine moderate Energiereduktion sieht unser Körper keine Überlebensgefahr und wird nicht dazu genötigt, Fettgewebe um jeden Preis zu horten oder aufzubauen. Eine qualifizierte Ernährungsfachkraft erstellt, individuell angepasst an die Lebensumstände des Kunden, eine zielgerichtete Ernährung, welche ein Leben lang durchgeführt werden kann und statt zum „schnellen Erfolg“, zum langfristigen Erfolg führt.

In kürzester Zeit so viel wie möglich an Körperfett zu verlieren, wie von vielen Diäten versprochen, stellt kein realistisches Ziel dar. Qualifizierte Ernährungsfachkräfte wissen, welche Ziele realistisch sind und wie sie erreicht werden können. Dies unterstreicht die Wichtigkeit professioneller Ernährungsfachkräfte.    

www.dhfpg-bsa.de

Christina Esser
B.A. Ernährungsberatung, ist als Dozentin im Fachbereich Ernährung für die Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement/BSA-Akademie tätig. Zudem betreut die lizenzierte Trainerin Kunden im Ernährungs- und Trainingsbereich. 

Literatur
Prinzhausen, J. (2015). Warum nehme ich nicht ab? Warum sich der Körper gegen das Schlanksein wehrt. Milda: Ketoline nutrition concepts.

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